EU sieht schwere Verstösse Italiens gegen Haushaltsregeln
Brüssel / Rom – Die EU-Kommission sieht im Haushaltsentwurf der italienischen Regierung schwere Verstösse gegen die Regeln der Euro-Zone. Die Pläne zur Neuverschuldung seien eine «noch nie dagewesene» Abweichung von den Kriterien des Stabilitätspaktes, heisst es in einem Brief von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der am Donnerstag an Rom ging. Darin ist von einer «besonders schweren Zuwiderhandlung» die Rede. Italiens Finanzminister Giovanni Tria muss nun bis zum Montag der Kommission antworten.
Die populistische Regierung aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega will die Neuverschuldung weiter ausbauen, obwohl das Land so hoch verschuldet ist wie kaum ein anderes auf der Welt. Das Thema sorgt schon seit Wochen für Spannung zwischen Rom und Brüssel.
Dabei geht es auch um eine Grundsatzdebatte, ob in der EU vereinbarte Regeln eingehalten werden. Beim EU-Gipfel in Brüssel warnte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, nach Angaben von Teilnehmern, das Infragestellen von internen Regeln der EU könne Bedingungen für die Finanzbranche verschlechtern. Auch führe die Missachtung der Regeln nicht zu Wohlstand, sondern habe einen hohen Preis für alle Akteure.
Für Italien gelten deutlich strengere Defizitwerte
Moscovici sagte bei einem Besuch in Rom, man müsse den Konflikt mit Italien «nun mit ruhig Blut angehen». Die Regierung hält sich zwar an die nach den EU-Regeln für die Währungsunion erlaubte Obergrenze der Neuverschuldung von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Weil das Land jedoch viel mehr Schulden aufgehäuft hat als erlaubt – gut 130 statt höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – muss Italien nach früheren Beschlüssen viel strengere Defizitwerte einhalten. Die Vorgängerregierung hatte ein Defizit von nur 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung versprochen; die neue Koalition peilt nun 2,4 Prozent an.
Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte sieht allerdings keinen Grund, sich Sorgen zu machen. «Wir wussten, dass dieser Haushalt, den wir für die (…) Bedürfnisse der italienischen Bürger gemacht haben, nicht mit den Erwartungen der EU-Kommission übereinstimmt», sagte er auf Facebook. Man sei bereit, auf die Kritik aus Brüssel zu antworten. Der Haushalt sei «gut durchdacht, gut aufgebaut und gut ausgeführt» und würde wirtschaftliches Wachstum bringen.
Unter anderem Steuererleichterungen und ein Bürgereinkommen für alle sind Teil des Haushaltsplans. Vize-Premier Luigi Di Maio von der Sterne-Bewegung erklärte, man wolle sich nicht von Europa belehren lassen. «Kommt hierher zu den Leuten und doziert nicht von Brüssel aus mit Briefen.»
Finanzmärkte verunsichert
An den Finanzmärkten sorgte der Haushaltsstreit jedoch für starke Verunsicherung. Die Rendite von zehnjährigen italienischen Anleihen legte um 0,14 Prozentpunkte auf 3,78 Prozent zu. Der Risikoaufschlag (Spread) zu deutschen Bundesanleihen erreichte so den höchsten Stand seit 2013.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in Brüssel, Italien sei in den vergangenen Jahren das einzige Land gewesen, das alle Möglichkeiten im Euro-Stabilitätspakt zur Flexibilität ausgeschöpft habe. Deshalb sei der EU-Kommission oft vorgeworfen worden, zu grosszügig mit Rom zu sein. «Wir waren sehr freundlich, mild und positiv, wenn es um Italien ging. Weil Italien Italien ist.»
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem EU-Gipfel, dass zwischen Italien und der Kommission ein «redlicher und guter Dialog» notwendig sei – und sie hoffe auf ein gutes Ergebnis. (awp/mc/ps)