Zürich – Die europäischen Banken sind weiter auf Stabilisierungskurs. Robuster aufgestellt, können viele Banken den aktuellen Krisen trotzen. Dabei spielt die weitere Verbesserung der Kosteneffizienz und der Eigenkapitalrentabilität eine grosse Rolle. Der Trend sinkender Cost-Income-Ratio (CIR) und höherer Return on Equity (RoE) hält weiter an und europäische Banken holen im globalen Wettbewerb weiter auf.
Mitten im Spannungsfeld schwieriger Marktbedingungen und globaler Krisen zeigen sich die europäischen Banken insgesamt robuster als 2021. Erfolge bei der CIR und beim RoE bestätigen den Stabilisierungskurs. Verbessert hat sich die Lage auch durch das günstigere Zinsumfeld durch die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch der Wettbewerb wird härter und Banken sollten ihre Transformation beschleunigen, nachhaltiger werden und New Banking als Geschäftsmodell ausbauen, so die Bankenstudie der Management- und Technologieberatung BearingPoint.
CIR: Spanien und Portugal Spitzenreiter – Schweiz aufgrund Private Banking Schlusslicht
Die CIR der europäischen Banken hat sich von 61,9 Prozent im Jahr 2022 auf 58,7 Prozent merklich verbessert. In 2021 lag sie noch knapp drei Prozentpunkte höher. Im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie gab es sogar eine Verbesserung um knapp fünf Prozentpunkte auf 63,3 Prozent. Spitzenreiter bleiben weiterhin Spanien und Portugal (46,8 Prozent) und die Nordics (47,7 Prozent). Frankreich (66,8 Prozent) hingegen löst den DACH-Raum (64,2 Prozent) als bisheriges Schlusslicht ab.
In Einzelbetrachtung bildet die Schweiz bei der CIR mit 70 Prozent das Schlusslicht – dies widerspiegelt die Tatsache, dass die analysierten Schweizer Banken mehrheitlich auf das Geschäftsmodell des Private Banking setzen.
RoE: Regionenvergleich zeigt klare Unterschiede – Italien und die Schweiz stark verbessert
Italien (+11,9 Prozent), die Schweiz und Österreich (+11,0 Prozent) stechen mit einem steigenden RoE hervor. Die Verbesserung der Banken im DACH-Raum ist laut der Studie bemerkenswert, da sie neben einer starken EBT- Steigerung (+18,5 Prozent) auch die mit Abstand höchsten Wachstumsrate beim Eigenkapital (+6,8 Prozent) verzeichnet, während das durchschnittliche europäische Wachstum nur bei 2,7 Prozent lag. Frankreich (-1,2 Prozent) und die Nordics (-0,9 Prozent) hingegen weisen hier einen sinkenden RoE auf.
Marco Kundert, Partner Banking & Capital Markets bei BearingPoint: „In der Schweiz stiegen die Provisionseinnahmen und die Banken konnten durch ihre besondere Ausrichtung auf vermögende Privatkunden die höchsten Provisionsmargen erwirtschaften.»
Vorsteuergewinne der Banken steigen erneut – Schweiz im Mittelfeld
2022 konnten die europäischen Banken ihren Vorsteuergewinn (EBT) um 5,4 Prozent steigern. Italien (+35,7 Prozent) und Deutschland (+23,8) stechen dabei besonders hervor, während Frankreich (-9,1 Prozent), die Nordics (-4,3 Prozent) und die Benelux (-3,5 Prozent) ein sinkendes EBT aufweisen. Bei letzteren sorgen neben steigenden Personal- und Verwaltungskosten insbesondere Rückstellungen in die Risikovorsorge für ein Auffressen aller Steigerungen. Die Schweiz (+ 1,3 Prozent) bewegt sich beim Vorsteuergewinn im Mittelfeld. Während in 2021 noch alle Regionen von der wirtschaftlichen Verbesserung und besonders der Auflösung von Risikovorsorge als Ertragstreiber profitieren konnten, partizipierten 2022 nicht alle am geänderten Zinsumfeld. Zudem wirken die Folgen von Ukrainekrieg, Inflation und wirtschaftlicher Rezession als starke Bremsfaktoren auf die Ertragslage noch nach.
