Francisco Fernandez, CEO Avaloq.
Zürich – Die 10 %-Beteiligung der Raiffeisen an Avaloq hat die Diskussion um die Bankensoftware Anbieterin wieder angeheizt. Während Inside Paradeplatz Avaloq in der Krise sieht, gibt es genügend Hinweise, die einen anderen Schluss zulassen: Avaloq ist nach einem Strategiewechsel in der erfolgreichen Umsetzungsphase.
Von Helmuth Fuchs
Strategiewechsel von der Software-Lizenz-Verkäuferin zur Leistungserbringerin
Die 2011 mit der Übernahme der Mehrheitsbeteiligung (51%) an B-Source eingeleitete, mit der der Gründung von Avaloq Sourcing in Deutschland (2012), der Eröffnung des BPO-Zentrums in Singapur und der mit der Raiffeisen gemeinsam gegründeten Arizon Sourcing AG weiter geführte Strategie, weg von der Lizenzverkäuferin und hin zur Dienstleisterin, wird konsequent umgesetzt. Immer mehr Banken entscheiden sich für ein Dienstleistungsmodell und beziehen den ganzen Service als Managed Banking Service, weil (Software-) Besitz meist mit einer zu geringen Auslastung und mit Wartungs-und Pflegeaufwand des Besitztums verbunden ist.
Was im Zuge der zunehmenden Bedeutung von Cloud, SaaS, PaaS und Outsourcing Sinn macht, bedingt finanziell einen Wechsel der Kunden vom Lizenzkauf zum Mietmodell. Den zukünftig höheren Erträgen stehen zuerst einmal höhere Investitionskosten in die Infrastruktur, die Mitarbeitenden und den Betrieb der BPO-Zentren entgegen. Folgerichtig hat Avaloq die Finanzierung der Strategie durch Fremd- und Eigenmittel sichergestellt und auf eine gestärkte Bilanzstruktur geachtet.
Strategischer Partner und Kapitalgeber Raiffeisen
Von den verschiedenen Optionen der Kapitalbeschaffung als nicht börsenkotiertes Unternehmen entschied sich Avaloq zum Verkauf eines zehn Prozent Anteiles des Unternehmens an seinen Grosskunden und Arizon-Partner Raiffeisen. Aus Sicht von Avaloq sicher eine bevorzugte Variante, bei welcher der neue Miteigner nicht primär auf eine schnelle Rendite, sondern eine nachhaltige Entwicklung erpicht sein wird. Die Geschäftsführer von Avaloq und Raiffeisen verbindet heute schon die gemeinsam betriebene BPO-Firma Arizon, deren CEO Matthias Schütz zuvor das Asiengeschäft der Avaloq aufbaute. Somit kommt Avaloq nicht nur zu einem Kapitalgeber, sondern auch zu einem strategisch wichtigen Partner. Francisco Fernandez erklärte am Tag der Bekanntgabe der Raiffeisen-Beteiligung gegenüber Moneycab: “Die Reputation der Raiffeisen wird sich auch für unsere internationale Entwicklung positiv auswirken.”
Fitnesskur für den Börsengang
Ein weiterer Schwerpunkt der Strategie ist ein möglicher Börsengang in zwei bis drei Jahren. Fernandez: “Ein Börsengang war für uns von Beginn weg nie ein Ziel, sondern nur ein Mittel, um ein weiteres Wachstum zu finanzieren, wenn wir dies mit eigenen Mitteln nicht mehr können. Dazu muss ein Unternehmen aber eine gewisse Minimalgrösse haben. Aus meiner Sicht ist dies ein Umsatz von mindestens einer Milliarde Franken.”
Vor einem Börsengang wird Avaloq seine Struktur bereinigen und zum Beispiel B-Source, an der sie heute 51 Prozent hält, vollständig übernehmen wollen. Weiter wird sich Avaloq noch mehr vom Lizenzmodell auf die besser planbaren und skalierbaren Einnahmen aus dem BPO-Geschäft ausrichten. Das eröffnet ihr zusätzlich den Markt der kleinen und mittleren Banken, für die heute eine Avaloq Bankenlösung als Projekt schlicht zu teuer ist. Auch hier wird das gemeinsame Unternehmen mit der Raiffeisen Referenzcharakter haben, im Falle des Erfolges ebenso wie bei einem Misserfolg. Das Engagement der Raiffeisen wird sich zudem positiv auf das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital auswirken im Hinblick auf den potentiellen Börsengang.
