Zürich – Die europäische Bankenlandschaft befindet sich in einer anhaltend angespannten Situation. Das ist das Ergebnis einer Studie von BearingPoint, in welcher insgesamt knapp 130 Banken aus Europa bewertet wurden. Grundlage ist eine interne Analyse der Jahresabschlüsse dieser Finanzinstitute. Die Studie zeigt, dass alle europäischen Institute unter dem gleichen schwierigen Marktumfeld leiden. Für deutsche Banken stellt sich die Lage jedoch besonders prekär dar.
Hauptgrund für die angespannte Stimmung: Die Kosten europäischer Banken sind weiterhin zu hoch – das zeigt vor allem die aggregierte Cost-Income-Ratio (CIR) von 58,9 Prozent (2018). Mehr als die Hälfte der analysierten Institute wiesen in diesem Zeitraum eine CIR von über 55 Prozent auf. Die Profitabilitäts- und Effizienzlage deutscher Banken ist dabei besonders herausfordernd: Die operativen Ergebnisse sanken seit 2013 um insgesamt 28 Prozent und konnten somit die Inflation nicht decken. Ursache für die mangelnde Kosteneffizienz sind unter anderem fehlende Modernisierungs- und Digitalisierungsmassnahmen innerhalb der Finanzinstitute.
BearingPoint-Partner und Studienautor Frank Hofele: «Vielen europäischen Banken fehlt es deutlich an Effizienz. Punktuelle Digitalisierungsmassnahmen bringen bisher nicht den gewünschten Erfolg. Viele Institute scheuen die notwendigen Transformationen. Wer die technologischen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung nicht nutzt und zudem die notwendige Fokussierung auf ein klar definiertes Kern- und Produktgeschäft ausblendet, wird langfristig nicht erfolgreich sein.»
Gewinnsteigerung auf Kosten der Risikovorsorge
Die fehlende Effizienz und das steigende Risiko der deutschen Banken belasten den Markt dabei langfristig. Bleiben die Institute hier untätig, wird sich der Druck auf die Profitabilität in Zukunft weiter erhöhen. Erstmals sinkt die Eigenkapitalquote europäischer Banken in 2018 wieder und eine weitere Bedrohung steckt in der Risikovorsorge: In den vergangenen Jahren bauten die Banken 63 Prozent ihrer Risikovorsorge ab und verbesserten dadurch ihr Ergebnis. Ob sich die ökonomische Kreditqualität in diesem Masse verbessert hat, ist ungewiss. «Wenn vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute Kredite nicht mehr bedient werden können, werden die Banken wieder zunehmend Risikovorsorge aufbauen müssen und zusätzliche Ergebniseinbrüche erleiden», so Hofele.
Ausbau des Provisionsgeschäfts
Bemühungen reichen bisher nicht aus Als Reaktion auf das anhaltend schwierige Zinsumfeld bauen viele Banken vermehrt ihr Provisionsgeschäft aus. Vor allem die Steigerungen der Provisionsmarge in Italien, Spanien & Portugal sowie in den Nordics bestätigen den europäischen Trend, wegbrechende Zinserträge zum Teil durch das Provisionsgeschäft zu kompensieren. Ausbleibende Zinserträge können so zwar partiell aufgefangen werden, die Bemühungen, die Provisionsmarge zu steigern, reichen bisher aber nicht aus. Echte Erfolge verzeichnen hierbei lediglich die mittleren und kleinen Institute, die ihre Provisionsüberschüsse um 16 Prozent beziehungsweise 17 Prozent steigern konnten. Diesen fällt es leichter, digitalen Trends im Provisionsgeschäft zu folgen und die ganzheitliche Digitalisierung von Services voranzutreiben. Deutschland ist im europäischen Vergleich mit einer stagnierenden Provisionsmarge von 0,4 Prozent wohl im Begriff, von den Wettbewerbern abgehängt zu werden.
Generell ist der Wettbewerbsdruck in der einst von Markteintrittsbarrieren geprägten Finanzbranche in den letzten Jahren stark gestiegen. «FinTechs», «BigTechs» und Digitalbanken drängen mit klarem Produktfokus und hochskalierten Prozessen in den Markt und sorgen neben einem steigenden Innovationsdruck auch für einen höheren Transparenzgrad, so die Studie.
«Die Digitalisierungsmassnahmen der letzten Jahre haben bisher nicht die notwendige Wirkung erzielt. Um in Zukunft kompetitiv agieren zu können, müssen Banken die Transformation zu einem klar fokussierten Produkt und Dienstleistungsangebot konsequent verfolgen. Die Vereinfachung von Prozessen muss mit einem holistischen Blick vorangetrieben und die technologischen Möglichkeiten zur Optimierung der oft noch stark fragmentierten Systemlandschaft ausgeschöpft werden», empfiehlt Marco Kundert, BearingPoint-Partner Banking & Capital Markets Schweiz. (BearingPoint/mc)
Über die Studie
Die Studie basiert auf der Analyse von 124 europäischen Banken. Die Stichprobe umfasst circa 70 Prozent der von der EZB und den Nicht-EU Zentralbanken ausgewiesenen aggregierten Bilanzsummen des europäischen Bankensektors. Als Grundlage dient die interne Analyse der Jahresabschlüsse für den Zeitraum von 2013 bis 2018. Die Studie wurde nach 2015 und 2018 bereits zum dritten Mal durchgeführt.