Strukturelle Wachstumstreiber und tiefe Bewertungen: Mit dem Ende der globalen geldpolitischen Expansion sind die Opportunitätskosten für das Halten afrikanischer Aktien gefallen. Zudem sind ausgewählte afrikanische Märkte aufgrund ihres realen Wirtschaftswachstums und strukturellen Wandels solide aufgestellt.
Malek Bou-Diab, Lead Portfoliomanager, Bellevue African Opportunities (Lux)
Beschränktes Renditepotenzial, niedrige Liquidität, bestenfalls eine «exotische» Beimischung in einem international diversifizierten Anlegerdepot – für die meisten Anleger war der afrikanische Kontinent in Zeiten boomender Weltbörsen in der Regel nur eine Randnotiz wert. Das galt vor allem in den letzten Jahren, als die Aktien aus den Industrieländern während der ultralockeren Geldpolitik deutlich besser abschnitten als Titel aus den Schwellenländern und den Frontier Markets. Insbesondere nach dem Ausbruch der Coronapandemie fluteten die führenden Zentralbanken der Industriestaaten die Märkte mit geld- und fiskalpolitischen Anreizen, um ihren Volkswirtschaften bei der wirtschaftlichen Erholung unter die Arme zu greifen. Afrikanische Länder konnten sich diese Anreize nicht im selben Umfang leisten. Diese Situation erhöhte die Opportunitätskosten zum Halten von afrikanischen Aktien und erklärt auch, warum Afrika bei globalen Portfolioallokationen jahrelang ein Schattendasein fristete.
Seit die Märkte 2021 begonnen haben, das Ende der expansiven Geldpolitik in die Aktienbewertungen einzupreisen, ist eine Zeitenwende im Gange. Der Bellevue African Opportunities Fonds (+8.3%) konnte die Marktindizes der Industrieländer (S&P500, +3.2%), der Schwellenländer (MSCI EM, -6.7%) als auch der Frontier-Märkte (MSCI Frontier, +2.3%) seit 1. September 2021 per 29. April 2022 übertreffen. Ohne die fortgesetzte globale monetäre Expansion sind afrikanische Aktien gegenüber Industrieländern von ihrer Bewertung kompetitiv, weil die afrikanischen Märkte hinsichtlich ihres realen Wirtschaftswachstums sehr gut aufgestellt sind. Dementsprechend günstig sind Qualitätstitel aus Afrika bewertet.
Zwei massgebliche Performancetreiber
Aus Anlegersicht hat der afrikanische Kontinent den grossen Pluspunkt, dass er Zugang zu zwei zentralen Themen bietet: Rohstoffe, die an globale Zyklen geknüpft sind, und attraktiv bewertete lokale und strukturelle Wachstumstreiber, die nicht damit korrelieren. Unternehmen und Länder, die an Rohstoffe gebunden sind, profitierten von der kräftigen Erholung der Rohstoffpreise nach dem Ausbruch von COVID-19. Aus diesem Grund waren sie seit Mai 2020 die klaren Outperformer in Afrika. Dagegen blieb die Erholung in Märkten, die gegenüber strukturellen Wachstumsthemen exponiert sind, nach der Pandemie hinter derjenigen in den rohstoffnahen Unternehmen und Ländern zurück.
Ohne unseren Fokus auf strukturelles Wachstum aufzugeben, haben wir deshalb den Anlageansatz in unserem Fonds taktisch erweitert und unser Engagement in Rohstoffen erhöht, um von dem stärkeren positiven Momentum zu profitieren. Heute liegt unser Exposure im Rohstoffbereich bei 50% gegenüber 28% zu Beginn der Coronakrise. Dieses Exposure steuern wir proaktiv in Abhängigkeit vom Momentum der globalen Rohstoffpreise. Unser Rohstoff-Exposure hat zu 65% zur Einjahresperformance des Fonds beigetragen. Dabei liegt unser Rohstoff-Exposure aber weiterhin deutlich unter dem unserer Benchmark, dem Dow Jones African Titans 50, der im April dieses Jahres 70% betrug.
Beispiele für strukturelles Wachstum
Auf Länderebene ist Marokko ein interessanter Markt, weil sich das Land in einer guten Position befindet, um von den Veränderungen in der globalen Lieferkette zu profitieren und die Produktion näher an Europa zu bringen. Ein gutes Beispiel ist die erfolgreiche Integration des Landes in die europäische Automobilindustrie. Weil strukturelle Wachstumsthemen am wenigsten mit den globalen Zyklen korrelieren, lassen sich mit ihnen langfristig nachhaltige und weniger volatile Renditen erzielen. Darüber hinaus bieten die aktuell niedrigen Bewertungen ein starkes Aufwärtspotenzial für langfristige Renditen.
Ein Beispiel ist die Commercial International Bank (COMI), die nach Vermögenswerten grösste Privatbank in Ägypten. Das Geldhaus hat in den letzten zehn Jahren beim Gewinn je Aktie einen jährlichen Zuwachs von im Schnitt 13% erzielt. Keine Krise hat die Fähigkeit der Bank eingeschränkt, ihre Erträge zu steigern. Der beste Beweis dafür ist, dass der Gewinn je Aktie von COMI im Jahr 2022 um 11% in USD über dem Niveau vor COVID-19 liegen dürfte. Zugleich wird die Aktie immer noch zu einem Abschlag von 45% unter dem Niveau vor COVID-19 gehandelt, was einer historisch niedrigen Bewertung entspricht.
LabelVie ist der zweitgrösste Einzelhändler in Marokko und einer der Profiteure der Formalisierung des Handelssektors, da der informelle Handel 80% des gesamten Einzelhandels in Marokko ausmacht. Dies zeigt das hohe Wachstumspotenzial, wenn formelle Handelskanäle Marktanteile gegenüber informellen Einzelhändlern gewinnen. Die Firma dürfte ihr EBITDA in den letzten fünf Jahren bis zum Ende dieses Jahres fast verdoppelt haben und ist nach wie vor gut positioniert, um eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen an der marokkanischen Börse zu bleiben.
Fazit
Die beiden Unternehmen sind Paradebeispiele für eine Anlagestrategie, die ausschliesslich in liquide und handelbare afrikanische Aktien investiert, die keinen Kapitalrückführungsrisiken ausgesetzt sind. Aktuell bieten ausgewählte afrikanische Märkte ein herausragendes Risiko-Rendite-Profil. Strukturelle Wachstumsthemen werden vor allem in Ägypten und Kenia zu niedrigen Bewertungen gehandelt und bieten ein hohes Neubewertungspotenzial. (Bellevue/mc)
Autor
Malek Bou-Diab stiess Mitte 2009 als Senior Portfolio Manager für den Bereich New Markets zu Bellevue Asset Management, wo er die Verantwortung für den BB African Opportunities Fonds inne hat. Davor managte Malek Bou-Diab bei Julius Bär einen Afrika-Fonds. Von 2003 bis 2007 arbeitete er als quantitativer Risiko-Analyst bei der Deutschen Bank in London. Zwischen 1999 und 2003 promovierte Malek Bou-Diab in theoretischer Physik an der ETH Zürich. Er verbrachte einen Grossteil seiner Jugend im Mittleren Osten, wo er eine international ausgerichtete Ausbildung genoss und Arabisch studierte.