Erfolge beim Provisionsertrag blieben aus – notwendige Erhöhung Risikovorsorge ein Klotz am Bein
Der Anstieg bei den Provisionsmargen 2021 blieb dagegen eine Ausnahme. Vielmehr setzte sich 2022 die Erosion der Provisionsmarge (0,5 Prozent) fort, die schon in den vergangenen Jahren zu beobachten war. Eine Ursache hierfür sei der deutliche Rückgang bei der Zahl der Börsengänge (IPO) in Europa. Auch die Risikovorsorge lähmt viele Banken beim Streben nach Normalität. Vor allem der Ukrainekrieg und die wachsende Gefahr von Kreditausfällen sorgten 2022 für Unsicherheit. Demzufolge nahm der Aufwand für die Risikovorsorge und damit der Kostendruck zu. Und in Erwartung einer Rezession haben die europäischen Banken ihre Investitionen in das Sachanlagevermögen sowie in die immateriellen Anlagewerte verlangsamt – auch dies als Teil der Risikovorsorge. Je nach Bankengrösse, Geschäftsmodellen und Kundenportfolios ergibt sich bei genauerem Hinsehen ein differenziertes Bild bei den Herausforderungen, wie die Studie zeigt. So konnten in der Schweiz die Banken durch ihre besondere Ausrichtung auf vermögende Privatkunden durchgehend die höchsten Provisionsmargen erwirtschaften.
Steigende IT- und Verwaltungskosten schmälern Erträge
Zudem gingen auch die Ausgaben für IT und Verwaltung in die Höhe, im Schnitt um 2,8 Prozent. Bei den Verwaltungskosten lässt sich im Jahr 2022 die Aufnahme des „Normalbetriebs“ erkennen. Nach dem Stillstand während der Corona-Pandemie rückten Veranstaltungen wie Messen und auch Dienstreisen wieder stärker auf die Tagesordnung. Insgesamt stiegen die Kosten um 10,3 Prozent im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 und lagen 2022 geringfügig über dem Niveau von vor der Pandemie.
Dr. Robert Bosch: „Der Trend der Digitalisierung hält trotz Rezessionsängsten bei den europäischen Banken an. Die IT-Ausgaben stiegen 2022 im Schnitt um 2,8 Prozent. Die Performer unter den Banken (mit einer CIR von unter 55 Prozent) zeigten mehr Digitalisierungsinvestitionen (+9,3 Prozent), wohingegen die Laggards (mit einem CIR von über 55 Prozent) hier einen leichten Rückgang verzeichnen. Ganz offenbar werden unterschiedliche strategische Ziele verfolgt: Performer investieren stetig in ihre digitale Transformation, Laggards hingegen setzen auf ihre bestehende Infrastruktur. Dabei zeigte sich in der Vergangenheit, dass sich hohe Investitionsausgaben für die IT-Infrastruktur auszahlen. Digitale Vorreiter wirtschafteten insgesamt effizienter, sind in Bezug auf ihre Verwaltungskosten flexibler und können sich so auch kurzfristig den Gegebenheiten besser anpassen.“
Geringes Bilanzwachstum – EZB-Langzeitkredite zeigen beträchtliche Effekte
Regionale Unterschiede mit Blick auf Bilanzen und Kreditvolumina hingen besonders davon ab, inwieweit die Banken die EZB-Langfristkredite TLTRO II und III ausnutzten und ob sie diese vorzeitig oder zu den Fälligkeiten zurückzahlten. Die TLTRO-Finanzierungen eröffneten den Banken insgesamt sehr günstige Refinanzierungsgeschäfte. Während 2022 die Nordics lediglich zwei Prozent der TLTRO-Finanzierungen bezogen, betrug der Anteil bei den Banken in Italien 23 Prozent. Dies ermöglichte den italienischen Banken trotz der hohen Verschuldung Italiens viele Kredite auszugeben. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung des Kreditvolumens war der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Volkswirtschaft, wo Deutschland, Finnland und Österreich überdurchschnittlich hohe Zuwächse verzeichneten.
