Zürich – ESG-Enabler spielen eine Schlüsselrolle beim Erreichen der Klimaneutralität. Sie unterstützen zum Beispiel andere Unternehmen dabei, ihre Energieeffizienz zu verbessern und den CO₂-Ausstoss zu reduzieren. Dabei können die Enabler von überproportionalem Wachstum und höheren Bewertungen profitieren. Dies bietet Anlegern Chancen.
von Marco Cavadini, Wealth Management, Bank Rothschild & Co
Wer über die Produktionsanlagen des Gasherstellers Linde fliegt, denkt sich dabei, dass dessen Schlote grosse Mengen an klimaschädigendem Kohlenstoff in die Atmosphäre ausstossen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille.
Denn im vergangenen Jahr haben Produkte und Technologien von Linde anderen Unternehmen geholfen, mehr als 88 Millionen Tonnen CO₂ zu vermeiden. Dies entspricht mehr als der doppelten Menge an CO₂, welche in der Schweiz mit rund 43 Millionen Tonnen jährlich in die Atmosphäre entweicht. Linde selbst hat für die Emissions-Ersparnis rund 40 Millionen Tonnen CO₂ aufgewendet. Die Emission-Bilanz wird sich weiter verbessern, denn das Unternehmen hat klare Ziele definiert, wie es seinen eigenen Klimafussabdruck bis 2030 weiter verringern will.
Selbst wirtschaftet der Gashersteller also noch nicht klimaneutral, aber wenn man die ganze Wertschöpfungskette betrachtet, entsteht ein anderes Bild. Linde steht beispielhaft für ein Unternehmen, das heute als ESG-Enabler oder ESG-Befähiger bezeichnet wird. Sie spielen eine Schlüsselrolle dabei, dass Unternehmen in anderen Branchen ESG-konform wirtschaften können.
ESG-Enabler in der Schweiz
Auch in der Schweiz gibt es zahlreiche ESG-Enabler, welche mit innovativen Produkten zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen. Dazu zählt beispielsweise Geberit. Der europäische Marktführer für Sanitärprodukte reduziert den Wasserverbrauch in Liegenschaften markant. Modellrechnungen zeigen: Alle seit 1998 installierten Geberit-Zweimengenspülkästen sparen jedes Jahr rund 3,35 Milliarden Kubikmeter Wasser gegenüber herkömmlichen Spülsystemen ein. Dies entspricht rund 1350 vollgefüllten 50-Meter-Schwimmbecken.
Ein weiteres Beispiel ist der Baustoff-Konzern Sika. Er optimiert mit chemischen Zusatzstoffen bauliche Prozesse und verbessert so die Energieeffizienz in Gebäuden. Die Turbolader des Schweizer Börsenneulings Accelleron erhöhen die Motorenleistung und senken gleichzeitig den Brennstoffverbrauch im globalen Schiffsverkehr. Auch Givaudan, der weltweit grösste Hersteller von Aromen und Duftstoffen mit Sitz in Vernier im Kanton Genf, ist ein ESG-Enabler. Seine Fleischsubstitute aus dem Reagenzglas tragen dazu bei, dass bei der Tierhaltung bald weniger klimaschädliches Methan freigesetzt wird.
H2 – ein gigantischer Markt entsteht
Die Hoffnungsträger für die klimaverträgliche Energieversorgung sind einerseits «grüner» Wasserstoff, andererseits aber auch Wind- und Solarenergie. Der Anteil dieser Energieträger am Energiemix nimmt seit Jahren stark zu.
Wasserstoff kann vielfältig eingesetzt werden, sei es zur Umwandlung zu Strom in Brennstoffzellen oder in der Industrie, zum Beispiel in der Erdölraffinerie und der Düngemittelproduktion. Künftig stellen der Verkehrs- und der Versorgungssektor neue vielversprechende Märkte dar.
Experten gehen davon aus, dass der Bedarf des Gases bis 2050 von heute weniger als 50 Millionen Tonnen pro Jahr auf 200 bis 650 Millionen Tonnen steigt. Für 2030 wird ein Marktvolumen von rund USD 90 Milliarden erwartet. Dies stellt eine Vervielfachung des heutigen Marktvolumens von knapp USD 3 Milliarden dar. Von dieser Entwicklung dürften vor allem die Hersteller von Industriegasen und von Gasinfrastruktur profitieren, welche die Nutzniesser der hohen Kapitalintensität der Wasserstoffindustrie sind.
«Grüner» Wasserstoff hat Zukunft
Für Anleger interessant sind Anbieter, die mit «grünem» Wasserstoff» profitabel wachsen können. Dazu gehören die Unternehmen aus der Industriegasbranche. Dort herrscht heute ein Oligopol mit den drei Unternehmen Air Products Chemicals (USA), Air Liquide (Frankreich) sowie der amerikanisch-deutschen Linde.
Dabei sticht Linde mit seinem Wachstum- und Rentabilitätspotenzial hervor. Das Unternehmen Es ist in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette von der Produktion über die Speicherung und Verteilung bis hin zur Umwandlung und Nutzung, einzigartig positioniert. Es verfügt zudem über das technologische Knowhow für den Aufbau des globalen Wasserstoff-Ökosystem. Bereits heute hält Linde über eine dichte Verteilinfrastruktur für Wasserstoff inne.
Nachhaltigkeit bietet Chancen
Um die globalen Klimaziele zu erreichen, müssen Anstrengungen in den fünf emissionsstärksten Sektoren erfolgen: Energieproduktion, Industrie, Verkehr, Bausektor und Landwirtschaft. Gleichzeitig üben Politik und Gesellschaft Druck auf Unternehmen aus, nachhaltiger zu handeln. Steigende CO₂-Steuern sollen diese dazu bringen, nachhaltiger zu wirtschaften und so die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.
Genau hier kommen die ESG-Enabler zum Zuge, denn sie leisten indirekt einen grossen Beitrag zur Reduktion der globalen CO₂- Emissionen. Mit der fortschreitenden Energiewende bieten diese Unternehmen Chancen auf eine höhere Bewertung sowie höheres Wachstum. Allfällige Aktieninvestitionen sollten aber eine sorgfältige Analyse durchlaufen, um so potenzielle «Fehltritte» zu vermeiden. (mc/pg)