Basel – Die Bankiervereinigung macht Front gegen die Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank. Diese hätten nicht nur schädliche Folgen für die Schweizer Wirtschaft, sie erfüllten auch ihren Zweck nicht mehr, gibt sich der Branchenverband überzeugt. Nun müsse der Weg für einen «Ausstieg aus dem Krisenmodus» geebnet werden.
Die Einführung der Negativzinsen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) vor bald fünf Jahren sei damals «absolut berechtigt» gewesen, sagte der stellvertretende Leiter der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), August Benz, am Donnerstag bei der Präsentation einer neuen Studie des Branchenverbands zu dem Thema. Jetzt seien diese aber von einer «Notmassnahme» zum «Normalzustand» geworden.
Heute erfüllten die Negativzinsen ihren wirtschaftlichen Zweck nicht mehr, zeigte sich Benz überzeugt: «Ihre Wirkung auf die Wechselkurse und die Wirtschaftsentwicklung hat nachgelassen.» Im Gegenzug gebe es zahlreiche Risiken und Folgeschäden, die «immer deutlicher» würden. «Generell macht man sich auch Sorgen, weil die Krise offenbar zum Dauerzustand geworden ist.»
Auch die SBVg-Studie räumt ein, dass der Druck auf die SNB zur Fortführung der Negativzinspolitik angesichts der Signale der Zentralbanken in der Eurozone und den USA bestehen bleiben dürfte. Konkrete geldpolitische Empfehlungen wollte Verbandsvertreter Benz bei der Diskussion der Studie aber nicht abgeben. Die Geldpolitik sei alleine die Verantwortung der Nationalbank, betonte er: «Wir geben der SNB keine Ratschläge». Mit der Studie wolle sein Verband vor allem einen «öffentlichen Diskurs» anstossen.
Umverteilung zur Exportwirtschaft
Immerhin bezweifeln die Studienautoren klar, dass die Negativzinsen heute noch erforderlich sind. So sei auch der Schweizer Franken heute nicht mehr überbewertet. Die Schweizer Exportindustrie habe sich zudem längst vom «Aufwertungsschock» des Jahres 2015 erholt und wachse mittlerweile dynamisch: Nicht nur im Warenhandel stiegen die Überschüsse kontinuierlich, auch der Tourismus habe sich klar erholt.
Die einzige «bedeutende Branche», die in den letzten zehn Jahren geschrumpft sei, sei die Finanzbranche, bemerkt die Studie. «Die Negativzinsen bewirken eine Umverteilung vom Sparer und einem stagnierenden Bankensektor zur Exportwirtschaft», folgern sie.
Markante Verzerrungen
In der Gesamtwirtschaft sind für den Bankenverband derweil die Risiken und die Folgeschäden der Negativzinsen «unübersehbar». So verweisen die SBVg-Ökonomen auf die «markanten Verzerrungen» im Schweizer Immobilienmarkt aufgrund des Anlagenotstands: «Es wird als rentabler angesehen, in ein möglicherweise leerstehendes Gebäude zu investieren als Bargeld oder Anleihen zu halten.»
Die geringeren Renditen gefährdeten auch die Stabilität der Altersvorsorge. Nicht nur müssten die Vorsorgeeinrichtungen jährlich etwa 400 Millionen Franken an Negativzinsen berappen. Das tiefe Zinsniveau habe auch die Erträge der Versicherten bei den Pensionskassen fast flächendeckend gekürzt. «Dies hat wirtschaftliche und soziale Folgen – insbesondere für die Rentnerinnen und Rentner von morgen», warnte Benz.
Banken belastet
Direkt belastet vom Negativzins werden auch die Banken selbst. So habe die SNB 2018 mit den Negativzinsen auf ihren Girokonten rund 2 Milliarden Franken eingenommen. «Dies schmälert die Profitabilität der Banken signifikant», heisst es in der Studie.
Weil die Banken zudem ihren Retailkunden die Negativzinsen nicht weitergeben würden, müssten sie die Konten der Kleinsparer mit dem Kreditgeschäft «quersubventionieren». Insgesamt sinke mit dem Negativzins die Zinsmarge und das Ertragspotenzial der Banken.
Negativzinsen seien vergleichbar mit einem Notfallmedikament, folgerte Benz. Kurzfristig könnten sie trotz Risiken einen grossen Nutzen haben. Langfristig verlören sie jedoch an Wirkung, während die Nebenwirkungen immer grösser werden. Und die Analogie gehe noch weiter: «Man muss auch aufpassen, dass man nicht davon abhängig wird.» (awp/mc/ps)