Brüssel – Als erstes Opfer der Euro-Schuldenkrise wird die belgisch-französische Grossbank Dexia zerschlagen und teilweise verstaatlicht. Der Staat Belgien übernimmt den belgischen Arm des Geldhauses für vier Milliarden Euro komplett, sagte Belgiens Premierminister Yves Leterme am Montag nach einer nächtlichen Kabinettssitzung. Zudem werden Belgien, Frankreich und Luxemburg gemeinsam weitere 90 Milliarden Euro als Garantien für Risikopapiere stellen, die in eine sogenannte «Bad Bank» ausgelagert werden. Der Finanzkonzern Dexia hatte sich mit Investitionen in Griechenland übernommen und war ins Taumeln geraten. In den vergangenen Tagen zogen verunsicherte Kunden massenweise Spargelder ab.
Das Geldhaus spielt eine bedeutende Rolle als langfristiger Finanzier französischer Kommunen. Dieser Bereich soll abgespalten und von der französischen Staatsbank Caisse des Depots und der Postbank Banque Postale aufgefangen werden. Der Verwaltungsrat beauftragte das Bank-Management damit, entsprechende Verhandlungen mit den französischen Instituten aufzunehmen, teilte die Dexia in Brüssel mit. Für den luxemburgischen Arm und die türkische Tochter Deniz-Bank werden noch Käufer gesucht.
Offizielle Erleichterung
Die Regierungen und der Finanzkonzern zeigten sich erleichtert. «Wir haben das Hauptziel erreicht, die Dexia Banque Belgique zu erhalten und die Risiken auszulagern», sagte Leterme. «Dieser Kauf wird die Bank im Interesse der Kunden und der Mitarbeiter stärken», teilte die Dexia mit. Es handelt sich um die erste staatliche Übernahme einer grossen europäischen Bank seit der Finanzkrise 2008. Auch Dexia hatte vor drei Jahren öffentliche Milliardenhilfen erhalten. Der Fall Dexia gilt in der Finanzbranche als Testfall dafür, ob Europas Staaten den Zusammenbruch von Banken im Sog der möglicherweise bevorstehenden Staatspleite Griechenlands verhindern können. Derzeit diskutieren die Euro-Länder über neue Milliardenhilfen für die Banken, um sie gegen die Krise zu wappnen.
Kein Einfluss auf Länderratings
Weitere staatliche Interventionen – beispielsweise zugunsten französischer Banken – soll es nicht geben. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin betonte, dass der Fall Dexia in der derzeitigen Schuldenkrise ein besonderer sei und schloss ein ähnliches Schicksal für andere französische Banken aus. Die Staatsgarantien für die Gruppe würden auch keinen Einfluss auf die bislang mit der Bestnote «AAA» bewertete Kreditwürdigkeit Frankreichs haben, sagte Baroin dem Nachrichtensender iTélé. Im Fall der Dexia werden die Staaten die Garantien für bis zu zehn Jahre zur Verfügung stellen, teilte die Dexia mit. Demnach entfällt auf Belgien ein Anteil von 60,5 Prozent oder 54 Milliarden Euro. Frankreich trage 36,5 Prozent, Luxemburg drei Prozent. Belgien übernimmt die Dexia Banque Belgique. Der Dexia-Verwaltungsrat habe das Angebot der Regierung zuvor angenommen, berichtete die Dexia.
«Angemessener Preis»
Belgiens Finanzminister Didier Reynders sprach von einem «angemessenen Preis». Im Gegenzug für die Garantieleistungen werde Dexia an die drei Staaten insgesamt 450 Millionen Euro zahlen, davon 270 Millionen an Belgien. Abzüglich dieser Summe zahle Brüssel für die Dexia Banque Belgique noch 3,73 Milliarden Euro. «Die Regierung hat nicht vor, auf unbestimmte Zeit in der Bank zu bleiben, aber auch nicht, sie sofort wieder zu verlassen», sagte Reynders. Die drei an der Zerschlagung beteiligten Regierungen in Paris, Brüssel und Luxemburg sicherten zu, das Wohl der 35.200 Beschäftigten der Gruppe im Auge zu behalten. Man werde sehr darauf achten, dass deren Rechte und Interessen gewahrt blieben, liess der französische Premierminister François Fillon mitteilen. Belgische Gewerkschaft wie die SETCa zeigten sich aber besorgt. Die Regierungen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs hatten sich zuvor auf höchster Ebene auf eine gemeinsame Linie zur Rettung des Bankkonzerns verständigt.
Zukunft der Deniz-Bank noch offen
Offen ist noch das Schicksal der türkischen Dexia-Tochter Deniz-Bank. Nach Medienberichten interessiert sich die russische Sberbank dafür. Die Aufmerksamkeit der grössten russischen Bank sei «mehr als gross», sagte ein namentlich nicht genannter Sberbank-Mitarbeiter der Moskauer Zeitung «Kommersant» (Samstag). Für die Tochter Dexia Banque Internationale (BIL) in Luxemburg laufen nach Dexia-Angaben exklusive Verhandlungen mit einer internationalen Investorengruppe. «Ein verbindliches Angebot wird am Ende der zweiwöchigen Frist vorgelegt werden», teilte die Bank mit. (awp/mc/upd/ps)