Nicht ohne Nebengeräusche
Ein Strategiewechsel, wie ihn die Avaloq vollzieht, geht kaum ohne Nebengeräusche. Von den Mitarbeitenden werden neue Fähigkeiten verlangt, von einem Teil muss man sich trennen, neue müssen hinzukommen. Dasselbe gilt für die internationale Expansion. Was zuvor alles aus der Schweiz gemacht wurde, wird heute teilweise von Ländergesellschaften geleistet. Da führt zu Verlagerungen von Fähigkeiten und Mitarbeitenden.
Francisco Fernandez hat mit einem Teil-Management-Buyout 1991 den Grundstein zu einem Unternehmen gelegt, das heute rund 2’200 Mitarbeitende in Europa und Asien beschäftigt. Im gleichen Zeitraum, in dem 120 Mitarbeitende das Unternehmen verliessen oder entlassen wurden (Januar 2015 bis September 2015) wurden über 300 neue Fachkräfte eingestellt. Aktuell werden über 90 Mitarbeitende gesucht, davon alleine 40 in der Schweiz. Es handelt sich also nicht um einen Abbau, sondern um einen Umbau aus strategischen Überlegungen. Avaloq Spezialisten gehören zu den gesuchtesten und am besten bezahlten IT-Spezialisten auf dem Markt, sollten also sehr intakte Chancen auf Jobs auch auf Kundenseite haben.
Die Baustellen
Avaloq hat zwar viele Module, ist im Kern aber ein integriertes Bankensystem, das von den Kunden einen hohen Installations- und Unterhaltsaufwand erfordert. Der Kundenbedarf an Web- und Mobile Banking wurde erst sehr spät durch di eigene Lösung abgedeckt, was Mitbewerbern ermöglichte, sich auch bei Avaloq Kunden als Ergänzung oder Alternative erfolgreich ins Spiel zu bringen. Inzwischen hat Avaloq die Lücke geschlossen und auch einige Kunden wieder zurück gewinnen können.
Von aussen schwer zu beurteilen ist der Alterszustand des Bankensystems. Während die Avaloq Front Solutions der modernsten Technologie entsprechen, ist das technische Kernsystem zumindest in Beständen noch dasjenige aus den Anfangsjahren um 2000. Regelmässig betont das Unternehmen, dass keiner ihrer Source Codes älter als 5 Jahre sei und ständig auf den neusten Stand gebracht würde.
Auch hier hilft der BPO-Ansatz. Wenn sich die Kunden nicht mehr um die Installation oder den Unterhalt kümmern müssen, kann es ihnen egal sein wie gross oder alt das Kern-System im Hintergrund ist, solange die notwendigen Leistungen in der geforderten Qualität und zu einem kompetitiven Preis erbracht werden. Zudem ist die Weiterentwicklung in einem halben Dutzend Zentren einfacher zu gestalten als in hunderten von unabhängigen Kundeninstallationen.
Wie sehr IT-System und Unternehmen Entwicklungszyklen unterworfen sind, zeigen die Beispiele aller Bankensystemanbieter in der Schweiz. Finnova, Temenos, Crealogix, Avaloq müssen zur richtigen Zeit innovieren und dann den Nutzen aus den Systemen lange genug ziehen, bevor weitere Investitionen fällig werden. Zu schnelle Wechsel sind genauso ruinös wie zu langsame. Das heisst auch, dass keiner der Anbieter dauernd die modernste Lösung haben kann.
Der Ausblick
In der Gesamtbetrachtung hat Avalog mit der strategischen Ausrichtung als internationale Lösungsanbieterin mit eigenen BPO-Zentren, der Option auf einen Börsengang bei Finanzbedarf, einem starken, aber nicht dominierenden Miteigentümer und Partner in Form der Raiffeisen eine gute Position. Entscheidend wird die Weiterentwicklung der technischen und geschäftlichen Innovationskraft in den kommenden zwei Jahren sein, die Entwicklung von Arizon und dass die Neuausrichtung die später anfallenden Erträge und zusätzlichen Investitionen mehr als nur kompensiert.