Zürich – Für die Credit Suisse ist die Beschattungsaffäre auch nach dem Rücktritt von Konzernchef Tidjane Thiam noch nicht abgehakt. So fordert etwa der Stimmrechtsberater Ethos nach wie vor auch einen vorzeitigen Abgang von Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. Auch die Finanzaufsicht Finma führt die Untersuchung gegen die Grossbank weiter.
«Der Verwaltungsrat hat auch eine Verantwortung», sagte Ethos-Chef Vincent Kaufmann auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP am Freitag. Am Morgen war bekanntgeworden, dass Thiam in der kommenden Woche durch CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein an der Spitze der Bank ersetzt werden soll. Das ändere aber nichts an der grundsätzlichen Meinung des Westschweizer Stimmrechtsberaters, dass eine Veränderung auch im Präsidium nötig sei, sagte Kaufmann.
Für die Glaubwürdigkeit wäre es wichtig, wenn dies an der anstehenden Generalversammlung in diesem Jahr geschehe und nicht erst wie geplant 2021. Seit 2017 fordert Ethos den Rücktritt von Rohner. Die Beschattungsaffäre habe Ethos in seiner Auffassung bestätigt, hatte es bereits am Donnerstag geheissen.
Weiter im Visier der Finma
Im vergangenen September war bekanntgeworden, dass die Credit Suisse den früheren Top-Manager Iqbal Khan von Privatdetektiven beschatten liess. Eine Untersuchung ergab, dass der mittlerweile entlassene COO Pierre-Olivier Bouée in Eigenregie handelte. Konzernchef Thiam soll nichts davon gewusst haben. Später flog dann auf, dass es kein Einzelfall war, sondern Bouée auch Personalchef Peter Goerke überwachen liess.
Im Zuge der Ereignisse hatte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma einen Prüfbeauftragten bei der Credit Suisse «eingesetzt». So sollen Fragen der Corporate Governance bei der Bank geklärt werden, hiess es im Dezember von der Behörde. Die Beschattungsaffäre habe aufsichtsrechtlich relevante Fragen aufgeworfen.
Über den am Morgen angekündigten Managementwechsel habe die Bank die Finma informiert, sagte Finma-Sprecher Tobias Lux zu AWP am Freitag. Dieser werde nicht weiter kommentiert. Derweil würde aber die Abklärung der Finma rund um die Beschattungsaffäre weiter laufen. «Wichtig für die Bank ist jetzt, dass wieder Ruhe einkehrt», sagte Lux.
Rohner soll wie geplant bleiben
Vor der Verwaltungsratssitzung vom (gestrigen) Donnerstag, an welcher der Rücktritt von Thiam einstimmig angenommen wurde, hatten sich diverse Grossaktionäre für Thiam ausgesprochen. US-Fondsmanager Harris Associates (8,42 Prozent), der britische Aktionär Silchester International Investors (3,26 Prozent) und US-Hedgefonds Eminence Capital, der nach eigenen Angaben fast 1 Prozent der Aktien sowie Kaufoptionen auf weitere Anteile hält, forderten ein Festhalten am CEO. Anderenfalls sollte Verwaltungsratspräsident Rohner frühzeitig abtreten.
Dieser ist seit 2009 Verwaltungsratsmitglied der Grossbank und seit 2011 deren Präsident. Eigentlich müsste er spätestens zur Generalversammlung 2021 ausscheiden, da er dann die maximale Amtszeit von zwölf Jahren im Gremium erreicht hat. Am Morgen sprach der Verwaltungsrat Rohner das Vertrauen aus. Man erwarte, dass er sein Amt bis April 2021 ausüben werde, hiess es.
Nach dem am Morgen angekündigten Machtwechsel bei der CS halten sich die Grossaktionäre bislang mit Aussagen bedeckt. Silchester möchte zu diesem Zeitpunkt vorerst keinen Kommentar abgeben, sagte Senior Partner Tim Linehan zu AWP.
Kunz: «Geschickter Schachzug»
Der Berner Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz wertete gegenüber AWP den Wechsel an der Spitze der Credit Suisse als einen geschickten Schachzug des Verwaltungsrates. «Der Auftrag für den Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner lautete, eine vernünftige Lösung zu finden. Er stand nicht nur durch die Medien unter Druck, sondern offenbar auch von Seiten einiger Aktionäre. Es hat mich schlussendlich überrascht, dass der Verwaltungsrat diese Lösung gefunden hat, was von der Stärke des Gremiums zeugt.»
Droht Aktionärsaufstand?
Der angekündigte Wechsel an der Konzernspitze kommt am Markt nicht besonders gut an. Die Aktien der Credit Suisse waren nach der Ankündigung im frühen Handel stark unter Druck, haben ihre Abgaben aber im Handelsverlauf deutlich eingegrenzt. Gegen 15 Uhr beträgt das Minus noch 0,5 Prozent auf 12,72 Franken. Einige Analysten schlossen nicht aus, dass die Rochade an der Geschäftsleitungsspitze einigen Grossaktionären sauer aufstossen könnte. Daher befürchten manche Händler, der eine oder andere verprellte Investor könnte sich von Titeln trennen oder es könnte gar zu einem Aktionärsaufstand kommen.
Auch nach Ansicht der ZKB wäre die CS mit Thiam besser gefahren als mit einem neuen CEO, gerade weil Thiam die Kosten derart gut gemanagt habe. Zugute schreibt Analyst Javier Lodeiro dem neuen CS-Chef Thomas Gottstein jedoch, dass seine Schweizer Einheit eine deutliche Gewinnerhöhung vor allem auch durch eine starke Kostenkontrolle erzielt habe.
Die Bank Vontobel kommentierte, dass der Chefwechsel die Dinge bei der CS beruhigen dürfte und Vertrauen wiederherstellen – vor allem auch innerhalb der CS. Zudem habe Gottstein das Schweizer Geschäft stark verbessert. Er hoffe, dass er auch auf Gruppenebene so weitermache, sagte Analyst Andreas Venditti.
Kein Strategiewechsel
Schlussendlich dürfte es nun wieder mehr geschäftsrelevante Presseberichte geben und «nicht nur Berichte über Schmierengeschichten», kommentierte zudem ein Händler. Positiv sei auch, dass es jetzt mal wieder einen Schweizer Chef für eine Schweizer Bank gebe.
Von der CS selbst hiess es, dass es unter dem neuen CEO zu keinem Strategiewechsel kommen werde. Auch die Ziele, die erst im Dezember am Investorentag angepasst wurden, würden beibehalten, sagte Sprecher Sebastian Kistner. (awp/mc/pg)