Von Peter Rosenstreich, Head of Investment Products bei Swissquote
Bei Investitionen, die mit höheren, moralischen Zielen verbunden sind, besteht oft ein deutlicher Unterschied zwischen erklärten Absichten und dem, was Anleger wirklich wollen. Wie sich häufig zeigt, wird «Nachhaltigkeit» ganz unterschiedlich verstanden und gewichtet, auch wenn Investoren dies nicht immer offen und klar zum Ausdruck bringen.
Das kann man beklagen, aber Finanzinstitute berücksichtigen diese Realität besser in ihren Angeboten. Ein Spektrum an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten mit unterschiedlich starkem Engagement für andere spiegelt sinnvoll die vielfältigen Vorstellungen und Bedürfnisse der Bevölkerung und insbesondere der Anleger wider.
Im Allgemeinen umfassen nachhaltige Investitionen das Spektrum zwischen traditionellen Investitionen – die auf wettbewerbsfähige finanzielle Erträge abzielen und dabei ESG-Aspekte nur begrenzt oder gar nicht berücksichtigen – und Philanthropie, also Spenden zur Bewältigung sozialer oder gesellschaftlicher Herausforderungen. Auf dem heutigen Markt sind vier unterschiedliche Ansätze für nachhaltige Investitionen üblich, jeweils mit strengeren Kriterien, die bewusst auch die Wahlmöglichkeiten einschränken.
1. Ausschluss: Vermeidung bestimmter Branchen oder Unternehmen
Der Ausschluss bestimmter Anlagemöglichkeiten könnte als die nachhaltige Strategie mit dem geringsten Engagement gesehen werden. Sie besteht lediglich darin, Investitionen zu vermeiden, die nicht den Werten des Anlegers entsprechen. Dies geschieht typischerweise durch den Ausschluss bestimmter Branchen oder Unternehmen in umstrittenen Geschäftsbereichen, beispielsweise Waffen- oder Tabakhersteller. Dieser Ansatz ist offensichtlich sehr subjektiv und abhängig von aktuellen Ereignissen und Stimmungen, wie die veränderte Wahrnehmung von Verteidigungsinvestitionen nach Beginn des Ukraine-Krieges gezeigt hat.
2. ESG-Integration: Einführung eines Kriterienrahmens
Die ESG-Integration, die zweite Anlagestrategie, geht einen Schritt weiter. Sie nutzt, zusätzlich zur traditionellen Finanzanalyse zur Bewertung von Risiken und Chancen einer Investition, Daten zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren. Typischerweise wird ein externer Rahmen von ESG-Kriterien von Regierungen, NGOs oder Beratungsunternehmen verwendet. Dies führt zu einer gewissen Objektivität und erleichtert rationale Bewertungen und Entscheidungen, Vergleiche haben aber auch gezeigt, dass die ESG-Bewertungen verschiedener Anbieter nicht korrelieren.
3. Thematisches Investieren: Im Einklang mit der UN-Agenda
Thematisches Investieren, die dritte Strategie, beschränkt Investitionen auf Unternehmen, die die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen in den Mittelpunkt ihres Zwecks und ihrer Geschäftstätigkeit stellen. Diese Ziele umfassen ein breites Spektrum, darunter die Beendigung von Armut und Hunger, die Gewährleistung eines gesunden Lebens und Wohlbefindens für alle Altersgruppen, hochwertige Bildung und die Gleichstellung der Geschlechter. Sie wurden 2015 von allen UN-Mitgliedsstaaten und anschliessend auch von vielen Unternehmen übernommen. Investitionen in diese Bereiche zielen darauf ab, hohe Wirkung mit potenziell hohem Wachstum zu verbinden.
4. Impact Investing: Rendite und gemeinnütziges Handeln
Während die vorherigen drei Strategien kommerziellen Erfolg und einen gemeinnützigen Zweck direkt miteinander knüpfen, ist Impact Investing – die vierte – eher auf Spenden ausgerichtet. Bei dieser Strategie widmen Anleger einen Teil des Kapitals der Absicht, neben finanziellen Erträgen auch positive, soziale oder ökologische Verbesserungen zu erzielen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass ein fester Teil der Dividende an eine gemeinnützige Organisation weitergegeben wird. Obwohl man sich typischerweise auf konkrete gemeinsame Projekte verständigt, werden diese anschliessend in getrennten Organisationen mit unterschiedlichen Zielen umgesetzt..
Auch kombinierte Konzepte sind möglich, etwa der Ausschluss einiger Branchen (Strategie 1) kombiniert mit der Investition in gemeinnützige Organisationen (Strategie 4). Swissquote hat kürzlich eigene «Impact Investments» eingeführt, die genau das tun. Sie bieten Investitionen in etwa 20 Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen und einem ESG-Rating von mindestens A an. Einige Branchen wurden ausgeschlossen, beispielsweise Unternehmen, die umstrittene Waffen und Tabak herstellen oder Einnahmen direkt aus Kohleverbrennung und Öl erzielen. 50 Prozent der erwirtschafteten Dividenden gehen an Solafrica, eine unabhängige gemeinnützige Organisation mit Sitz in Bern, die medizinische Einrichtungen in abgelegenen Gebieten südlich der Sahara mit Solarstrom versorgt.
Die vier Strategien nachhaltiger Investitionen dürfen nicht als Entscheidungen zwischen Opportunismus und Idealismus gesehen werden, geschweige denn als Abstufungen, Gutes zu tun. Stattdessen bieten sie eine Bandbreite von Möglichkeiten für Anleger mit unterschiedlichen Prioritäten und Interessen. Damit berücksichtigen sie unterschiedliche politische Ansichten, finanzielle Ziele und das gewünschte persönliche Engagement bei gemeinnützigen Aktivitäten.
Peter Rosenstreich ist Head of Investment Products bei Swissquote in Yens VD. Er hatte verschiedene Kaderpositionen in Bankinstituten in den Vereinigten Staaten, Europa und Asien inne, schreibt regelmässig Beiträge für Finanzpublikationen und veröffentlichte ein Buch über den Devisenhandel. |