Fragen Sie im Flugzeug nie die Person neben Ihnen, was diese für den Flug bezahlt hat.
Von Artur P. Schmidt
Der Siegeszug des Dynamic Pricing
Die Vorteile einer dynamischen Preisgestaltung (engl. Dynamic Pricing) erkannte als erstes die Luftverkehrsindustrie, im besonderen Luftverkehrsgesellschaften, die unter einem immensen Wettbewerbsdruck stehen und gegen staatliche Monopole und Flughäfen ankämpfen müssen, die Ihnen die Rendite durch überhöhte Preise ruinieren. Mittlerweile haben auch Hotels und Versorgungsunternehmen die dynamische Preisgestaltung erfolgreich implementiert. Auch bei Onlineplattformen und im Einzelhandel hält das Dynamic Pricing Einzug. Drei Faktoren sind für den Siegeszug des «Dynamic Pricing» verantwortlich:
- Die zunehmende Datenverfügbarkeit bezüglich der Nachfrageseite
- Die schnelle Veränderung der Preise durch neue Webtechnologien
- Das Aufkommen immer besserer Werkzeuge zur Entscheidungsfindung
Neben den Verhaltensmustern der Kunden werden bei der dynamischen Preisgestaltung auch andere Einflussfaktoren wie Ort, Zeit oder das Wetter mit einbezogen. So untersuchen viele Firmen die Kaufgewohnheiten ihrer Kunden, um ihnen dann massgeschneiderte Angebote anbieten zu können. Die dynamische Preisgestaltung überwindet hierbei das Prinzip der Listenpreise und ersetzt es durch eine adaptive Preisgestaltung, was letztlich deutliche Umsatzsteigerungen bei vielen Unternehmen zulässt.
Innovationen vorantreiben
Dynamic Pricing hat die Themen mobiler, sozialer Handel sowie das Thema der riesigen Datenmengen von der Hitliste der wichtigsten Internetthemen verdrängt. Firmen wie Amazon, eBay oder Staples müssen die Komplexität der Kundenanforderungen mit neuen Ansätzen managen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierbei Müssen diese ihre Preise dem Wettbewerb anpassen, manchmal sogar auf einen Tag genau oder in Echtzeit, je nachdem wie das Kundenverhalten oder wie hoch der Verkehr im World Wide Web ist. So müssen die Firmen erkennen, dass wenn es einen hohen Webverkehr gibt und die Umsätze gering sind, irgendetwas mit der Preisgestaltung nicht stimmen kann, d.h. dass die Preise wahrscheinlich zu hoch sind. Deshalb spielt es eine entscheidende Rolle, wie gut sich ein Produkt verkauft. Verkauft sich dies gut, können die Preise entsprechend angehoben werden, um eine bestimmte oder höhere Zielrendite zu erreichen.
Amazon hat erfolgreich mit seiner Preispolitik aufgezeigt, wie Dynamic Pricing, insbesondere auch bezüglich der Liefergeschwindigkeitsoptionen, aussehen muss, wenn man im Onlinehandel eine führende Stellung einnehmen will. Wie wichtig das Thema ist, zeigt auch die Tatsache, dass die französische Warenhauskette Galeries Lafayette zusammen mit der Novancia Business School in Paris einen Lehrstuhl zum Thema «Shopping in the Future» eingerichtet hat. Die Digitalisierung des Handels zwingt mittlerweile auch grosse Warenhausketten zum Umdenken. Die Wachstumsraten im Onlinehandel sich so beachtlich, dass immer mehr Firmen den Nutzen einer adaptiven Preisgestaltung erkennen.
Yield Management
Im Kontext einer dynamischen Preisgestaltung spielt das von den Airlines etablierte Yield Management, das heisst die Optimierung der Erträge eines Unternehmens, eine immer wichtigere Rolle. Yield Management, auch Revenue Management genannt, ist ein flexibles Preisgestaltungssystem, mit dem Ziel die Erträge und den Umsatz unter Einsatz integrierter Informationssysteme und einer dynamischen Preis-Mengen-Steuerung zu optimieren. So soll z.B. ein Airline Ticket immer zum jeweils gerade höchstmöglichen Preis verkauft werden. Doch dieser Preis, muss unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren jeden Tag aufs Neue ermittelt werden. Während bei Airlines und der Top-Hotellerie Yield Management und Distribution bereits vollautomatisiert sind, fehlt es gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen an Know-how, um das dynamische Pricing effizient umzusetzen. Der Investitionsgrad in neue Technologien muss deshalb hier deutlich erhöht werden. Bei jeder Preisgestaltung stellt sich die Frage: Wie viel zusätzlichen Umsatz kann ein Unternehmen generieren, wenn die Preise so gesenkt werden, um eine zusätzliche Einheit eines Produktes oder einer Dienstleistung zu verkaufen. Was die Ökonomen als Grenznutzen bezeichnen, markiert somit eine Grenze, die zwischen einem grösseren und einem kleineren Umsatz entscheidet.
Die Airline Industrie
Bei Airlines bedeutet Yield Management, dass man die Kosten senken kann, bis man die Grenzkosten erreicht. Darunter bringt ein Senken der Kosten gar nichts, im Gegenteil, man würde den Verlust sogar noch erhöhen, weshalb es oftmals besser ist, die Sitze sogar leer zu lassen. Luftverkehrsgesellschaften variieren Ihre Preise basierend auf dem Vorlauf der Buchung und der Verfügbarkeit, wobei sie komplexe Algorithmen benutzen, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. Dies ist auch der Grund, warum Sie nie die Person neben Ihnen während einem Flug fragen sollten, was diese für den Flug bezahlt hat. Einer von Ihnen beiden wird immer verärgert sein.
