Philadelphia – Am 11. November wurden an dem diesjährigen American Heart Association (AHA)-Jahresmeeting mit über 15’000 Teilnehmern die mit Spannung erwarteten Details von Novo Nordisks SELECT-)-Studie (Semaglutide Effects on Heart Disease and Stroke in Patients with Overweight or Obesity) präsentiert.
Von Christian Lach, Portfolio Manager von Bellevue Asset Management
Bereits bekannt war, dass Semaglutid das Risiko eines unerwünschten kardiovaskulären Ereignisses (MACE = Tod durch Herz-Kreislaufversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall) um 20% reduziert. Neu sind die durchgängig positiven Effekte auf alle beobachteten Parameter und die gute Sicherheit von Semaglutid bei fettleibigen Patienten ohne Diabetes.
Studie über vier Jahre mit mehr als 17’000 Patienten
SELECT ist die bisher grösste Studie eines GLP-1 Agonisten. Sie wurde 2018 gestartet, behandelte 17’604 Patienten mit Übergewicht oder Fettleibigkeit (mittlerer BMI 33.3kg/m2, 61.6 Jahre), die bereits an einer kardiovaskulären Krankheit litten, älter als 45 Jahre waren und kein Diabetes hatten (mittlerer HbA1c 5.8%). Die Patienten erhielten wöchentlich 2.4mg Semaglutid (Wegovy) oder Placebo. Die Studie lief vier Jahre und acht Monate. Die Patienten wurden durchschnittlich 39.8 Monate beobachtet. Insgesamt schlossen 96.9% der Patienten die Studie ab. Ein sehr hoher Wert.
Kardiovaskuläre Krankheiten sind die global häufigste Todesursache und für 32% aller Todesfälle verantwortlich. Fettleibigkeit ist hierfür ein Hauptrisikofaktor und ist für jährlich mehr als zwei Millionen Todesfälle verantwortlich. Derzeit leiden weltweit über 764 Mio. Menschen an Fettleibigkeit. Die Anzahl wird bis 2030 auf über eine Milliarde Menschen steigen.
Fettleibigkeit ist als Hauptfaktor für die gängigen Risikofaktoren für Herz-Kreislaufkrankheiten schon lange bekannt. Sie beeinflusst die klassischen Risikofakten wie zu hohe Blutfett- und Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Entzündungen und Thrombosen. Bisher gab es nur die Möglichkeit, die letztgenannten Risikofaktoren medikamentös zu behandeln aber nicht die ursächliche Fettleibigkeit. Die Ergebnisse der SELECT-Studie sind daher ein Wendepunkt für die Behandlung fettleibiger Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. In der Studie erhielten 90.1% Cholesterinsenker, 86.2% Antikoagulantien («Blutverdünner»), 70.2% Beta-Blocker sowie 45% ACE-Hemmer und 29.5% ARBs (Angiotensin1-Rezeptor-Blocker) zur Blutdruckkontrolle. Die Studie zeigte in diesen bereits sehr gut behandelten Patienten einen starken positiven Effekt («Landmark Trial»):
Bei den sekundären Endpunkten waren mehrere Parameter statistisch signifikant, obwohl die Studie hierfür nicht ausgelegt war:
Wie erwartet verloren die behandelten Patienten mehr Gewicht (9.4% Gewichtsverlust vs 0.9%) als die Vergleichsgruppe, jedoch zeigten sich die positiven Behandlungseffekte bereits früh und vor der Gewichtsabnahme. Dies ist vermutlich eine Kombination der direkten Effekte auf die Kontrolle des Blutzuckerspiegels sowie der indirekten Effekte des Gewichtsverlusts.
Darüber hinaus reduzierte die Behandlung mit Semaglutid folgende kardiovaskulären Risikofaktoren:
Besonders erfreulich war, dass die beschriebenen positiven Effekte unabhängig vom Ausgangsgewicht / BMI oder der Alterskategorie und damit sehr konsistent waren. Die Daten haben damit das Potenzial den Standard für die Behandlung von fettleibigen Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten zu verändern.
Gute Sicherheit der Behandlung
Der GLP-1 Agonist Semaglutid war zwar mit den erwarteten gastrointestinalen Nebeneffekten wie Übelkeit oder Erbrechen verbunden, was zu mehr Studienabbrüchen als in der Vergleichsgruppe (10% vs 2%) führte. Insgesamt brachen 16.6% der Semaglutid-Patienten die Studie ab und 8.2% der Kontrollgruppe. Dennoch war die Behandlung sehr sicher und die Entstehung von Tumoren, besonders Schilddrüsenkrebs, akutes Nierenversagen oder akute Bauchspeichelentzündung trat in beiden Gruppen ähnlich häufig auf. Auch Selbstmordgedanken traten unter Semaglutid nicht deutlich stärker auf als in der Kontrollgruppe (0.7% vs 0.6%). Insgesamt traten schwere Nebeneffekte in der Behandlungsgruppe wenig häufig auf als in der Kontrollgruppe (33.4% vs 36.4%), getrieben durch mehr Herz-Kreislauf-Komplikationen, Infektionen und medizinische Eingriffe in der Kontrollgruppe.
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