Frankfurt am Main – Die Banken des Euroraums haben sich am Mittwoch mit so viel Liquidität wie noch nie eingedeckt. Für einen ungewöhnlich langen Zeitraum von drei Jahren liehen sich die Institute bei der Europäischen Zentralbank (EZB) 489,2 Milliarden Euro. Damit wurde sogar der extrem hohe Wert von 442 Milliarden Euro überschritten, den sich die Banken bei der EZB im Sommer 2009 für ein Jahr gesichert hatten.
Ökonomen werteten das jüngste Ergebnis positiv, da die Planungssicherheit des angeschlagenen Bankensektors mit der Liquiditätsspritze spürbar erhöht werde.
523 Banken involviert
Die ausgeliehene Summe übertraf die Markterwartungen: Im Schnitt hatten Bankvolkswirte mit rund 300 Milliarden Euro an zusätzlichem Geld gerechnet. Die Spannweite der Schätzungen war jedoch sehr gross, sie reichte von rund 100 Milliarden bis etwa 500 Milliarden Euro. An dem Geschäft beteiligten sich laut EZB insgesamt 523 Banken – auch das ist ein sehr hoher Wert. Das Drei-Jahresgeschäft war von der Notenbank Anfang Dezember angekündigt worden. Es ist das erste von insgesamt zwei solcher ungewöhnlich langen Geschäfte. Das nächste Dreijahresgeschäft wird Ende Februar stattfinden.
Ökonomen positiv gestimmt
Hintergrund dieser ungewöhnlich langen Refinanzierung ist die europäische Schuldenkrise. Aufgrund des starken Engagements der Banken in Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder ist das Misstrauen unter den Banken derzeit sehr gross. Dies führt zum einen dazu, dass sich die Banken nicht wie in normalen Zeiten Zentralbankgeld wieder untereinander ausleihen. Stattdessen halten sie es lieber zurück und parken es bei der EZB – selbst unter Inkaufnahme von deutlichen Zinsverlusten. Zum anderen sind zuletzt die Sorgen vor einer Kreditklemme gestiegen. Derartigen Befürchtungen will die EZB mit der langen Refinanzierung vorbeugen, indem sie die Planungssicherheit der Banken erhöht.
Bankvolkswirte sprachen in einer ersten Reaktion von einem positiven Ergebnis. «Zunächst einmal ist es gut, dass die Banken überhaupt auf die langfristige Refinanzierungsmöglichkeit zurückgegriffen haben», sagte Commerzbank-Experte Michael Schubert. Ähnlich äusserte sich Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel: «Die hohe Zuteilung nimmt Dampf aus der Banken-Refinanzierung im kommenden Jahr.» Dies dürfte der Stabilisierung des angeschlagenen Bankensektors zuträglich sein. Für das frische Geld müssen die Banken einen Durchschnittszins zahlen, der sich an der wöchentlichen Hauptrefinanzierung der EZB mit den Banken über die Laufzeit von drei Jahren orientiert. Zurzeit liegt dieser Satz beim Leitzins von 1,0 Prozent.
Wie wird frisches Geld verwendet?
Wie die Banken das frische Geld in den kommenden Monaten verwenden, bleibt abzuwarten. Diese Entscheidung liegt bei den Banken selbst. Commerzbank-Experte Schubert sieht im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Zum einen könnten die Banken die Mittel bei der EZB parken, also wie bisher als «Vorsichtkasse» halten. Dies wäre laut Schubert die ungünstigste Alternative. Zum anderen sei denkbar, dass sie das Geld in Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder investierten, was Druck von den nationalen Anleihemärkte nehmen würde. Drittens könnten die Banken das Geld nutzen, um auslaufende Refinanzierungsgeschäfte zu ersetzen. Dies würde der befürchteten Kreditklemme vorbeugen.
An den Finanzmärkten fiel die erste Reaktion zunächst positiv aus, sie verpuffte aber schnell. So legte der Euro kurz nach den Neuigkeiten kräftig zu und stieg auf sein Tageshoch bei knapp 1,32 US-Dollar. Er gab die Gewinne aber schnell wieder ab. Sichere Anlagen wie deutsche Staatsanleihen wurden zwischenzeitlich spürbar belastet. Auch dieser Effekt hielt aber nicht lange an. (awp/mc/pg)