Premierminister Giorgos Papandreou.
Athen – Griechenland soll nach Medienberichten ein weiteres Hilfspaket im Umfang von bis zu 60 Milliarden Euro erhalten, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Im Gegenzug muss das hochverschuldete Land noch härtere Auflagen als bisher erfüllen, wie griechische Medien und das «Handelsblatt» (Mittwoch) übereinstimmend berichten.
Über Privatisierungen könnte dann künftig nicht mehr die griechische Regierung, sondern die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) entscheiden. Die grössten Gewerkschaften des Landes riefen für Mittwoch (11.5.) zu Streiks auf, um gegen eine Verschärfung des Sparprogramms zu protestieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dämpfte jedoch erneut die Erwartung rascher Entscheidungen. Über mögliche Erleichterungen für Griechenland werde erst nach Vorlage der aktuellen Bewertung des Sparprogramms entschieden. «Davon wird mich auch gar nichts abbringen», sagte Merkel am Dienstag in Berlin vor dem Verein der Auslandspresse. Die entsprechende Prüfung durch EU, IWF und Europäische Zentralbank (EZB) laufe noch bis Ende dieser Woche. Bisher hätten die Prüfer keine Beanstandungen gehabt.
Verringerung des Defizits verläuft schleppend
Vor einem Jahr hatte Griechenland bereits ein Hilfspaket im Umfang von 110 Milliarden Euro erhalten. Eine Rückkehr zur eigenständigen Finanzierung an den Kapitalmärkten scheint derzeit unmöglich. Auch verläuft die Verringerung des Haushaltdefizits schleppend. Hintergrund seien massive Steuerausfälle infolge der schweren Rezession. Die genaue Höhe der neuen Hilfen ist laut «Handelsblatt» noch unklar. Derzeit sei eine Finanzierungslücke von 25 bis 30 Milliarden im nächsten Jahr absehbar. Die Finanzminister der Euro-Zone wollen am kommenden Montag (16.5.) über die zusätzlichen Massnahmen beraten. Auch IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn soll an dem Treffen teilnehmen.
«Beständigkeit, Entschlossenheit und die Ruhe bewahren.»
In einem dramatischen Appell wandten sich der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias und Ministerpräsident Giorgos Papandreou über das Fernsehen an das griechische Volk. Die gesamte Nation müsse mobil machen. «Anders geht es nicht», sagte Papoulias. Papandreou verurteilte erneut die Spekulationen über einen möglichen Abschied der Griechen vom Euro. «Unsere Antwort muss sein: Beständigkeit, Entschlossenheit und die Ruhe bewahren.» Seine Regierung werde unabhängig von politischen Kosten die nötigen Reformen umsetzen.
Euro mit Berg und Talfahrt
Der Euro-Kurs legte wegen der Spekulationen am Dienstag eine Berg- und Talfahrt hin. Die Gemeinschaftswährung wurde im Nachmittagshandel mit 1,4344 Euro gehandelt, zuvor war der Euro zeitweise bis auf 1,4267 Dollar gefallen. Als Grund für die Erholung nannten Devisenexperten die möglichen neuen Milliardenhilfen. Die sozialistische Regierung Griechenlands scheint indes zerstritten darüber zu sein, wie schnell Reformen realisiert und ob noch härtere Sparauflagen akzeptiert werden können. «Es riecht nach Neuwahlen», schrieb die linksliberale Zeitung «Eleftherotypia» am Dienstag. Andere Medien berichteten über eine bevorstehende Regierungsumbildung.
Streiks am Mittwoch
Zu den Streiks am Mittwoch riefen die beiden grössten Gewerkschaftsverbände des privaten und des staatlichen Sektors auf. Staatlichen Behörden wie Ministerien, Museen und Steuerämter sowie viele Schulen sollen geschlossen bleiben. Im Zentrum Athens und anderer Städte des Landes sind Kundgebungen geplant. Der Reiseveranstalter Tui verschob wegen des angekündigten Streiks der Fluglotsen am Mittag die Abflugzeiten für rund 600 Fluggäste. Man rechne nun nur noch mit geringfügigen Auswirkungen, hiess es beim TUI-Krisenstab. Gegen Panikmache vor einer Pleite Griechenlands wehrt sich EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark. Er rechne damit, das die Hilfen für Griechenland letztendlich Erfolg haben werden. «Ich sehe dies nicht als ein Fass ohne Boden», sagte Stark am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Auch den Vorwurf von Kritikern, Griechenland spare sich angesichts der Auflagen für das Milliarden-Hilfsprogramm kaputt, wies er zurück.
«Umschuldung bringt keine Lösung»
Griechenland habe über viele Jahre eine falsche Wirtschaftspolitik betrieben, erklärte der EZB-Chefökonom. «Das bedarf jetzt der Korrektur, und diese Korrektur ist schmerzhaft. Das geht nicht ohne Probleme ab.» Doch aus seiner Rezession könne Griechenland wieder «herauswachsen», wenn es seine strukturellen und Haushalts-Probleme überwinde. Er sprach sich erneut gegen eine Umschuldung aus: «Letztendlich bringt eine Umschuldung nicht die Lösung der Probleme, die Griechenland zu bewältigen hat.» (awp/mc/ss)