Auch in dieser zweiten Woche der Klimakonferenz COP26 schaut die Welt gebannt nach Glasgow. Dabei ist es ja nicht so, dass in der ersten Woche gar nichts passiert wäre. Immerhin haben sich 100 Länder auf eine Begrenzung der Entwaldung und eine Rückführung der extrem klimaschädlichen Methanemissionen geeinigt, auch unterzeichneten Dutzende Delegationen eine Verabredung zum Artenschutz. Bei keinem dieser Fortschritte bekam man allerdings den Eindruck, die Vereinbarungen seien hinreichend konkret, um etwas zu bewirken. So wurde die Absprache, der unkontrollierten Abholzung Einhalt zu gebieten, sogar vom brasilianischen Präsidenten Bolsonaro unterstützt, unter dessen Regierung die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes so schnell vorangeschritten ist wie noch nie zuvor. Auch fehlt gerade bei dieser Absprache die Unterschrift Indonesiens, wo in ähnlich brutalem Tempo unersetzliche Regenwälder zugunsten der Palmölproduktion vernichtet werden. Bisher suggerieren die erzielten Ergebnisse also, viele der in Glasgow vertretenen Delegationen möchten vor allem grün leuchten. Wenn es aber um die eigenen wirtschaftlichen Interessen geht, sieht es ganz anders aus.
Wenn 100 Länder einer dringend benötigten Massnahme zum Schutz der Umwelt zustimmen, ist das gut. Leider sind das aber nur gut die Hälfte der in Glasgow vertretenen 196 Delegationen. Und wenn die Beschlüsse kaum überprüfbar und gar nicht sanktionierbar sind, scheinen sie das Papier nicht wert, auf dem sie unterzeichnet werden. Dieser Vorwurf geht bei weitem nicht allein an die Schwellenländer. Im Gegenteil lässt sich argumentieren, dass es die Industrieländer waren, die seit der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts so stark zur Klimaveränderung beigetragen haben, dass die Erde nun, da sich auch die Schwellenländer ökonomisch stark entwickeln, kaum noch zusätzliche CO2-Emissionen verkraften kann. Anders herum ausgedrückt müssten die Industrie- den Schwellenländern die übermässig bisher verbrauchten CO2Budgets ausgleichen. Beim BlackRock Investment Institute schätzen wir, dass die Schwellenländer Klimainvestitionen in Höhe von einer Billion US-Dollar pro Jahr brauchen, also mehr als das Sechsfache der bisher zugesagten Summe, um eine Chance auf Erreichen der CO2-Neutralität bis 2050 zu haben. Ernsthafte Verpflichtung der Industrieländer auf das 1,5 Grad-Ziel bedeutet also die Bereitschaft immenser Transfers in die Schwellenländer. Dass dies auch vor dem Hintergrund ganz anderer Fragen (soziale Gerechtigkeit, kontrollierbare Migration, innere und äussere Sicherheit etc.) sinnvoll wäre, liegt auf der Hand. Nur dürfte es sehr schwierig werden, bezüglich so grosser Summen zeitnah zu Einigungen zu gelangen. Vermutlich müssen die Klimadaten noch viel bedrohlicher werden und sich katastrophale Extremwetterereignisse häufen, bevor die Welt, vor allem die industrialisierte, zu derart drastischen Zugeständnissen in der Lage ist. Wenn weiter nichts bzw. viel zu wenig in Sachen Einschränkung des Klimawandels passiert, dürfte sich die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten bis Ende des Jahrhunderts eher um 2,7 als 1,5 Grad erhöhen. Die Folgen kann sich jeder ausmalen.
Derweil herrscht in den USA gute Laune vor. Denn die Wirtschaft brummt auf allen Zylindern, mit einem Plus neu geschaffener Stellen bei rekordverdächtigen 531.000 im Oktober und einer Arbeitslosenquote, die mit 4,6% nur noch einen Prozentpunkt über dem Vor-Covid-Niveau liegt. Der ISM-Index für Dienstleistungen schoss von 61,9 auf das 25 Jahres-Hoch von 66,7. Und weil trotz beschleunigten Lohnwachstums – jetzt 4,9% nach 4,6% im September – und PCE-Kerninflation (PCE: personal consumption expenditure) bei 3,6% die Fed unbeirrt an ihrem Zeitplan fest- und die Zinsen bei null hält, ändert sich wenig an der perfekten Konstellation für Aktienanleger. Folgerichtig legten letzte Woche die grossen Indizes um zwei Prozent und mehr zu. An Freitag kam schliesslich von Seiten der Fiskalpolitik noch die Sahnehaube dazu, denn nach zähen Verhandlungen beschloss das Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit (228:206) endlich das 1,2 Billionen US-Dollar umfassende Infrastrukturpaket der Regierung Biden. Sowohl der enorm wichtige Teilerfolg für den angeschlagenen Präsidenten als auch die erneute Finanzspritze für die Binnenwirtschaft dürften die Zeichen auf weitere Expansion gestellt haben.
Knirschen im Ampelgetriebe
In Deutschland verlaufen die Gespräche der Ampelkoalitionäre inzwischen zäher. Letzte Woche drangen erstmals deutlich vernehmbare Knirschgeräusche nach aussen. Vor allem auf Seiten der Grünen scheint man unzufrieden mit dem Erreichten bei Klima, Aussenpolitik und Finanzen. Gut möglich, dass die bisher so einvernehmlich kommunizierenden Verhandler den für morgen 18 Uhr verabredeten Zwischenbericht der 22 Verhandlungsgruppen verschieben müssen. Damit würde die Zeit für die angestrebte Regierungsbildung Anfang Dezember knapper. Anleger bleiben trotzdem entspannt. Mit messbarer Enttäuschung würde der Markt wohl erst reagieren, wenn die am Ende vorgelegten Beschlüssen wachsweich daherkämen und die dringend benötigte Erneuerung des Landes erneut aufgeschoben würde. (BlackRock/mc/ps)