Harte Kernkapitalquote erstmals rückläufig – Deutschland und Italien bilden Ausnahmen
Beim Anteil der Risikoaktiva an der Bilanzsumme (RWA-Quote), zeigen sich die Banken in Europa konstant, wobei es in den einzelnen Märkten teils beträchtliche Unterschiede gibt. Die harte Kernkapitalquote (CET1-Ratio) der europäischen Banken verschlechterte sich dagegen 2022 erstmalig seit Beginn der Datenerhebung. Gegenüber 2021 fiel sie von 15,9 Prozent auf 15,4 Prozent. Da auch die RWA-Portfolios in fast allen Regionen gestiegen sind, halten die Banken also insgesamt weniger Eigenkapital vor. Generell sind die RWA-Portfolios gegenüber 2021 stärker gestiegen als die Bilanzsummen. Dies legt laut der Studie den Schluss nahe, dass trotz der Krisen die Risikobereitschaft europäischer Banken grundsätzlich weiterhin vorhanden ist. Ausnahmen: In Deutschland stieg die Bilanzsumme der Banken 2022 mit 4,6 Prozent stärker als die RWA-Portfolios mit 2,2 Prozent und in Italien nahmen die RWA um 6,3 Prozent ab, zugleich fiel die Bilanzsumme signifikant um 7,3 Prozent – erste Ergebnisse verschiedener Transformations- und Risikoreduktionsprogramme und ein positives Signal hin zu einem widerstandfähigeren Geschäftsmodell.
Dr. Robert Bosch: „Noch profitieren die Banken vom aktuell günstigen Zinsumfeld und steigenden Zinsmargen, doch es ist ein mit hoher Wahrscheinlichkeit temporärer Effekt. Banken sollten sich also nicht auf den Zins als dauerhaften Einnahmentreiber verlassen. Umso wichtiger ist es, dass sie die begonnenen Digitalisierungs- und Transformationsprozesse weiter vorantreiben, um die Rentabilität zu stärken. Dabei sollten sie sich konsequent in ihren Kerngeschäftsfeldern bewegen. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet zunehmend Potenzial für eine effizientere Banksteuerung. Zudem sollten die Banken insgesamt nachhaltiger handeln und beispielsweise die ESG-Kriterien in die hauseigenen Steuerungs- und Reportingprozesse integrieren sowie ESG-spezifische Datenprozesse aufbauen. Und besonders das steigende Interesse an nachhaltigen Investments bietet Ertragspotenzial. Mit einer umfassenden und frühzeitigen Ausrichtung auf diese Bereiche können Banken ihre Marktposition stärken.“ (BearingPoint/mc/ps)
Über die Studie
Die diesjährige Studie basiert auf der Analyse der Jahresabschlüsse von 116 europäischen Banken für den Zeitraum der Jahre 2017 bis 2022. Alle Institute stehen unter Aufsicht der EZB oder der nationalen Aufsichtsbehörden. Zusammengenommen machten die Bilanzsummen der betrachteten Banken im Jahr 2022 rund 75 Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller monetären Finanzinstitute in der Europäischen Union aus. Die Credit Suisse wurde aufgrund ihrer besonderen Situation im Jahr 2022 in der Studie nicht berücksichtigt. Andernfalls hätte sich ein substanziell verzerrtes Bild des europäischen und insbesondere des Schweizer Bankenmarkts ergeben.
Die vollständige Studie steht hier zum Download zur Verfügung.