Die amerikanische Airline-Industrie war immer schon Vorreiter wenn es um die Veränderung der Preise ging. So schätzt das California Institute of Technology, dass American Airlines etwa eine halbe Million Preise pro Tag verändert. Aber auch wenn es nur die Hälfte oder ein Zehntel wäre, es liegt auf der Hand, dass dies ohne eine ausgeklügelte IT-Strategie und Infrastruktur nicht möglich wäre. Luftfahrtkunden müssen folgende Faktoren bei Ihrer Preisauswahl berücksichtigen: Die Suchzeit für den besten Deal, die Unsicherheit ob man den Deal bekommt, die Reisezeit zum Flughafen, die Wartezeit am Flughafen, die Unsicherheit über zusätzliche Gebühren sowie die Überbuchungsstrategien der Fluggesellschaften. Doch gerade hier gibt es Verbesserungsbedarf. Es stellt sich hier die Frage, ob es nicht Zeit wird, die Preise an ihre begrenzte Kapazität anzupassen. Fluggesellschaften sollten Ticketpreise so gestalten, dass Sie bei 80 % Auslastung profitabel sind. Damit würde ein riesiger Druck aus der Industrie genommen, und das Reisen würde für viele Passagiere einfacher und angenehmer. Doch die Airlines haben Angst, dass wenn sie die Preise erhöhen, sie Anteile an Ihre Wettbewerber verlieren. Doch diese Angst ist unbegründet, schliesslich ermöglicht eine auf den Kunden fokussierte adaptive Strategie höhere Gewinne als das Festhalten an fixen Sitzladefaktoren mit einem permanenten Überbuchen. Ein weiterer Faktor, der bei Airlines dringend zu verbessern ist, ist das Food Management. Kunden wollen zukünftig immer weniger den unter 1 Dollar kostenden Junk Food, sondern diese sind bereit viel mehr Geld zu bezahlen, wenn Sie etwas Vernünftiges zu Essen bekommen. Hier liegen durch das Dynamic Pricing viele Potentiale um den Kunden kulinarisch zu verwöhnen und so neue Kunden zu gewinnen oder alte Kunden zurückzugewinnen.
Dynamic Pricing-Strategien
Hotels nutzen die dynamische Preisgestaltung, um ihre Belegungsrate durch täglich variierende Zimmerraten zu erhöhen. Diese flexiblen und kurzfristigen Anpassungen ermöglichen es den Hotels die Rendite zu erhöhen. So geben viele Hotels Frühbucherrabatte oder Last-Minute-Preisnachlässe, wobei diese höher ausfallen, wenn Gäste bei Buchung auf die Storno-Möglichkeit verzichten. Zwingend ist jedoch, dass ein Hotelmanager mit dem angebotenen Preis seine Kosten deckt. Darüber hinaus muss er die zukünftige Nachfrage abschätzen, bestehende Hotelkapazitäten sowie die Werthaltung des Kunden zum Hotel-Produkt kennen. Die Bedeutung der dynamischen Preisgestaltung für Hotels ist in den letzten Jahren stark gestiegen, da die Preiskomponente in der Hotellerie immer wichtiger wird, insbesondere aufgrund der stärkeren Stellung preissensibler Online-Vertriebspartner und Reiseveranstalter.
Coca-Cola hat die dynamische Preisgestaltung derart gestaltet, dass es diese von der Umgebungstemperatur der Verkaufsmaschinen abhängig machte, d.h. in Houston Texas war das Getränk teurer als in Chicago, wo die Umgebungstemperatur deutlich geringer war. Neue Technologien erlauben es z.B. dem Reiseveranstalter Orbitz, seine Preise in Echtzeit zu verändern, um sich der Angebots- und Nachfragesituation des Marktes anzupassen. Die dynamische Preisgestaltung erlaubt im Durchschnitt eine Umsatzsteigerung von 30 % bei hohen Nachfragesituationen und Umsatzsteigerung von 10 % wenn die Nachfrage gering ist. Für Werner Reinartz, einem Professor am INSEAD in Frankreich, müssen fünf Bedingungen erfüllt sein, damit die dynamische Preisgestaltung erfolgreich ist:
- Die Kaufbereitschaft der Kunden muss unterschiedlich sein
- Der Markt muss segmentierbar sein
- Das Arbritagepotential sollte limitiert sein
- Die Kosten der Segmentierung und der Preispolitik sollten bei der Anpassung and die Kunden die Umsatzanstiege nicht überschreiten
- Die Fairness sollte nicht verletzt werden.
Eine Fallstudie für exzellente Preisgestaltung waren die Ticketpreise bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Diese sorgte für volle Stadien. Das Internet öffnet die Türen um alte Preisschemata zu überwinden. Sogar im Baseball gibt es mittlerweile eine dynamische Preisgestaltung und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch der europäische Fussball die Potentiale der dynamischen Preisgestaltung erkennt. Volle Stadien garantieren nun mal eine tolle Stimmung und hierbei spielt es keine Rolle, wenn gegen Ende der Verkaufsperiode die Tickets zu weniger als dem halben Preis verkauft werden.
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Über Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com, www.wallstreetcockpit.com und thenavigator.mobi sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH. Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.