Zürich – Es ist ein demografischer Wendepunkt: Am 31. Dezember wird der letzte US-Babyboomer 50. Weltweit findet ein Übergang der Babyboomer-Generationen in den Ruhestand statt. Dies wird die Pensionssysteme künftig in zunehmendem Ausmass vor grosse Herausforderungen stellen – auch in der Schweiz. Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen Studie von Allianz International Pensions «Baby, it’s over now: The last baby boomer turns 50.»
Danach wird sich das Verhältnis zwischen Personen über 65 Jahre und denjenigen im erwerbsfähigen Alter (Alterskoeffizient) noch einmal deutlich zu Lasten der Jüngeren verschieben. Die Pensionsausgaben der 18 untersuchten Länder werden im Schnitt um 29 Prozent steigen, wenn die dortigen Babyboomer in Rente gehen – in der Schweiz sogar um fast 37 Prozent; in vielen angelsächsischen Ländern steigt dieser Wert wegen starker Generationen und lang dauernder Booms sogar noch deutlicher. Die ökonomischen Herausforderungen europäischer Länder resultieren dagegen eher aus der vergleichsweise alten Bevölkerung. Hier wirkt sich der dramatische Rückgang der Geburtenraten nach dem Boom stärker aus als der Babyboom selbst.
«Die Alterung ist ein struktureller Trend mit potenziell dramatischen gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen», betont Rudolf Alves, Leiter Leben der Allianz Suisse. «Das gilt auch für die Schweiz trotz ihrer vergleichsweise guten wirtschaftlichen Situation, denn auf der anderen Seite haben wir eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit.»
Babyboom in der Schweiz dauerte 22 Jahre
Als plötzlicher Anstieg der Geburtenrate nach dem zweiten Weltkrieg hat der Babyboom Soziologen in vielen westlichen Ländern der Welt überrascht, denn bis dahin hatten Frauen kontinuierlich weniger Kinder bekommen. Doch Dauer, Zeitpunkt und Stärke dieses Phänomens variierten regional beträchtlich. Während der Babyboom in Italien beispielsweise lediglich vier Jahre dauerte (1946 bis 1949), verzeichnete die Schweiz zwischen 1946 und 1968 über einen Zeitraum von 22 Jahren die höchsten Geburtenraten. Auf dem Höhepunkt des Babybooms 1964 brachten Frauen in der Schweiz statistisch gesehen 2,68 Kinder zur Welt.
In einigen Ländern startete der Boom sogar erst in den 1950er Jahren, etwa in Deutschland oder Belgien. Zudem ist das Ausmass unterschiedlich: In den USA und Australien machten die während des Booms geborenen Babys am Ende der geburtenstarken Phase etwa 40 Prozent der Bevölkerung aus, in der Schweiz lag der Anteil bei 36,8 Prozent. In den meisten der untersuchten Länder ziehen sich die Babyboomer-Generationen seit 2011 aus dem Erwerbsleben zurück, dieser Trend ist auch in der Schweiz zu beobachten. In Deutschland oder Österreich tritt dieser Effekt erst ab 2021 ein.
Starker Anstieg der Pensionsausgaben
Unabhängig von Dauer und Ausprägung des Booms wird sich jedoch in allen 18 untersuchten Ländern die Altersstruktur verschieben. Am stärksten wird dieser Effekt in Neuseeland sein, wo sich der Babyboom am längsten gehalten hat. Wenn dort der letzte Babyboomer im Jahr 2037 in Rente geht, wird der Alterskoeffizient von 20 Prozent auf 36 Prozent gestiegen sein (ein Plus von 80 Prozent): Dann werden drei Personen im erwerbsfähigen Alter einen Rentner finanzieren – statt wie früher fünf. Ähnlich die Entwicklung in der Schweiz: Hier steigt der Alterskoeffizient von 25 Prozent bis 2033 auf 37 Prozent (=+47 Prozent).
Diese Veränderung der Altersstruktur wirkt sich direkt auf die Pensionsausgaben eines Staates aus. Länder mit den grössten Babyboomer-Generationen stehen auch vor den grössten Herausforderungen, wenn diese den Arbeitsmarkt verlassen. In Neuseeland etwa werden die Pensionsausgaben um 64 Prozent steigen; im Schnitt aller 18 Länder werden es 29 Prozent sein – und in der Schweiz rund 37 Prozent. In konkreten Zahlen ausgedrückt: Hatte ein Arbeitnehmer im Jahr 2010 Altersausgaben von CHF 6,30 pro CHF 100 Einkommen, steigt dieser Wert bis 2033 auf CHF 8,60.
«Unsere Sozialsysteme und die gesamte Volkswirtschaft werden durch den enormen gesellschaftlichen Alterungsprozess also auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Die Zahl der Rentenbezieher wächst, während die der Beitragszahler kontinuierlich schrumpft. Gleichzeitig steigen die Alterskosten. Das ist eine einfache mathematische Rechnung, die auf Dauer nicht aufgehen kann», ist Alves überzeugt. «Das Reformpaket Altersvorsorge 2020 zeigt immerhin in die richtige Richtung, auch wenn es noch Diskussionsbedarf gibt. Der Bedarf, privat für das Alter vorzusorgen, wird aber dennoch massiv steigen. Für uns als Versicherer ergeben sich aus dem Alterungsprozess also auch Chancen.»
Europa: Starke Alterung nach dem Boom
Viele europäische Länder stehen in den kommenden Jahren vor einem immer stärker werdenden Effekt: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt – in Deutschland etwa um weitere 14 Prozent bis 2033. In der Schweiz als klassischem Zuwanderungsland steigt der Anteil hingegen um schätzungsweise 11 Prozent. Diesbezüglich sind die Prognosen nur für Norwegen, Neuseeland und Australien günstiger.
Die Auswirkungen sinkender Geburtenraten sind deutlich nachhaltiger.
Hat der Babyboom in Europa durchschnittlich 13,5 Jahre gedauert, bekommen in den meisten europäischen Ländern Frauen seit bereits vier Jahrzehnten weniger als etwa 2,1 Kinder, die nötig wären, um die Bevölkerungszahl aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund haben viele dieser Länder schon heute eine vergleichsweise alte Bevölkerung. Zwar verzeichnet die Schweiz seit 2002 einen stetigen Anstieg um insgesamt 11 Prozent bei der Geburtenrate, mit durchschnittlich 1,53 Kindern liegt diese allerdings weiterhin auf einem relativ niedrigen Niveau.
«Keine Frage: der demografische Wandel ist neben dem Klimawandel sowie der fortschreitenden Digitalisierung ein globaler Megatrend – deshalb sind nachhaltige Systeme und private Vorsorge die Grundvoraussetzungen für einen finanziell abgesicherten Ruhestand für jetzige und zukünftige Generationen», lautet das Fazit von Alves. (Allianz/mc)