Behavioral Finance und Hebelprodukte
Von Christian König, Commerzbank Zürich.
Zürich – Es ist besser, Verluste zu realisieren, so lange sie noch klein sind. Doch die Psychologie der Anleger macht dabei oft einen Strich durch die Rechnung.
An der Derivatbörse Scoach sind 26’500 Produkte der Kategorie Hebelprodukte kotiert. Dabei gehören 22’000 zu den Warrants (Optionsscheine), 2000 zu den Knock-Out-Warrants, und 2100 fallen unter Mini-Futures. Die restlichen Papiere teilen sich auf diverse Hebelprodukte auf wie zum Beispiel Faktor-Zertifikate. Derweil werden Varianten ohne Knock-Out-Schwellen (Warrants, und Faktor-Zertifikate) als auch Instrumente mit Knock-Out angeboten (Mini-Futures und Knock-Out Warrants).
Viel Investoren-Disziplin erforderlich
Insbesondere beim Investieren in spekulative Hebelprodukte wird vom Anleger viel Disziplin erfordert. Es gibt bekannte psychologische Hürden die dies aber oft verhindern. Eines der bekanntesten Phänomene aus der Behavioral Finance ist die sogenannte Verlustaversion (Loss-Aversion). Dieses besagt, dass sich Investoren scheuen, Verluste einzugestehen und nicht bereit sind ihre Wertpapiere unterhalb des Einstandspreises zu verkaufen. Diese psychologische Hürde kann am besten an einem Beispiel illustriert werden.
Selektive Wahrnehmung
Angenommen ein Anleger kauft Aktien zu 10 CHF, danach steigt der Kurs innerhalb kurzer Zeit auf 11 Franken und der Anleger verkauft seine Position und freut sich über seinen Gewinn. Er erklärt sich den Gewinn mit seiner guten Prognosefähigkeit und ist zuversichtlich, dass auch seine nächste Investition ein Treffer sein wird (Attribution Bias). Einige Wochen später ist die Aktie wieder bei 10 CHF und der Anleger schlägt erneut zu, diesmal mit sogar mit einem höherem Betrag. Jedoch geht das Kalkül nicht auf und die Aktie fällt auf 9 CHF. Der Anleger versucht sich zu beruhigen und redet sich ein, dass dies nur eine vorübergehende Schwäche ist und sich der Aktienkurs bald auf 10 CHF erholen wird (Anchoring). Als der Investor eine Woche später erneut den Aktienkurs kontrolliert, ist dieser aber weiter auf 8 CHF gefallen. Daraufhin sucht er im Internet nach Studien und Informationen zur Aktie. Er stösst dabei auf Analysen, welche einen Aktienkurs von 13 CHF voraussagen und einen Zeitungsartikel, welcher postiv über die Firma berichtet. Dies beruhigt ihn vorerst und er sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt (Selektive Wahrnehmung).
Verlustaversion
Als der Kurs jedoch weiter auf 7 CHF einbricht, versteht er die Welt nicht mehr. Er versucht Bestätigung von Freunden zu erhalten, dass die Aktie steigen wird und der jetzige Preis der Aktie deutlich zu tief ist. Aufmunternde Aussagen seiner Kollegen vermögen den Anleger zu beruhigen und das Thema ist vorlest erledigt (kognitive Dissonanz). Als jedoch am Markt erneut negative Indikatoren angezeigt werden und der Aktienkurs weiter auf 6 CHF fällt, ist er völlig verstört und beobachtet fasslungslos die fallenden Kurse. Als der Aktienkurs die 5 Frankenmarke touchiert, beschliesst er in einer Kurzschlussaktion den Einstandspreis zu drücken (Dispositionseffekt), indem er nocht mehr dazukauft. Kurzfristig scheint die Strategie aufzugehen und der Kurs erholt sich tatsächlich wieder. Schliesslich fällt der Aktienkurs jedoch in die Region von 4 CHF und seine Anlage wird von ihm mental abgeschrieben und er verdrängt sein Investment. Er nimmt sich vor, den Aktienkurs erst in einigen Jahren wieder zu kontrollieren und will vorerst die Finger vom Aktienmarkt lassen. Zudem sucht er Gründe für sein Versagen in den falschen Analystenberichten und bei seinem Berater, der ihn von einem Nachkaufen hätte abhalten sollen (Attribution Bias). Da sich der Anleger seine Fehler nicht eingestehen will, löst er die Position nicht auf, da er sonst die Verluste und die Konsquenzen seiner Fehler endgültig realisieren würde. Diese Verlustaversion ist in ihm drin verankert und verhindert, dass er vorzeitig mit beschränktem Verlust verkauft. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass er risikoavers agiert, d.h. bei Gewinnen vorzeitig verkauft und bei Verlusten risikofreudig handelt und zu lange nicht verkauft (Prospect Theory).
Verlustlimite setzen!
Würde ein Anleger der in Hebelprodukte investiert genau so handeln, würde dies meist in einem Totalverlust enden. Die beliebten Warrants haben einen Verfallstag und steht der Kurs am Laufzeitende nicht im gewünschten Bereich, verfallen diese wertlos. Bei Mini Futures und Knock-Out-Warrants führt dies ebenso schnell zu einem Totalverlust, da die Produkte eine vordefinierte Knock-Out-Schwelle besitzen. Wird diese berührt, verfallen die Produkte sofort wertlos. Einzig bei Faktor-Zertifikaten würde der Anleger in diesem Beispiel nicht das ganze Geld verlieren, da diese Produkte keinen Knock-Out besitzen und eine Open-End-Laufzeit aufweisen. Faktor-Zertifikate sind jedoch auch keine klassischen Buy-and-Hold Instrumente. Somit wären Aktien und Hebelprodukte Anleger besser beraten, wenn sie von Anfang Verlustlimite setzen würden, sei dies ein vordefinierter Stop-Loss-Auftrag oder auch nur ein mentaler Stop-Loss. Es ist also äusserst wichtig, dass Anleger in Hebelprodukten eine Anlagedisziplin mitbringen und sich der psychologischen Einflüsse in ihrem Handeln bewusst sind.