London – Die britische Zentralbank hat ihren Leitzins entgegen einiger anderslautender Spekulationen nicht reduziert. Wie die Bank of England am Donnerstag in London mitteilte, beträgt ihr wichtigster Zins nach wie vor 0,75 Prozent. Analysten hatten diesen Schritt mehrheitlich erwartet. Allerdings gab es auch einige Fachleute, die von einer Reduzierung ausgegangen waren. Es wäre die erste Zinssenkung seit der geldpolitischen Lockerung kurz nach dem Brexit-Votum im Sommer 2016 gewesen.
Geschürt wurden die Lockerungserwartungen durch die Notenbanker selbst. Anfang des Jahres hatte zunächst Zentralbankchef Mark Carney, der im März planmässig aus dem Amt scheidet, Hinweise darauf gegeben. Ihm waren zwei weitere geldpolitische Entscheidungsträger gefolgt. Als Gründe für den vermeintlichen Schritt wurden die schleppend verlaufende Konjunktur und die verhaltene Inflation genannt.
Prognose für Wirtschaftswachstum gesenkt
In neuen Prognosen kommen die Bedenken der Notenbanker jedoch zum Ausdruck. Die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum wurden deutlich reduziert. Für dieses Jahr wurde die Wachstumsprognose um einen ganzen Prozentpunkt auf 0,75 Prozent herabgesetzt. Für 2021 und 2022 wurden die Projektionen um jeweils einen viertel Prozentpunkt reduziert. Die Inflation dürfte bis ins Jahr 2021 hinein unter dem Zielwert der Bank of England von zwei Prozent liegen.
Geldpolitische Hilfestellung nicht ausgeschlossen
Kurzfristig geben sich die Notenbanker jedoch zuversichtlicher. Verwiesen wird auf den Wahlsieg von Premier Boris Johnson und seiner konservativen Partei im Dezember und den von Johnson vorangetriebenen Brexit Ende Januar. Die Unternehmensstimmung habe hiervon profitiert. Sollten sich jedoch die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Belebung und eine höhere Inflation nicht bewahrheiten, könnte geldpolitische Hilfestellung erforderlich werden, erklärte die Notenbank. Dies ist ein klarer Hinweis auf eine denkbare Lockerung in nicht allzu ferner Zukunft.
Die Zinsentscheidung fiel angesichts der seit Jahresbeginn laufenden Lockerungsdebatte überraschend klar aus. Wie bisher sprachen sich nur zwei Zentralbanker für eine sofortige Reduzierung des Leitzinses aus. Weder Notenbankchef Carney noch die beiden anderen Geldpolitiker, die unlängst eine Lockerung angedeutet hatten, votierten für niedrigere Zinsen. Das britische Pfund profitierte hiervon, britische Staatsanleihen gerieten dagegen unter Druck. Britische Aktien reagierten ebenfalls mit Abschlägen.
Unter dem Strich zeigt sich einmal mehr, dass verbale Hinweise aus dem geldpolitischen Rat der Bank of England mit grosser Vorsicht zu geniessen sind. In seiner Amtszeit hatte gerade Notenbankchef Carney mehrfach Zinssignale gesendet, die sich letztlich als Fehlsignale herausstellten. (awp/mc/pg)