BlackRock – Aktueller Blick auf die Märkte: Alle Augen auf den Zentralbanken
Globale Zinsstrukturkurven sind in den letzten Wochen flacher geworden und haben sich nach oben verschoben, Zeichen dafür, dass mehr Marktteilnehmer eine schnellere Straffung der Zentralbankpolitik erwarten als bis dato angenommen. Besonders aggressiv erscheinen Markterwartungen bezüglich der US-Fed, für die inzwischen zwei Zinsanhebungen (jeweils um 25 Basispunkte) schon nächstes Jahr in den Fed Funds Futures eingepreist sind.
Aber auch für die Zentralbanken Grossbritanniens und Australiens, welche wie die Federal Reserve diese Woche tagen, erwarten Marktbeobachter eine Verschärfung der monetären Bedingungen, für die Bank of England in Gestalt einer Anhebung des Leitzinses um 15 Basispunkte und für die Reserve Bank of Australia in Form einer Abkehr von ihrer Politik der Zinskurvensteuerung. Auch in der EU stehen Straffungen der Geldpolitik auf dem Programm, denn die jüngst stark gestiegenen Verbraucherpreise dürften die polnische und tschechische Notenbank zu Anhebungen ihrer Leitzinsen bewegen.
Die grösste Beachtung aber wird zweifellos auch diesmal auf der amerikanischen Zentralbank und ihrem Gouverneur Jerome Powell liegen. So gilt als sicher, dass die Fed das Tapering, also ein Abschmelzen der Anleihekäufe von derzeit monatlich 120 Mrd. US-Dollar, beschliessen wird. Die erwartete Grössenordnung der Rückführung beträgt 15 Mrd. US-Dollar pro Monat, bestehend aus zehn Milliarden Staatsanleihen und fünf Milliarden Mortgage Backed Securities (MBS) und dürfte schon, wie von Powell früher angekündigt, kurz nach der Fed-Sitzung beginnen, also noch im November. Dies würde bedeuten, dass das Abschmelzen auf null (acht Monate mal 15 Mrd. US-Dollar pro Monat) zur Jahresmitte 2022 abgeschlossen sein dürfte und die Fed dann, ganz auf Linie ihrer bisherigen Kommunikation, die Möglichkeit eines Lift-off, also der ersten Zinserhöhung, prüfen könnte. Für wahrscheinlicher als die zwei ab Juli eingepreisten Zinserhöhungen für 2022 halten wir aber derzeit ein vorsichtiges Hineintasten, mit anderen Worten derzeit nur eine Zinserhöhung in der zweiten Jahreshälfte.
Der Grund dafür, dass die Zentralbanken weltweit auf Straffung umschalten, liegt in den hohen Inflationswerten. Letzte Woche kam die Kernrate der persönlichen Konsumausgaben (core PCE) in den USA für den Oktober erneut bei 3.6% herein. Bestätigt wurde dies durch Verbraucherpreisanstiege um 4,5% in Deutschland, 4,1% in der Eurozone oder 4,4% in Kanada. Die EZB, deren Zentralbankrat sich auch in der vergangenen Woche wieder gegen den Zeitgeist stellte und kein Anzeichen einer geldpolitischen Normalisierung erkennen liess, hält diese Inflationsdaten nach wie vor für vorübergehend. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bemühte sich in der Pressekonferenz nach Kräften, entsprechende Fragen mit den üblichen Argumenten zu entschärfen.
Sie bestehen aus dem Verweis auf Basiseffekte (wobei jener der deutschen Mehrwertsteuer zu Jahresbeginn 2022 allein rund einen halben Prozentpunkt aus der Eurozonen-Inflationsrate herausbrechen sollte), unterschiedliche Erholungsgeschwindigkeiten von Angebot und Nachfrage nach der Pandemie (das Angebot sollte in den nächsten Quartalen nachziehen und somit das Missverhältnis ausgleichen) sowie Lieferkettenengpässe, welche zum Teil durch die Pandemie bedingt und damit temporär sind. Während all diese Argumente nachvollziehbar sind und die Inflation im Euroraum im Jahr 2022 vermutlich wirklich wieder Richtung 2% zurückgehen dürfte, sollten wir uns erstens darüber klar sein, dass ‚temporär‘ wohl wesentlich länger bedeutet als ursprünglich gedacht, dass also nicht schon Anfang 2022 die Inflation in sich zusammenfallen wird.
Zweitens drohen durchaus in der mittleren Frist weitere bzw. erneute Inflationsrisiken, wenn etwa der Kampf gegen den Klimawandel für höhere Energiekosten sorgt und/oder Aufwendungen für die grüne Transformation auf die Verbraucherpreise umgelegt werden. Für die USA und die heutige Fed-Sitzung gelten diese Überlegungen umso mehr, allein schon wegen der expansiveren Fiskalpolitik und des preissensibleren Arbeitsmarktes. Insofern dürfte eine der entscheidenden Fragen für Anleihe- und Aktienmärkte in dieser Woche sein, ob sich Jerome Powell weiter der Einschätzung eines nur vorübergehenden Inflationsschubes anschliesst.
G20 und COP26 zeigen: Den Klimawandel ernsthaft zu bekämpfen wird auch weh tun
Die mageren Kompromisse des G20-Gipfels in Rom haben den Klimawandel erneut als St. Florians-Problem entlarvt. Während sich nämlich nahezu alle über die Notwendigkeit des 1,5 Grad-Ziels und CO2-Neutralität allerspätestens bis 2050 einig sind, möchte kaum jemand den eigenen Wählern zumuten, auf diesem Weg voranzugehen. Nun geht es mit der COP26-Tagung in Glasgow nahtlos weiter. Und während immer klarer wird, dass die Bekämpfung der Klimaverschiebungen enorme Kosten und damit Verteilungskämpfe verursachen wird, nimmt auch der Handlungsdruck dramatisch zu. Denn viel teurer wird es, wenn weiter zu wenig geschieht. Für Anleger bedeutet dies: Investitionen in grüne Transformation bieten enorme Chancen, oder anders ausgedrückt: der CO2-Fussabdruck wird zu einer immer entscheidenderen Kompassnadel für zukünftige Anlageentscheidungen. (BlackRock/mc)