BearingPoint: Schweizer Banken kommen besser durch Pandemie
Zürich – Der Markt- und Transformationsdruck auf Europas Banken ist weiterhin ungebrochen und der Wettbewerb untereinander bleibt hoch. Dabei weisen trotz COVID19-Krise und Brexit die Banken die beste Cost-Income-Ratio auf, die ESG-Risiken besser managen, diese in ihr operatives Handeln integrieren und gleichzeitig stark in ihre IT-Infrastruktur investieren. Das zeigt die neue Bankenstudie der Management- und Technologieberatung BearingPoint, in der insgesamt 123 europäische Banken im Zeitraum 2013 bis 2020 analysiert und bewertet wurden.
Bedrohung durch steigende Risiken
Bedingt durch die COVID19-Krise ist die Risikovorsorge zum zentralen Fokus der Banken geworden. Während sie zwischen 2016 und 2019 noch um rund ein Drittel sank, hat sie sich im Jahr 2020 mit 225 Prozent mehr als verdoppelt. Die höchsten Zuwächse verzeichnen dabei Österreich (+500 Prozent), Deutschland (+340 Prozent) sowie Grossbritannien und Irland (+334 Prozent). Die Banken der Schweiz (+195%), Italiens (+164 Prozent) und Spaniens (+158 Prozent) haben die geringsten Zuführungen zu verzeichnen. Es stellt sich die Frage, ob die getroffen Vorsorgemassnahmen ausreichen werden, um die Krise zu überstehen.
Frank Hofele, Partner bei BearingPoint: „Trotz der Krise und des erheblichen Anstiegs der Risikovorsorge können viele Banken beachtenswerte Ergebnisse vorweisen. Die sind einerseits auf das gute Umfeld für das Kapitalmarktgeschäft sowie die regulatorischen und geldpolitischen Massnahmen zurückzuführen. Doch enorme Risiken bleiben. Restriktive Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie für Teile der Wirtschaft haben sich weit ins Jahr 2021 gezogen und neue sind weiterhin denkbar. Durch die Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit verbleibt zudem eine weitere Unsicherheit im Bankenmarkt, die die notwendige Transformation der Banken weiterhin behindert. So wird für das Jahr 2021 eine erhebliche Steigerung von rund 63 Prozent der Insolvenzen gerade im privaten Verbraucherbereich erwartet, die vor allen die Banken hart treffen wird, die bei ihrer Transformation noch am Anfang stehen.
Die COVID19-Krise hat die Bilanzen europäischer Banken strukturell gewandelt
Der Bankenmarkt wurde durch die COVID19-Krise erheblich beeinflusst und hat insbesondere zu einer Umschichtung der Bilanzen geführt. Die aggregierte Bilanz europäischer Banken hat sich im Jahr 2020 um 10 Prozentpunkte erhöht, während sie in den Jahren von 2016 bis 2019 durchschnittlich um 1,2 Prozentpunkte wuchs. Damit hat sich die Bilanzverlängerung wie auch bereits im ersten Halbjahr 2020 nach weiteren sechs Monaten fortgesetzt. Allein die grössten Banken (Banken mit einer Bilanzsumme über 500 Milliarden Euro) haben 2020 ihre Liquiditätsreserven im Vergleich zum Vorjahr um knapp 70 Prozentpunkte erhöht. Obwohl das Kreditvolumen in Europa insgesamt gestiegen ist, sank der Anteil der Kredite an der Bilanzsumme im Vergleich zu 2019 um knapp vier Prozent.
Lediglich Schweizer Banken konnten ihre Erträge steigern
Zwar konnten die europäischen Banken erste Erfolge in der Kostenreduzierung erzielen und verzeichneten gleichzeitig keine hohen Ertragseinbussen. Es zeigen sich also erste Transformationserfolge auf dem Weg zu mehr Effizienz und Steigerung der Profitabilität. Doch noch immer wird das vorhandene enorme Potenzial in Europa, insbesondere was die Erschliessung neuer Ertragsquellen anbelangt, zu wenig genutzt. Auch im Jahr 2020 fielen europaweit die Erträge der Banken und setzten damit die seit 2015 bestehende Abwärtsspirale fort – vor allem bei den grössten Banken.
Die Ertragseinbussen spiegeln sich auch in der Rentabilität der Banken wider, denn die seit Jahren schwachen Eigenkapitalrenditen (RoE) haben sich im Jahr 2020 nochmals verschlechtert. Während in 2019 die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Studie zugrunde liegenden europäischer Banken 6,1 Prozent betrug, hat sich diese im Jahr 2020 fast halbiert und beträgt nun 3,0 Prozent. Die DACH-Region konnte im Gegensatz zu den restlichen Bankenregionen Europas ihre Cost-Income-Ratio (CIR) verbessern und somit Effizienzgewinne realisieren.
