Jan Amrit Poser, Leiter Research und Chefökonom der Bank Sarasin.
Basel – Die Bank Sarasin regt in ihrem aktuellen Macro Fokus «Euro: Was muss die Politik tun?» an, dem Euro-Rettungsschirm (Europäischer Stabilitätsmechanismus, ESM) Zugang zur Europäischen Zentralbank (EZB) zu erteilen. Nach Einschätzung der Bank Sarasin würde die Umwandlung des Fonds zu einer Bank seine Feuerkraft um ein Vielfaches erhöhen und dazu beitragen, die Märkte zu beruhigen. Des Weiteren unterstützt die Bank das von den deutschen «Wirtschaftsweisen» (dem Sachverständigenrat der deutschen Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) vorgeschlagene Konzept eines europäischen Tilgungsfonds, da dieser den Märkten genau das geben würde, was sie fordern: eine vollumfängliche Finanzierungsgarantie der Kernstaaten des Eurolands für die Peripherie in Verbindung mit strengen Bedingungen, die eine Haushaltskonsolidierung gewährleisten.
Die Bank Sarasin fordert die Politiker in Euroland zum Handeln auf, da – wie aus der untenstehenden Abbildung hervorgeht – Kerneuropa inzwischen in die Krise hineingezogen wird. Das Wirtschaftsvertrauen Italiens ist nahezu auf den Wert gefallen, den es während der Lehmann-Krise innehatte. Auch Spaniens Wirtschaftsvertrauen ist massiv eingebrochen. Das Wirtschaftsvertrauen in Deutschland und Frankreich folgt ebenfalls dem Abwärtstrend. Wenn dieser Eintrübung nicht bald gegengesteuert wird, fällt Euroland in eine tiefe Rezession.
Wirtschaftsvertrauen im Abwind
Quelle: Thomson Reuters Datastream
«Die Wirtschaft in Euroland befindet sich im freien Fall. Wenn nicht bald gegengesteuert wird, fällt Euroland in eine tiefe Rezession. Sowohl ein Zugang des ESM zur EZB als auch ein europäischer Tilgungsfonds würden die Krise eindämmen und die Finanzmärkte beruhigen. Anstatt sich gegenseitig zu blockieren, müssen die europäischen Politiker produktive Entscheidungen treffen. Wir denken jedoch, dass am Ende ein Kompromiss gefunden wird, der Euroland aus der Rezession heraushelfen wird.»
Jan Amrit Poser, Leiter Research und Chefökonom der Bank Sarasin
Vielversprechende Massnahmen
Die Bank Sarasin schlägt vor, dem ESM Zugang zur EZB zu gewähren. Der Rettungsschirm ist bisher zu klein, um auch Italien und Spanien glaubwürdig zu schützen. Die Umwandlung des Fonds zu einer Bank würde seine Feuerkraft erhöhen und dadurch dazu beitragen, die Märkte zu beruhigen.
Der von den deutschen «Wirtschaftsweisen» vorgeschlagene europäische Tilgungsfonds ist ebenfalls eine vielversprechende Initiative. Die Teil-Vergemeinschaftung der Schulden auf Zeit würde den Finanzmärkten das geben, was sie fordern: eine vollumfängliche Finanzierungsgarantie der Kernstaaten Eurolands für die Peripherie in Verbindung mit strengen Bedingungen, die eine Haushaltskonsolidierung gewährleisten. Dadurch sollten die Risikoprämien für die restliche Nationalschuld rasch sinken. Gleichzeitig werden auch die Zinsen des Tilgungsfonds tief sein, weil der neu geschaffene Markt mit ca. EUR 2300 Mia. ausreichend liquide ist.
Der europäische Tilgungsfonds würde es den Euroländern erlauben, alle Schulden zu refinanzieren, die über der Maastricht-Limite von 60% des Bruttoinlandprodukts liegen. Diese Neuschulden werden gemeinschaftlich garantiert. Der Fonds ist dazu geschaffen, sich selbst aufzulösen, denn im Gegenzug verpflichten sich die Länder zu einem strikten Konsolidierungsprogramm, das den Schuldenstand in 25 Jahren auf 60% des Bruttoinlandprodukts reduziert. Als Sicherheit hinterlegen die Schuldnerländer ihre Goldreserven in Höhe von 20% der Schulden. Die Mehreinnahmen aus zusätzlichen nationalen Einkommens- oder Mehrwertsteuern, die extra für den Fonds erhoben werden, gehen direkt in die Tilgung und nicht in den nationalen Staatshaushalt.
Massnahmen, die nichts bringen würden
Zinssenkungen wären zwar ein symbolischer Schritt, hätten aber eine keine ausreichende Wirkung. Die EZB kann die Zinsen nur noch um 100 Basispunkte senken, und der tatsächliche Refinanzierungssatz befindet sich bereits nahe null.
Das Securities Markets Programme (SMP – die Wiederaufnahme der Staatsanleihenkäufe, um die Zinsen der spanischen und italienischen Anleihen zu dämpfen) ist ein zweischneidiges Schwert. Grund ist, dass die EZB bei der Umstrukturierung der griechischen Anleihen nicht teilgenommen hat, sodass der Privatsektor einen grossen Schuldenschnitt hinnehmen musste. Dadurch hat sich an den Märkten die Sichtweise verfestigt, dass die von der EZB gekauften Anleihen gegenüber den vom Privatsektor gehaltenen Anleihen vorrangig («senior») behandelt werden.
Der Vorschlag eines pan-europäischen Einlagensicherungsfonds schiesst nicht nur am Ziel vorbei, sondern ist sogar gefährlich. Denn wenn der Grund für die Panik der Sparer nicht die Sorge um die Banken, sondern um einen Euro-Austritt ist, wird ein Fonds den Sturm auf die Einlagen nicht stoppen, weil die Einlagengarantie in diesem Fall in die neue Lokalwährung umgewandelt wird. Würde der paneuropäische Sicherungsfonds dennoch den Sparern in Südeuropa die Garantie in EUR geben, würden Anreize geschaffen, für einen Euro-Austritt zu stimmen.
Auch eine weitere langfristige Liquiditätsspritze (Long-term Refinancing Operation, LTRO) könnte das europäische Bankensystem zwar mit ausreichend langfristiger Liquidität versorgen. Jedoch hatten die beiden LTRO-Operationen von Dezember 2011 und Februar 2012 nur kurzfristige Auswirkungen und konnten die fundamentalen Probleme nicht lösen. Mit diesem Trostpflaster kann zwar das Schlimmste verhindert werden, doch es stellt kein probates Heilmittel dar. (Sarasin/mc/ps)