Bank of England steuert auf Richtungsschwenk zu
Notenbankgouverneur Mark Carney.
Davos / Frankfurt – In Grossbritannien zeichnet sich eine geldpolitische Kursänderung ab. Möglicherweise steuert die Bank of England viel früher als gedacht auf Zinserhöhungen zu, hiess es aus volkswirtschaftlichen Abteilungen grosser Banken. Darauf deuten Äusserungen von Notenbankchef Mark Carney hin, die er am späten Donnerstagabend im Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC in Davos tätigte. Analysten interpretierten die Aussagen als Hinweis, dass die Zentralbank ihr Versprechen niedriger Zinsen (Forward Guidance) bald kassieren könnte.
Carney bekräftigte zwar frühere Aussagen, es gebe keine unmittelbare Notwendigkeit für Zinsanhebungen, die zudem nur moderat erfolgen würden. Zugleich räumte Carney aber ein, dass die britische Wirtschaft in einem anderen Zustand sei als vor Abgabe des Zinsversprechens im Sommer 2013. Seither sichert die Bank of England mindestens so lange niedrige Zinsen zu, wie die Arbeitslosenquote nicht auf sieben Prozent fällt. Weil die britische Wirtschaft im vergangenen halben Jahr einen starken Wachstumsschub erfahren hat, ist die Arbeitslosigkeit viel schneller gefallen, als es die Notenbank erwartet hatte. Mit 7,1 Prozent liegt die Arbeitslosenquote nur noch geringfügig über dem Schwellenwert der Bank of England.
Zinsversprechen könnte fallen
Auf die Frage, ob der geldpolitische Ausschuss nun darüber nachdenke, den Schwellenwert für mögliche Zinsanhebungen zu verringern, sagte Carney: «Es gibt eine breite Palette von Dingen, die wir tun können. Ich würde keine voreiligen Schlüsse ziehen.» Relevant für die Geldpolitik sei die grundlegende Lage am Arbeitsmarkt. Es sei nicht notwendig, zu sehr auf einen einzigen Indikator abzustellen. Mit dem Niedrigzinsversprechen habe die Notenbank für Klarheit über ihren künftigen Kurs sorgen wollen. «Ich denke, wir befinden uns jetzt in einer anderen Lage.»
Laut Daniel Vernazza, Analyst der italienischen Grossbank Unicredit, deuten die Aussagen Carneys darauf hin, dass die Bank of England ihr Zinsversprechen streichen wird. Eine Gelegenheit dazu bietet sich Mitte Februar, wenn die Notenbank ihren nächsten Inflationsbericht veröffentlicht. «Es hat nur sechs Monate gedauert, bis das Zinsversprechen auf spektakuläre Weise ins Wanken gerät», schreibt Vernazza in einem Kommentar. Die Unicredit erwartet jetzt ebenso wie die US-Bank Citigroup eine erste Zinserhöhung nach der Krise bereits im laufenden Jahr. Das wäre fast zwei Jahre früher, als die Bank of England bei Abgabe ihres Zinsversprechens signalisiert hatte. (awp/mc/ps)