«Black Monday»: SNB-Spitze sah Anzeichen für Börsencrash 1987

SNB Zürich

SNB-Sitz Zürich. (© SNB)

Bern – Vor 30 Jahren sind die Börsen am «schwarzen Montag» weltweit so stark abgesackt wie seither nie mehr. Für die damalige Spitze der Schweizerischen Nationalbank kam die Trendwende allerdings wenig überraschend, wie heute zugängliche Gesprächsprotokolle zeigen.

So hätten sich die Anzeichen einer Trendwende früher als erwartet als verlässliche Signale erwiesen, heisst es in einem Gesprächsprotokoll des Direktoriums der Nationalbank (SNB) vom 22. Oktober 1987. Die Dokumente unterlagen bisher einer Sperrfrist, sind heute aber im Archiv der SNB einzusehen. Die «Handelszeitung» berichtete am Donnerstag erstmals über sie.

Es sei «bemerkenswert», dass die wichtigsten Währungspaare das Börsenunwetter heil überstanden hätten, beobachtete die SNB-Führungsspitze noch drei Tage nach dem Börsencrash. Allerdings befürchtete sie bereits damals neue Probleme, die durch eine expansivere Geldpolitik der US-Notenbank entstehen könnten.

Die Vorahnung bestätigte sich schnell. Offenbar habe das Fed mit Rücksicht auf die Börse Liquidität zugeführt, heisst es in einem weiteren Protokoll vom 29. Oktober 1987. Das lasse nichts Gutes für den Dollarkurs erwarten.

Ohnmacht gegenüber Dollar-Abwertung
Der US-Dollar büsste in der Folge gegenüber dem Franken fortlaufend an Wert ein. Die Interventionen der Notenbanken könnten den Dollarrückgang derzeit nicht verhindern – höchstens zu einem geordneten Rückgang verhelfen, attestierten die SNB-Direktoren in einem Protokoll vom 5. November 1987.

Den Grund für den Fall des Dollars sahen sie vor allem in der US-Politik. Verschlechtert hätte sich die Lage durch die klare Stellungnahme des US-Finanzministers zu Gunsten einer expansiven Geldpolitik und andererseits durch die schleppenden Verhandlungen über die Haushaltssanierung. Ohne klare Signale von der US-Wirtschaftspolitik werde in der Währungslage auch keine Änderung erfolgen. Weil das Problem eindeutig beim US-Dollar liege, könne die SNB kaum etwas zur Beruhigung beitragen, hiess es weiter.

Zu diesem Zeitpunkt bezifferten die Schweizer Währungshüter die Dollarkäufe der SNB, die sie gemeinsam mit anderen Notenbanken zur Stützung der Währung unternahmen, auf rund 300 Millionen Dollar.

Währungshüter in der Kritik
Allerdings sahen sich die Notenbanken damals zunehmenden Drucks ausgesetzt, einzugreifen, wie die Protokolle dokumentieren. Die SNB-Führung stellte nach einem Besuch in den USA fest, dass das Fed mit massiven Vorwürfen seitens der Administration konfrontiert sei.

Ihr werde unterstellt, mit einer restriktiven Politik den Börsenkrach provoziert zu haben. Deshalb sei eine expansivere Geldpolitik zu erwarten, folgerte die SNB-Führungsspitze. Der Wunsch europäischer Länder und Japans, die USA möchten eine Politik der Stabilisierung des Dollars führen, werde kaum erfüllt werden.

Darauf folgte auch politischer Gegenwind gegen die SNB. Wie die Nationalbank vernommen habe, werde von einzelnen Industriekreisen eine Aktion gegen die «sture» Politik der Nationalbank vorbereitet, heisst es in einem Protokoll vom 3. Dezember 1987.

Die Initianten wollten demnach die Vorsteher des Wirtschafts- sowie des Finanzdepartements dafür gewinnen, auf die SNB Druck auszuüben. Sie wollten die SNB zu einer expansiveren Politik veranlassen mit dem Ziel, den Franken gegenüber der Deutschen Mark zu schwächen.

Zu starke Geldmengenausweitung
Die SNB zeigte sich gesprächsbereit. Man müsse etwa auch mit den Vertretern von Wirtschaft und Politik Kontakt aufnehmen und sich über deren Auffassungen informieren sowie die Haltung der SNB darlegen. «Wir dürfen nicht den Gegnern unserer Politik die Initiative überlassen.»

Die SNB sah zudem Spielraum. Weil das Preisniveau in Deutschland in den letzten Jahren stabiler gewesen sei als in der Schweiz, sollte man deshalb nicht versuchen, die Geldmengenexpansion unter allen Umständen möglichst gering zu halten, sondern flexibel sein und ein Problem in Bezug auf den DM-Kurs vermeiden. Die SNB folgte der deutschen Bundesbank, als diese die Zinsen senkte.

Schliesslich erhöhte die SNB die Geldmenge allerdings stärker als gewollt. Aufgrund des neuen elektronischen Zahlungssystems schätzte sie die Nachfrage falsch ein. Dies gipfelte schliesslich nach einer Zinserhöhung in der Schweizer Immobilienkrise Anfang der 90er-Jahre.

Der Dow Jones verlor am 19. Oktober 1987 fast 23 Prozent und damit so viel wie seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr, als die New Yorker Börse nach Kriegsausbruch für einige Monate geschlossen war. Im Sog des Dow Jones› brachen die Kurse auch an den anderen Börsen ein. Der damalige Swissindex gab am Montag um 11 Prozent und am Dienstag um weitere knapp 4 Prozent nach. (awp/mc/pg)

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