Brüssel fordert einen Europäischen Währungsfonds und einen EU-Finanzminister

Brüssel fordert einen Europäischen Währungsfonds und einen EU-Finanzminister
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. (© EU, 2016)

Brüssel – Zum Schutz vor künftigen Finanzkrisen bringt die EU-Kommission eine ganze Reihe von Reformen auf den Weg. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll nach ihrem Willen in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umgewandelt werden. Zudem solle das Amt eines EU-Finanzministers eingerichtet werden, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssten den Vorschlägen zustimmen. Bereits vorab gab es erheblichen Gegenwind für die Projekte. Das «Nikolauspaket» von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker dürfte nun jahrelang für sehr kontroverse Debatten sorgen.

Der künftige EU-Finanzminister soll ähnlich wie die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini mehrere Funktionen auf sich vereinen und gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission und Eurogruppen-Vorsitzender sein. Der ESM steht derzeit ausschliesslich unter der Kontrolle der Eurostaaten. Er kann vor allem Kredite an pleitebedrohte Krisenstaaten vergeben. Die 19 Länder mit der Gemeinschaftswährung müssen dafür aber jeweils zustimmen.

Eingliederung des Währungsfonds ins EU-Institutionengefüge
ach Wunsch der EU-Kommission soll der neue Währungsfonds ins EU-Institutionengefüge eingegliedert werden, womit er sich auch unter der Kontrolle des Europaparlament befände. Der EU-Finanzminister soll unter anderem den neuen Währungsfonds beaufsichtigen und ebenfalls dem EU-Parlament Rechenschaft abgegeben. Zudem könnte er die Umsetzung von Spar- und Reformmassnahmen in den Staaten koordinieren. Ferner könnte er die Europäische Union bei internationalen Treffen und Konferenzen vertreten.

Der Währungsfonds könnte auch eine noch stärkere Rolle bei Rettungsprogrammen für Krisenstaaten spielen. In der Vergangenheit war neben den europäischen Partnern etwa in der Griechenlandkrise noch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit an Bord. Zwischen dem IWF und den Europäern gab es dabei teilweise aber grundlegende Meinungsverschiedenheiten.

EWF als sogenannte Letztsicherung
Der EWF könnte künftig nach Vorstellung der EU-Kommission zusätzlich bei der Bankenabsicherung grössere Bedeutung bekommen. Derzeit ist der Einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM) zur Sanierung und Schliessung von grenzüberschreitend tätigen, wichtigen Banken zuständig. Im Notfall werden dabei zunächst Eigentümer und Gläubiger der betroffenen Bank zur Kasse gebeten. Erst danach können Einlagen von Sparern sowie Gelder aus einem gemeinsamen Abwicklungsfonds herangezogen werden. In diesen Fonds zahlen die Geldinstitute nach und nach selbst ein. Um für Extremsituationen noch besser gewappnet zu sein, soll der EWF nun noch als sogenannte Letztsicherung zur Verfügung stehen.

Die Vorschläge stiessen teils auf Kritik. «Angesichts der katastrophalen Bilanz der Kommission bei der Kontrolle des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gibt es keinerlei Grundlage der Kommission in Form eines Europäischen Finanzministers irgendwelche weiteren Befugnisse zu übertragen», urteilte etwa der CSU-Finanzexperte im Europaparlament, Markus Ferber. «Ein Europäischer Finanzminister, der gleichzeitig der Kommission angehört und der Eurogruppe vorsitzt, verwischt die Verantwortlichkeiten zwischen diesen beiden Gremien.»

Ferber zufolge gab es seit Einführung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes mehr als 165 Verstösse gegen die darin vorgesehene Regel, dass die jährliche Neuverschuldung von Staaten 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten dürfe. Die EU-Kommission kann theoretisch Sanktionen vorschlagen, die von den Finanzministern abgesegnet werden müssten. In der Praxis ist dies aber noch nie geschehen. (awp/mc/ps)

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