Banken halten sich bei erster EZB-Geldspritze zurück
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)
Frankfurt am Main – Die neuen Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Ankurbelung der schwachen Kreditvergabe stossen nicht auf sonderlich grosses Interesse. Wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte, wollen die Geldhäuser des Euroraums auf frisches Zentralbankgeld in Höhe von 82,6 Milliarden Euro zurückgreifen. Das ist viel weniger, als Bankvolkswirte im Vorfeld erwartet hatten. Bei deutlich voneinander abweichenden Einzelschätzungen lagen die Markterwartungen im Schnitt bei 150 Milliarden Euro. Analysten waren enttäuscht.
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank aus Liechtenstein, sprach von einer ernüchternden Nachfrage. «Die Währungshüter der Eurozone werden sich deshalb im kommenden Jahr für weitere geldpolitische Massnahmen offen zeigen.» Vom Erfolg der neuen Kreditspritzen hängt nach Meinung zahlreicher Beobachter ab, ob die EZB noch schärfere Waffen zur Bekämpfung von Wachstumsschwäche und Niedriginflation zückt. Bei einer schwachen Nachfrage könnten breitangelegte Wertpapierkäufe folgen (Quantitative Easing, QE), wird argumentiert.
Zweifel an Bilanz-Effekt
EZB-Chef Mario Draghi hatte unlängst gesagt, die Notenbank strebe eine «signifikante» Ausweitung ihrer Bilanz auf das Niveau von Anfang 2012 an. Das spricht für neues Zentralbankgeld von etwa einer Billion Euro. Viele Experten bezweifeln aber, dass die neuen Langfristkredite und die ab Oktober geplanten Käufe von Kreditverbriefungen (ABS) und Pfandbriefen dafür ausreichen werden.
Die neuen Geldspritzen haben eine Laufzeit von bis zu vier Jahren. Der Zinssatz beträgt derzeit 0,15 Prozent. Er ergibt sich aus dem Leitzins von 0,05 Prozent zuzüglich einem Aufschlag von 0,1 Prozentpunkten. Das Geschäft vom Donnerstag ist das erste einer neuen Kreditlinie (Targeted longer-term refinancing operations, TLTROs), mit der die Notenbank die schrumpfende Kreditvergabe, das schwache Wirtschaftswachstum und die geringe Inflation anschieben will.
Weitere Runden folgen
Im Dezember werden die Banken in einer zweiten Runde weitere Kredite abrufen können. Die rechnerische Höchstsumme von 400 Milliarden Euro richtet sich zunächst nach der gegenwärtigen Darlehensvergabe (ohne Immobilienkredite). Im kommenden Jahr wird das Verfahren verändert: Ab März 2015 können die Geldhäuser in sechs weiteren Runden nur dann frische Kredite abrufen, wenn sie zugleich ihre Darlehensvergabe ausweiten. Mit diesem Vorgehen will die EZB verhindern, dass das Zentralbankgeld wie bei früheren Notkrediten anstatt an Unternehmen und Verbraucher in Staatsanleihen fliesst.
Die Laufzeit der Kredite hängt ebenfalls von der Neukreditvergabe ab. Grundsätzlich gilt: Reichen die Banken das Zentralbankgeld nicht in die Wirtschaft weiter, müssen die TLTROs im September 2016 vorzeitig zurückgezahlt werden. Ansonsten dürfen die Banken das Geld zwei Jahre länger bis September 2018 behalten. Die EZB unterscheidet allerdings zwischen robusten Kreditinstituten, die ihre Kreditvergabe ausweiten müssen, um auf zusätzliches Zentralbankgeld zuzugreifen. Schwächeren Banken wird zugestanden, ihre Kreditvergabe noch einige Zeit zurückzufahren. (awp/mc/upd/pg)