Frankfurt – Nach einem lange Zeit enttäuschenden Jahr 2016 sind Anlageexperten für europäische Aktien im Jahr 2017 verhalten optimistisch. Viel Spielraum wird aber nicht gesehen, wie eine Umfrage der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX zeigt: Im Schnitt wird der EuroStoxx 50 zum Jahresende 2017 bei gut 3330 Punkten erwartet.
Eine aufgehellte Konjunktur, anhaltend niedrige Zinsen und attraktive Bewertungen werden dabei von den Analysten als Hauptgründe für eine leicht positive Tendenz aufgeführt. Für Vorsicht unter den Experten sorgt allerdings, dass der Markt auch im kommenden Jahr anfällig für politische Entwicklungen in der Eurozone bleiben dürfte. Geachtet wird vor allem auf die Parlamentswahl in den Niederlanden im März, gefolgt von der französischen Präsidentschaftswahl im April und der deutschen Bundestagswahl im September.
Konjunktur treibt die Erträge
Eine Kursrally hatte den Leitindex der Eurozone seit Anfang Dezember um 9 Prozent nach oben getrieben auf annähernd 3300 Punkte. Dank dieses Endspurts hat sich der EuroStoxx aufs Jahr gesehen denkbar knapp in die Gewinnzone gerettet.
Nachdem es dem Markt 2016 trotz der Geldschwemme durch die Notenbanken an positiven Impulsen fehlte, könnten ihn laut Manfred Bucher von der BayernLB die wirtschaftlichen Perspektiven im kommenden Jahr begünstigen. «Von der sich 2017 und 2018 leicht beschleunigenden Weltwirtschaft sollten auf Gesamtjahressicht positive Impulse ausgehen», sagt der Experte, der den EuroStoxx am Jahresende bei 3330 Punkten sieht.
«Nach einem enttäuschenden Jahr mit sinkenden Unternehmensgewinnen sollten 2017 die Erträge wieder wachsen und den Boden für weitere Kursanstiege bereiten», sagt Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. Die Postbank prognostiziert für den EuroStoxx im neuen Jahr Kurse zwischen 3300 und 3500 Punkten.
Aufholpotenzial zu US-Märkten
Auch Fondsmanager Boris Jurczyk von der Privatbank Berenberg sieht Überraschungspotenzial und begründete seine positive Haltung für europäische Aktien neben besseren Konjunkturaussichten mit dem festen US-Dollar und einer attraktiven Bewertung. «Sollte sich die Stimmung wieder zum Positiven kehren, ist mit erheblichen Mittelzuflüssen in die Euroland-Aktienmärkte zu rechnen», so der Experte. Ein Stück weit war diese Tendenz schon in den Tagen vor Weihnachten zu spüren.
Als weitere zentrale Stütze wird unter Experten zudem auf das anhaltend niedrige Zinsniveau verwiesen, das Aktienanlagen in Europa weiterhin attraktiv mache. Nach Einschätzung von BayernLB-Experte Bucher werden die Währungshüter in Europa und Japan ihre geldpolitischen Schleusen noch länger offen halten und so «ein anhaltend günstiges Umfeld» für Aktien schaffen.
Lehren aus 2016: Politische Risiken beachten
Einen Freifahrtschein für Kursgewinne dürfte es aber nicht zu geben, sind sich viele Experten sicher. Jene der UBS zum Beispiel raten dazu, die Lehren aus dem vergangenen Jahr zu ziehen, als die Brexit-Entscheidung und der US-Wahlsieg von Donald Trump die Märkte überraschten. «Das abgelaufene Jahr hat sich nicht immer so entwickelt wie prognostiziert.» Die Vermögensverwalter der Schweizer Grossbank warnen insofern davor, verbreitete Annahmen mit einer «sicheren Sache» zu verwechseln.
Börsianer sollten deshalb die politische Entwicklung in der Eurozone sehr genau im Blick haben, rät Martin Moryson von der Privatbank Sal. Oppenheim. Der Chefvolkswirt fürchtet bei den im kommenden Jahr anstehenden Wahlen mögliche politische Machtverschiebungen zugunsten Euro-skeptischer Parteien als Risiko für den Zusammenhalt in Europa. «Wird Marine Le Pen in Frankreich zur Präsidentin gewählt, würde sie wohl ein Referendum zur Rückkehr zum Franc ausrufen», sagt der Experte und warnt vor dann stark nachgebenden Aktienkursen.
Volatiles Umfeld – auch wegen Brexit
Nach Einschätzung der Barings Bank sollten sich Anleger im kommenden Jahr aus den vorgenannten Gründen auf ein von starken Schwankungen geprägtes Umfeld gefasst machen. Barings-Investmentexperte Marino Valensise rechnet mit politischen Risiken, auch wegen der anstehenden Brexit-Verhandlungen, die allerdings für den Rest der Welt von wesentlich geringerer Bedeutung seien als für die Briten selbst.
Für britische Aktien müssen die Austrittsgespräche aber nicht zwangsweise negative Folgen haben. Nach Einschätzung der Societe Generale dürfte der FTSE 100 dem europäischen Marktumfeld nicht gross hinterherhinken. «Höhere Rohstoffpreise und das schwächere Pfund sollten die negativen Auswirkungen des Brexit auf die heimische Wirtschaft kompensieren», schrieben die Experten, die den Londoner Leitindex in einem Jahr bei 7500 Punkten erwarten. Beim Stand des «Footsie» gegen Jahresende bedeutet dies ein Plus von mehr als 6 Prozent. (awp/mc/ps)