Basel – Die Notenbanken können sich ihre lockere geldpolitische Linie trotz der aktuell stark anziehenden Inflation nach Einschätzung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) erlauben. Dies ist das Resultat einer Studie, die die BIZ am Montag in ihrem Quartalsbericht in Basel veröffentlichte. Ein Grossteil der Preisveränderung konzentriere sich in einem Umfeld mit lange Zeit niedriger Inflation auf wenige Wirtschaftsbereiche, heisst es dort. Das lege den Schluss nahe, dass der jüngst scharfe Inflationsanstieg ein übergangsweises Phänomen sei.
Die Bank der Notenbanken, wie die BIZ auch genannt wird, stützt damit die Argumentation vieler grosser Zentralbanken. So halten etwa die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) den aktuellen Anstieg der Teuerung nicht für nachhaltig und wollen ihre Geldpolitik deshalb grundsätzlich locker belassen. Sie argumentieren über coronabedingte Sonderbedingungen und statistische Effekte aufgrund niedriger Vergleichswerte im Vorjahr. Nicht alle Fachleute teilen jedoch diese Sichtweise.
Spielraum bei Verfolgung von Inflationszielen
Die BIZ hat in ihrer Studie die Preisentwicklung in 131 Bereichen der US-Volkswirtschaft über einen langen Zeitraum untersucht. Sie ist der Auffassung, dass die Resultate grundsätzlich auf andere Volkswirtschaften übertragbar sind. Da sich die Inflation der Studie zufolge auf Preisveränderungen in wenigen Bereichen zurückführen lässt, sei die Geldpolitik begrenzt in ihren Möglichkeiten, die allgemeine Teuerung zu beeinflussen. Dies verschaffe den Notenbanken im Umkehrschluss Spielraum bei der Verfolgung ihrer Inflationsziele.
Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die EZB hatten ihre Teuerungsziele zuletzt angepasst. Die Fed strebt nicht mehr ein Punktinflationsziel von zwei Prozent an, sondern ein Durchschnittsziel. Die EZB hat sich ein «symmetrisches» Inflationsziel gegeben, betrachtet also Abweichungen der tatsächlichen Inflation von ihrem Zielwert sowohl nach unten als auch nach oben als gleichermassen unerwünscht. Im aktuellen Umfeld hoher Inflationsraten nach einer längeren Zeit mit geringen Preissteigerungen führen beide Ausrichtungen zu einer anhaltend lockeren Geldpolitik.
Um ihre Ergebnisse zu illustrieren, verwendet die BIZ einen Vergleich aus der Musik: So wie es sich ein glaubwürdiger Dirigent eines eingespielten Orchesters leisten könne, mit minimalen Gesten zu führen, könne es sich eine glaubwürdige Zentralbank leisten, die Inflation innerhalb eines grösseren Bereichs ihres Ziels ohne energische Anpassungen schwanken zu lassen. (awp/mc/pg)