Von: Eric Chaney und Raphaël Gallardo, AXA Investment Managers
Zürich – Die Erleichterung war gross, als sich die Staats- und Regierungschefs des Euroraums am 21. Juli in letzter Minute einigten. Aber dann kamen bei den Investoren schon wieder Zweifel auf. Zwar sind die Kurse griechischer Anleihen leicht gestiegen (um etwa 6 Prozent bei Fälligkeiten in 2012 und später), doch gibt es nach wie vor Zweifel an der langfristigen Solvenz Griechenlands.
Auch die Spreads italienischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen (etwa 300 Basispunkte für zehnjährige Titel) zeigen, dass ein Übergreifen der Krise noch immer möglich erscheint. Wir halten die Marktreaktion für rational. Sie bedeutet nicht, dass die Investoren die EU-Beschlüsse ablehnen. Erstens brauchen die Märkte Zeit, um die Vereinbarung zu verarbeiten, denn sie ist komplex: Beteiligt sind die Regierungen des Euroraums, der Internationale Währungsfonds, der Europäische Rettungsschirm (EFSF), die Europäische Zentralbank (EZB) und der private Sektor. Zweitens sind die Formulierungen teilweise unpräzise.
Wie gross ist der bürokratische Aufwand im Krisenfall?
Klarheit wird es erst geben, wenn der Anleihetausch beginnt, der EFSF sein Finanzierungsprogramm vorlegt und die Eurogruppe der Finanzminister Klarheit über die neuen Aufgaben des EFSF schafft. Gemäss der Vereinbarung, darf der EFSF jetzt mehr als nur den Ländern mit Schwierigkeiten mit Liquidität aushelfen. Erstens kann er (im Auftrag der EZB) in Zukunft am Sekundärmarkt für Euro-Staatsanleihen intervenieren. So könnte er beispielsweise bei einer drohenden Spekulationswelle gegen italienische Staatsanleihen schon im Vorfeld gegensteuern. Wir gehen davon aus, dass er dabei von der EZB unterstützt wird. Die Notenbank hat klar gemacht, dass sie den Markt nicht allein stabilisieren kann. Zweitens wird der EFSF Ländern Kredite für die Restrukturierung und Rekapitalisierung ihrer Bankensysteme gewähren können, was vermutlich bei Griechenland der Fall sein wird. Der Stabilisierungsfonds könnte so das Risiko eines Übergreifens der Krise auf die Staatsanleihenmärkte und Bankensysteme anderer EuroLänder verringern. Dies ist grundsätzlich begrüssenswert, doch hängt der Erfolg stark von der praktischen Umsetzung ab. Betrachten wir dazu noch einmal das Beispiel einer Spekulationswelle gegen italienische Staatsanleihen: Wenn eine Intervention wirklich erst der Zustimmung jedes einzelnen EFSF-Mitgliedslandes bedarf, ist der bürokratische Aufwand so gross, dass sie am Ende wirkungslos sein wird.
Die Euro-Schuldenkrise ist vermutlich noch nicht vorüber
Auch wenn der EFSF beziehungsweise der ESM bisweilen als Europäischer Währungsfonds bezeichnet wird, wird er die Märkte vermutlich nicht von der Nachhaltigkeit der jetzt gefundenen Lösung überzeugen. Wenn sich die Wachstumsaussichten Italiens und Spaniens nicht rasch verbessern, wird man sich eine einfache Frage stellen: Hat der EFSF genügend Mittel, um eine Schuldenkrise dieser beiden grossen Volkswirtschaften zu bekämpfen? Die Antwort ist: Nein. Die italienische Staatsverschuldung ist einfach zu hoch. Die nächste Frage ist dann, ob die EZB bereit ist, italienische Staatsanleihen zu kaufen, als „Buyer of last Resort“ ähnlich der Fed oder der Bank of England? Die Antwort: Niemand weiss es. Wahrscheinlich muss es eine weitere schwere Krise geben, bis sich die Politik endlich dazu durchringt, gemeinsame Euro-Staatsanleihen zu emittieren. Deutschland hat dies bislang abgelehnt, weil es mit direkten Transferzahlungen einhergehen könnte. Der Vorschlag von Claude Juncker und Giulio Tremonti („Euro-bonds would end the crisis”, Financial Times, 5. Dezember) hat nicht viel genützt, und sicher gibt es bessere Wege, gemeinsame Anleihen zu emittieren. Wir meinen, dass erfolgreiche Euro-Anleihen klare fiskalpolitische Regeln für die Einzelstaaten voraussetzen, im Krisenfall Vorrang gegenüber nationalstaatlichen Anleihen haben müssen und angemessen besichert sein sollen. Transferzahlungen können und sollen zwar nicht ausgeschlossen werden, weil die Öffentlichkeit sie aber stets ablehnt, ist eine gewisse Einschränkung der fiskalpolitischen Souveränität wohl der Preis für die dauerhafte Existenz des Euroraums. Noch ist sie nicht gesichert. (AXA IM/mc/hfu)
AXA Investment Managers
AXA Investment Managers ist ein Multi-Experte in der Vermögensverwaltung und gehört zur AXA-Gruppe, einer der grössten internationalen Versicherungsgruppen und bedeutendsten Vermögensmanager der Welt. AXA IM ist mit rund 511 Mrd. Euro (Stand: März 2011) verwaltetem Vermögen einer der größten in Europa ansässigen Asset Manager. Mit 2.500 Mitarbeitern ist AXA IM weltweit in 23 Ländern tätig.