EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Brüssel – Die Chancen auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen Griechenlands mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt sind deutlich gestiegen. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte am Montag in Brüssel: «Ich bin zuversichtlich, dass wir die Verhandlungen bald abschliessen können, vorzugsweise im Laufe dieser Woche.» Der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden fügte hinzu: «Ich denke, dass wir auf dem Weg sind, eine gute Lösung zu finden.»
Am Nachmittag besprachen die obersten Kassenhüter der Eurozone mit ihrem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos den Stand der Verhandlungen. «Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Wir sind bereit, das Verfahren termingerecht abzuschliessen», sagte Venizelos vor dem Treffen. Athen droht die Staatspleite, wenn die Banken-Verhandlungen scheitern.
Merkel geht nicht von Überbrückungskredit aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte auf die Frage, ob Athen möglicherweise einen Überbrückungskredit benötige, falls die Verhandlungen nicht vorankämen: «Die Frage eines Überbrückungskredits stellt sich für mich nicht. Ich gehe davon aus, dass wir die Verhandlungen der privaten Gläubiger und das neue Griechenland-Programm zu einem gemeinsamen Zeitpunkt so rechtzeitig fertig haben, dass es keinerlei neuen Überbrückungskredit braucht.» Die Troika sei zur Zeit in Griechenland. Danach müsse alles zusammengeführt werden. Das neue Programm muss bis März stehen. Bis dahin sei also ausreichend Zeit. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege François Baroin rechneten mit einem schnellen Abschluss der Verhandlungen. Dies machten sie im Anschluss an den deutsch-französischen Wirtschafts- und Finanzrat in Paris deutlich.
Gläubiger sollen freiwillig verzichten
Den teilweisen Schuldenerlass für Athen sollen die privaten Gläubiger freiwillig schultern. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland. Die privaten Gläubiger, darunter Banken und Hedge-Fonds, sollen bestehende Anleihen in neue tauschen, dabei auf Teile ihrer Forderungen verzichten und auch niedrigere Zinsen in Kauf nehmen. Selbst wenn eine Absichtserklärung vorliegt, würde das jedoch noch nicht bedeuten, dass der Schuldenschnitt damit perfekt ist. Ein Erfolg hängt am Ende davon ab, wie viele Banken und andere Besitzer griechischer Staatsanleihen mitmachen und auf Geld verzichten. Angepeilt ist die Summe von 100 Milliarden Euro.
IWF und EU schalten sich direkt in Gespräche ein
Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite eine Vereinbarung mit dem Internationalen Bankenverband IIF erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von im Durchschnitt vier Prozent haben. Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben. Sie hätten darauf bestanden, dass der Zinssatz auf weniger als drei Prozent fallen sollte. Anderenfalls bestehe vor allem nach Ansicht des IWF keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise.
Liste mit Steuersündern veröffentlicht
Unterdessen können die Griechen seit Sonntagabend im Internet nachlesen, wer dem griechischen Staat grosse Summen schuldet und damit zum Teil für die Wirtschaftsmisere im Lande mit verantwortlich ist. Die Regierung veröffentlichte eine 170 Seiten lange Liste mit den Steuersündern. Sie schulden dem griechischen Staat insgesamt knapp 15 Milliarden Euro. Auf der Liste, die Finanzminister Venizelos als «Liste der Schande» bezeichnet hatte, stehen 4152 Namen – darunter sind auch Sänger, Unternehmer und Händler. (awp/mc/ps)