Spaniens Finanzminister Cristóbal Montoro.
Madrid / London / Brüssel – Das von einer massiven Bankenkrise gebeutelte Euroland Spanien muss einen weiteren Tiefschlag wegstecken. Die Ratingagentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit des Euro-Krisenlandes am Donnerstag herab. Die Bonität sei um drei Stufen von «A» auf «BBB» gesenkt worden, teilte die Agentur am Abend mit. Damit wird das krisengeschüttelte Land nur noch zwei Stufen über Ramsch-Niveau bewertet. Den Ausblick setzte Fitch auf «negativ». Damit dürfte es für die viertgrösste Volkswirtschaft der Eurozone immer teurer und schwieriger werden, sich Geld von Investoren zu besorgen. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sicherte Spanien für den Notfall Hilfe der Euro-Partner zu.
Bereits vor der Entscheidung der Ratingagentur hatte es für das südosteuropäische Land am Donnerstag keine Entwarnung am Anleihemarkt gegeben. Das Schatzamt in Madrid versteigerte Staatspapiere mit drei verschiedenen Laufzeiten und sammelte 2,07 Milliarden Euro ein. Die Nachfrage war gross, doch die Geldaufnahme wird immer teurer. Bei der Anleiheauktion verlangten die Investoren für Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren Zinsen von 6,044 Prozent. Im April waren es noch 5,743 Prozent. Damit wird die Finanzierung der Schulden für Madrid, das ohnehin mit einem zu hohen Staatsdefizit kämpft, immer schwieriger.
Wahrscheinlichkeit weiterer Herabstufungen
Fitch schätzt auch den Ausblick negativ ein. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit weiterer Herabstufungen überwiegt mittelfristig. Als Hauptbegründung für die Entscheidung nannte das Ratingunternehmen die hohen Kosten, die Spanien wahrscheinlich bei der Sanierung des maroden Bankensektors bevorstehen. Fitch sieht den nötigen Mittelaufwand zwischen 60 und 100 Milliarden Euro. Ein EU-Parlamentarier und Parteifreund von Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach von einer Summe von bis zu 100 Milliarden Euro. Damit benötigt Spanien für die Sanierung seiner Banken möglicherweise erheblich mehr Geld als bislang angenommen. Laut Fitch wird Spanien ausserdem vorerst nicht aus seiner schweren Rezession kommen.
Im April hatte bereits die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) die Kreditwürdigkeit des Euro-Sorgenkindes herabgestuft. Die Notenwächter von S&P hatten die Bonität Spaniens von «A» auf «BBB+» gesenkt. Der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro hatte Anfang der Woche erstmals offen eingeräumt, dass die Tür zum Kapitalmarkt beim aktuellen Renditeniveau praktisch geschlossen sei. Das heizte Spekulationen weiter an, Spanien müsse nach Irland, Portugal und Griechenland ebenfalls unter den europäischen Rettungsschirm flüchten. Händler bezeichneten die Versteigerung am Donnerstag dennoch als Erfolg und führten die sehr starke Nachfrage an. Die Titel waren 2,56- bis 4,26-fach überzeichnet.
Probleme im Bankensektor
Zuletzt hatten Investoren das Land aufgrund der Probleme im Bankensektor immer kritischer bewertet. Deswegen herrschte wegen der robusten Nachfrage, die auch ein Indiz für das Vertrauen der Anleger ist, trotz höherer Zinsen auch Erleichterung. Am Sekundärmarkt für bereits gehandelte Anleihen gingen die Renditen denn auch merklich zurück.
Der Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP), Antonio López-Istúriz, sagte, bei den Hilfen für die spanischen Banken gehe man von einer Summe von insgesamt 80 und 100 Milliarden Euro aus, vielleicht auch weniger. «Die Zahlen bewegen sich im Rahmen dessen, was der EU-Rettungsfonds akzeptieren könnte», betonte der spanische Europaparlamentarier dem staatlichen Fernsehen TVE. Die EU-Gipfelkonferenz am 28./29. Juni könnte grünes Licht geben, wenn Spanien die Hilfen benötige.
Die genannte Summe ist erheblich höher als die bisherigen Schätzungen. Der Präsident der Grossbank Santander, Emilio Botín, hatte den Gesamtbedarf des spanischen Bankensektors auf 40 Milliarden Euro beziffert. Montoro nannte bislang keine Summe, betonte aber, der erforderliche Betrag sei «nicht sehr hoch».
Bislang kein Hilfsantrag aus Spanien
Die EU-Kommission betonte erneut, es gebe aus Spanien keinen Antrag auf Hilfen. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn wies erneut auf die Möglichkeit hin, den Krisenfonds EFSF in Anspruch zu nehmen, falls der heimische Bankenrettungsfonds nicht ausreichen sollte. «Diese Möglichkeit existiert, aber es ist eine theoretische Möglichkeit, weil es keine Anfrage gibt.» Externe Prüfer müssten zuerst feststellen, wie hoch der Finanzbedarf bei den Banken überhaupt sei. Schätzungen von 40 bis 80 Milliarden Euro seien ungenau, kritisierte er.
Die spanische Regierung hat noch nicht entschieden, ob sie in Brüssel Hilfen beantragen wird. Sie will nach Angaben von Wirtschaftsminister Luis de Guindos erst Gutachten des Weltwährungsfonds (IWF) und zweier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Lage des spanischen Bankensektors abwarten. «Falls Spanien Hilfe braucht, wird es Unterstützung erhalten», sagte Eurogruppenchef Juncker in Brüssel am Rande einer Veranstaltung. Da Madrid bisher keinen Antrag auf Hilfen der Partner gestellt habe, sei es aber zu früh, über Zeitpläne und Summen zu spekulieren. (awp/mc/upd/ps)