Marco Kundert, Partner bei BearingPoint, ergänzt mit Blick auf den Schweizer Finanzplatz: „Im Gegensatz zum europäischen Trend steigerten Schweizer Banken ihre Erträge um 6,49 Prozentpunkte einhergehend mit einem gleichzeitigen Kostenanstieg um 0,97 Prozentpunkte. Wir können davon ausgehen, dass der Schweizer Bankenmarkt überdurchschnittliche Transformationserfolge auf dem Weg zu neuen Ertragsquellen sowie einer höheren Effizienz erzielen konnte.»
Investitionen in ESG und nachhaltige IT-Investitionen als strategische Ausrichtung
Banken mit keinem oder nur geringem ESG-Risiko im Sustainalytics Rating haben in den letzten drei Jahren sowohl beim Nettozinsertrag als auch bei den Provisionserträgen besser abgeschnitten als der Durchschnitt. Während im Markt der Nettozinsertrag um 4,9 Prozent zurückging, ist bei Banken mit unterdurchschnittlichem ESG-Risiko ein Anstieg von 0,6 Prozent zu erkennen. Während der Markt bei den Provisionen einen Rückgang von zwei Prozent verzeichnet, konnten Banken mit unterdurchschnittlichem ESG-Risiko im gleichen Zeitraum ihre Provisionserträge um 7,9 Prozent steigern.
Thomas Steiner, globaler Leiter Banking & Capital Markets bei BearingPoint: „Der unter anderem durch bevorstehende Verschärfungen der bestehenden Regulierungen sinkende Risikoappetit der Banken bedeutet geringere Ertragsmöglichkeiten und verschärft den Druck zur Generierung neuer Ertragsquellen. Die Performer unter den Banken sind diejenigen, die früh und konsequent reagiert und ihren Wettbewerbsvorsprung durch massive Investitionen in die Modernisierung von Prozessen und Systemen ausgebaut haben und dabei ESG-Faktoren in ihr operatives Handeln integrieren. Die Laggards unter den Banken, die nach wie vor nur auf Sparprogramme setzen, haben dagegen die gesteckten Ziele nicht erreicht. Die klare Botschaft an die Banken lautet: Mehr ESG wagen, stärker in die IT investieren und den Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie Robotic Process Automation forcieren. Damit gelingt es, Prozesse effizient zu gestalten, zu automatisieren und vermehrt Standardsoftware als Cloudlösung zu implementieren, um Change-the-Bank-Kosten langfristig auf niedrigem Niveau zu halten.»
Pandemiefolgen aktiv managen, Transformation anpassen und beschleunigen
Mit Fokus auf den NEW Banking-Ansatz schätzt BearingPoint folgende strategischen Handlungsfelder als prioritär für die kommenden 2 bis 3 Jahre ein, um die Transformation zu beschleunigen und die bisher erreichte Basis auszubauen:
N – Nachhaltigkeit
- ESG-Anforderungen und ESG-Strategie in einen praktikablen und glaubwürdigen Transformationsansatz integrieren, der auch WIN-WIN Situationen (beispielsweise mit Kostensenkungen oder Wachstumsambitionen) zur Steigerung der Profitabilität berücksichtigt
- Den Change auch aktiv innerhalb der Bankorganisation und -prozesse verankern
- Externe Anforderungen, wie zum Beispiel Reporting, in das Datenmanagement unter Nutzung von Synergien aus bestehenden Fachinhalten und ausgewählte externe Informationsquellen Business Case-orientiert implementieren
E – Effizienz
- Aktiv managen der Risikopositionen und proaktive Abwicklung der Kreditausfälle
- Kostenmanagement weiter verstärken und auch Investitionsinitiativen mit robusten Business Case unterlegen
- Datenmanagement professionalisieren, Architektur streamlinen und Prozesse digitalisieren
W – Wachstum
- Vertriebskanalübergreifende Digitalisierung der Kundenbeziehung – vom Onboarding bis zur Beratung und dem Produktabschluss
- Nutzung von Daten zur Schaffung von neuen digitalen Produkten für die jeweiligen Kundengruppen zur Stärkung des Provisionsertrages
- Erzielung von Skalierungseffekten durch Kooperationen bei Nichtkernprodukten und mit anderen Industrien im Vertrieb und bei der Produktgestaltung (Bundling) (BearingPoint/mc)
Über die Studie
Die diesjährige Studie “Europe’s banks on the road to recovery with the shift to efficiency and sustainability” basiert auf der Analyse der Jahresabschlüsse von 123 europäischen Banken, die für den Zeitraum von 2013 bis 2020 erfasst wurden und unter Aufsicht der EZB oder den nationalen Aufsichtsbehörden stehen. Das Datenset umfasst über 70 Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller monetären Finanzinstitute in der Europäischen Union. Für das Thema ESG wurde auf externe Bewertungen von unabhängigen Ratingagenturen zurückgegriffen.