Frankfurt am Main – Nach einem schwachen ersten Halbjahr boomt der Markt für Börsengänge. Die vergangenen drei Monaten waren mit weltweit 447 Börsenneulingen und einem Emissionsvolumen von insgesamt 95 Milliarden Dollar das stärkste dritte Quartal seit 20 Jahren, wie eine am Mittwoch veröffentliche Studie des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY zeigt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl der Erstemissionen (IPOs) um 78 Prozent, das Emissionsvolumen hat sich sogar mehr als verdoppelt (+138%).
Üblicherweise ist das dritte Quartal wegen der Sommerpause eine eher ruhige Zeit für Börsengänge. Doch wegen der Corona-Krise wurden zahlreiche Emissionen im ersten Halbjahr zunächst verschoben. Die zeitweise Entspannung bei der Pandemie im Sommer und die reichlich vorhandene Liquidität trieb die US-Aktienmärkte zwischenzeitlich auf Rekordhochs und auch an anderen Börsen ging es kräftig bergauf, so dass immer mehr Unternehmen den Sprung auf das Parkett wagten.
Grösster Börsengang aus China
Der grösste Börsengang weltweit war im dritten Quartal die Erstnotiz des chinesischen Chip-Herstellers Semiconductor Manufacturing International, der 7,5 Milliarden Dollar einbrachte. Der US-Softwarespezialist Snowflake spielte 3,9 Milliarden Dollar ein. Sechs deutsche Unternehmen schafften es zwischen Juni und September auf den Kurszettel: Siemens Energy, der Rüstungskonzern Hensoldt, der Wohnmobil-Hersteller Knaus Tabbert und der Technologie-Investor Brockhaus Capital Management gingen in Frankfurt an die Börse. Die Tübinger Impstoff-Firma Curevac wählte die US-Technologiebörse Nasdaq, der Display-Produzent VIA optronics die New York Stock Exchange.
Jahresend-Rally möglich
EY-Experte Martin Steinbach hält eine Jahresendrally bei den Börsengängen weltweit für möglich. Dafür sprächen der Schwung aus dem dritten Quartal, die hohe Liquidität im Markt und das hohe Bewertungsniveau. Andererseits gebe es aber auch Gegenwind: «Das vierte Quartal und der Beginn des kommenden Jahres werden auch geprägt sein von den Risiken potenziell steigender Infektionszahlen und von den anhaltenden Spannungen zwischen China und den USA», sagte Steinbach. «Hinzu kommen als Unsicherheitsfaktoren der Brexit und die bevorstehenden US-Wahlen.»
Erst vor wenigen Tagen hatte der Wissenschaftsverlag Springer Nature Finanzkreisen zufolge wegen der widrigen Marktbedingungen seinen Börsengang zum dritten Mal verschoben. Die Neuemissionen in Frankfurt seit der Sommerpause sind auf mässige Resonanz gestossen, die Aktien von Hensoldt und Knaus Tabbert waren jeweils am unteren Ende der Preisspanne platziert worden.
Mit Spannung schauen Investoren auf China: Dort will der chinesische Finanzdienstleister Ant Insidern zufolge demnächst mit einem Emissionsvolumen von 35 Milliarden Dollar den grössten Börsengang aller Zeiten hinlegen. (awp/mc/pg)