Brüssel / Berlin – Angesichts der Enthüllungen in den «Paradise Papers» dringt die EU-Kommission beim Kampf gegen Steuerflucht auf ein höheres Tempo. «Es ist absolut nötig, dass wir unser Programm gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung beschleunigen», sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici am Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel.
So muss die EU ihre «Schwarze Liste» der Steueroasen nach Ansicht Moscovicis so schnell wie möglich fertig stellen. Die EU-Staaten arbeiten seit geraumer Zeit an einer gemeinsamen Liste von Drittstaaten, gegen die es steuerrechtliche Bedenken gibt oder die sich beim Datenaustausch unkooperativ verhalten. Nach bisherigem Plan sollte die Liste Ende 2017 fertig gestellt werden. Ein Effekt dieser Zusammenstellung soll sein, bisherige Steueroasen durch das öffentliche Anprangern zu Gesetzesänderungen zu bewegen.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte, eine solche Liste sei lediglich ein erster Schritt. «Wir brauchen Sanktionen.» Diese müssten dann konsequent angewendet werden. Die EU-Finanzminister diskutierten angesichts der Enthüllungen hinter verschlossenen Türen über mögliche Folgen aus den «Paradise Papers». «Ich glaube, dass die Form von investigativem Journalismus dazu beiträgt, dass wir Defizite besser erkennen können», sagte Interimsfinanzminister Peter Altmaier (CDU) nach dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. «Wir werden das alles prüfen.»
Steuertricks von Apple, Nike und Lewis Hamilton im Fokus
Die «Süddeutsche Zeitung» (SZ), die die «Paradise Papers» mit einem internationalen Recherchenetzwerk ausgewertet hatte, rückte angebliche «Steuertricks von Apple, Nike und Lewis Hamilton» ins Licht. Der Formel-1-Weltmeister Hamilton soll etliche Briefkastenfirmen besitzen. Eine Briefkastenfirma auf der Isle of Man soll er genutzt haben, um bei der Einfuhr eines Privatjets mehr als vier Millionen Euro an Mehrwertsteuer zu sparen. Sein Rennstall teilte mit, Verstösse habe es nicht gegeben.
Apple soll laut SZ im Frühjahr 2014 bestrebt gewesen sein, in der Steueroase Jersey keinerlei Steuern zahlen zu müssen. Irland-Gesellschaften von Apple sollen eine Lücke im irischen Steuerrecht genutzt haben, um in keinem Land der Welt Steuern zahlen zu müssen. Apple betonte, die Berichte enthielten mehrere «Ungenauigkeiten». Der Konzern sei mit einer Körperschaftssteuerzahlung in Höhe von 35 Milliarden Dollar innerhalb der vergangenen drei Jahre der grösste Steuerzahler weltweit. Allein in Irland seien 1,5 Milliarden Dollar entrichtet worden.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kritisierte multinationale Unternehmen für ihre Steuerpraktiken. «Die haben alle riesige Überschüsse. Die könnten die Steuern zahlen und wären immer noch so erfolgreich», sagte er SWR Aktuell. Durch Steuervermeidung gingen Jobs verloren, denn sie gehe letztlich zu Lasten der kleineren Unternehmen. «Die vermögenden Unternehmer profitieren zu Lasten des kleinen Mannes.»
Die Grünen warfen der Bundesregierung eine Blockadehaltung vor. «Die Reaktionen der Bundesregierung und der EU-Finanzminister auf die «Paradise Papers» sind ein Offenbarungseid. Die Bestürzung ist so gross wie die Verlogenheit», sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Mittwoch). Ein Jamaika-Bündnis müsse Steuerparadiesen den Kampf ansagen.
Linke-Chef Bernd Riexinger forderte: «Die Bundesregierung darf nicht weiter tatenlos zusehen, wie Milliarden an Steuereinamen verloren gehen, die dringend für Investitionen in Armutsbekämpfung und öffentliche Infrastruktur wie Bildung und Gesundheit benötigt werden.» Nötig sei eine Bundesfinanzpolizei und ein entschlossenes Vorgehen gegen Banken, die Beihilfe zu Steuerhinterziehung und Geldwäsche leisteten.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. forderte die Politik dazu auf, konkrete Massnahmen zur Eindämmung von Schattenfinanzplätzen zu ergreifen. (awp/mc/ps)