EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Brüssel – Die Länder der Europäischen Union sollen sich nach dem Willen der EU-Kommission gemeinsam gegen eine neue Bankenkrise stemmen. «Mit Blick auf Risikopapiere (…) schlagen wir nun den Mitgliedstaaten eine koordinierte Aktion vor, die Banken zu rekapitalisieren», sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Donnerstag in einem Interview des Internetdienstes YouTube und des TV-Senders Euronews.
«So dass sie ihre Risikopapiere, die sie möglicherweise haben, loswerden.» Allerdings relativierte er die Ankündigung später wieder. Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet werden.
Grosses Misstrauen der Banken untereinander
Angesichts der Milliarden-Engagements der Geschäftsbanken in Staatspapieren europäischer Krisenländer ist das Misstrauen der Banken untereinander gewachsen. Das zeigen die grossen Summen, die die Finanzinstitute derzeit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen, anstatt das Geld für höhere Zinsen an eine andere Bank zu leihen.
«Wir sind entschlossen, alles zu tun, um zu gewährleisten, dass Europas Banken ihre wichtige Rolle bei der Kreditvergabe an Unternehmen und Bürger spielen können», sagte Barroso nach einem Treffen mit dem finnischen Regierungschef Jyrki Katainen. ekapitalisierungsmassnahmen seien bereits eingeleitet, weitere Anstrengungen könnten nötig sein. «Enge Koordinierung auf europäischer Ebene ist nun nötig.»
Deutschland zu Finanzspritzen bereit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Mittwoch in Brüssel gesagt, Deutschland stehe für Finanzspritzen von Banken bereit, falls dies notwendig sein sollte. Es wird erwartet, dass bereits auf dem EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober in Brüssel neue Rettungspakte für die Banken geschnürt werden könnten. «Ich denke, die Zeit drängt – deshalb sollte das auch schnell entschieden werden», sagte Merkel.
Spannungen am Geldmarkt verschärfen sich
Die Spannungen am Geldmarkt im Euroraum verstärkten sich unterdessen weiter. Als Gradmesser für das Misstrauen der Institute untereinander gelten die eintägigen Einlagen und Ausleihungen der Banken bei der EZB: Am Donnerstag legten die eintägigen Ausleihungen der Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich von 1,361 Milliarden Euro am Vortag auf 3,153 Milliarden Euro zu, wie die EZB in Frankfurt mitteilte.
Eintägige Einlagen so hoch wie zuletzt im Juli 2010
Damit liegen die Ausleihungen so hoch wie zuletzt Mitte September. Die eintägigen Einlagen stiegen ebenfalls an – sie kletterten von 213,2 Milliarden auf 221,4 Milliarden Euro. Sie liegen damit so hoch wie zuletzt im Juli 2010 und deutlich über ihrem üblichen Jahresdurchschnitt.
Normalerweise leihen sich die Banken nur ungern kurzfristige Mittel bei der Notenbank, da sie dafür einen hohen Zins von derzeit 2,25 Prozent zahlen müssen. Für die Einlagen erhalten die Banken hingegen einen nur geringen Zins von aktuell 0,75 Prozent. Kurzfristige Mittel leihen sich die Banken normalerweise lieber untereinander zu günstigeren Konditionen am sogenannten Interbankenmarkt aus.
Schuldenkrise und Wertzerfall von Staatsanleihen
Hintergrund der Spannungen ist die europäische Schuldenkrise und der Wertzerfall von Staatsanleihen aus Ländern wie Portugal, Italien, Spanien und Griechenland.
EBA prüft erneut Widerstandsfähigkeit der Banken
Die europäische Bankenaufsicht EBA prüft angeblich erneut die Widerstandfähigkeit der Banken. Ein Ergebnis der Untersuchung könne sein, dass den Instituten bis zu 200 Milliarden Pfund (232 Mrd Euro) an Kapital fehlten, berichtete die «Financial Times» am Donnerstag. Bei einem anstehenden zweitägigen Krisentreffen der EBA werde es letztlich ein «stilles Eingeständnis» geben, dass die bisherigen Stresstests unzureichend gewesen seien.
Dexia kämpft ums Überleben
Die schwere Schuldenkrise in Griechenland, Portugal und Irland könnte zu Ausfällen bei den Staatspapieren dieser Länder führen. Infolge dessen müssten die Banken Abschreibungen machen – zulasten ihres Eigenkapitals. Derzeit kämpft die französisch-belgische Bank Dexia ums Überleben. Sie hatte grosse Positionen an Staatsanleihen, deren Wert mehr und mehr verfällt.
Die EBA wies den Bericht zum Teil zurück. Man habe keinesfalls eine «neue Runde von Stresstests» angekündigt, erklärte eine Sprecherin. Es handele sich um ein reguläres Treffen, bei dem «selbstverständlich» auch die aktuelle Lage besprochen werden.
Moody’s senkt auch Rating italienischer Banken
Das Euro-Sorgenkind Italien kommt nicht zur Ruhe: Die Ratingagentur Moody’s senkte nun auch die Bonität der beiden grössten italienischen Banken. Wie Moody’s am Donnerstag mitteilte, wurden die Grossbanken Intesa Sanpaolo und UniCredit von «Aa3» auf «A2» heruntergestuft.
Moody’s hatte am Dienstag die Kreditwürdigkeit des italienischen Staates um drei Stufen schlechter bewertet. Deshalb war der Schritt zu erwarten gewesen. Italienischen Banken halten einen Grossteil der nationalen Anleihen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hatte schon im September erst die Kreditwürdigkeit Italiens um eine Stufe von «A+» auf «A» herabgestuft und infolge 15 Kreditinstitute verwarnt.
Italienische Regierung will Haushalt bis 2013 ausgleichen
Analysten werfen der konservativen Regierung von Silvio Berlusconi seit längerem vor, das Land nicht ausreichend auf Wachstum zu trimmen. Italien hatte in den vergangenen Monaten zwei Sparpakete von geschätzten 90 Milliarden Euro verabschiedet. Damit hofft die Regierung, bis 2013 den Haushalt ausgeglichen gestalten zu können. (awp/mc/pg)