Bullenfalle? Jetzt strukturiert richtig positionieren

Von Dieter Haas und Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

Die Aktiennotierungen erreichen mehrheitlich historische Kursgipfel. Gleichzeitig ermuntern die Notenbanken viele Anleger zu immer waghalsigeren Klettertouren, während im Zinstal der Renditeausbruch droht. Die Angst vor dem Absturz wächst.

Beim Blick auf die derzeitigen Aktienbörsen ist eine Gipfelbildung klar erkennbar. 8’407, 8’530 und 3’600 lauten die jüngsten Kurshöhen von SMI, DAX und dem US-Technologieindex Nasdaq. Selbst der alterwürdige Dow Jones Industrial Index, bekannte Referenzgrösse der amerikanischen Aktienwelt, erklomm vor wenigen Tagen das Niveau von 15’464. Als «geisteskranker Phantast» abgestempelt, wer noch vor vier Jahren – damals im Kurstal der Weltfinanzkrise – derartige Kursniveaus für 2013 prophezeit hätte. Jetzt ist der Gipfelsturm Realität.

Sauerstoff aus der Notenpresse

Der katapultartige Anstieg, trotz verschleppter Krisen rund um den Globus, ist primär den aufgedrehten Schleusen der Notenbanken und der drastischen Nahe-Null-Zins-Politik im Euro- und Dollarraum zu verdanken. Derzeit kursiert unter Bond-Tradern gar das Gerücht, die EZB plane einen 5-Jahres-Tender zu 0,5% p.a. – nur geklaut ist Geld billiger. Wie reinster Sauerstoff für Alpinsportler wirkten ohnehin bereits die ungebremsten Liquiditätszufuhren auf die Anlegerschaft, vor allem für institutionelle Investoren. Parallel nutzen die bis 2008 über beide Ohren verschuldeten US-Haushalte das historische Zinstief zur Refinanzierung und Nettoschuldenrückführung. Inzwischen liegt die Sparrate privater Haushalte in den USA bei 3,20% – Rappenspalter statt «Lending-Kings». Auf privaten Konten haben die Amerikaner Stand Mai 2013 USD 387 Milliarden gebunkert, gleich viel Geld wie vor dem Platzen der Dot-Com-Blase. Die liquiden Mittel strömen seit einem Jahr mehr oder weniger dosiert in den globalen Aktienmarkt. Das Resultat wird in den genannten Kursständen deutlich. Die Hausse nährt die Hausse. Die gewachsenen Risiken bestehen jetzt darin, dass das robuste Gewinnwachstum von «Corporate America» mit dem Ende der liquiditätsspendenden Aktionen der US-Notenbank FED abrupt abstürzen könnte. Parallel würde dies drastisch auf die asiatischen Börsen und Europas Aktien wirken.

«once you’ve passed the peak, it’s all downhill from there.»

Heimische Aktien im Höhenrausch

Auch bei den heimischen Valoren klettert der Höhenmesser bisher fröhlich nach oben. Den Aufbruch initiierten institutionelle Investoren, inzwischen tummeln sich auch viele Privatanleger beim SMI-Gipfelmarathon. Highflyer ist Richemont mit einem Kursplus auf Jahressicht (Juli 2012-2013) von +83%, gefolgt von den beiden Bankgiganten UBS und Credit Suisse mit jeweils +59% bzw. +56%. Roche gewann um die Hälfte an Börsenwert. Selbst die ölverklebten Tiefbohraktien von Transocean sind mit 7% im Plus. Bei den mehrheitlich erreichten Kursgipfeln kommt einem unweigerlich das englische Sprichwort in den Kopf: «Once you’ve passed the peak, it’s all downhill from there.» Ob die Valoren des SMI aber gleich auf Niveaus der Dufourspitze (4’634) abstürzen, darf bezweifelt werden. Doch wissen versierte Anleger und Alpinisten gleichermassen: Das Wetter ändert sich oft schneller als man denkt.

Strukturierte «Karabinerhaken»

Für Anleger empfiehlt sich, getreu dem Motto «Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist», jetzt aktiv über Sicherungsmethoden und taktische Positionierung nachzudenken. Ein plötzlicher Wetterumschlag scheint mit Blick auf die Zinsentwicklung, mehrheitlich schwacher Börsen in den Schwellenländern sowie diverser Währungseinbrüche immer wahrscheinlicher. Als «Karabinerhaken» bieten sich Short-Produkte an. Hier finden sich vier Tracker-Zertifikate auf die Aktienmärkte Schweiz, Deutschland, Europas und der USA. Ihre Basiswerte entwickeln sich in etwa spiegelbildlich zur Long-Version. Der Wertverlauf ist daher für Anleger relativ einfach nachvollziehbar. Nach ihrer fast identischen Talfahrt seit Juni 2012 (siehe Grafik) deutet die Entwicklung der letzten Wochen auf eine Bodenbildung hin. Am aussichtsreichsten erscheint VZSSX von der Bank Vontobel auf den Euro Stoxx 50 Daily Short Index. Der Scoach-kotierte Tracker kostet 0,40% p.a. Management-Fee und wird zu 0,50% Spread im Sekundärmarkt gehandelt. Nachdem die Probleme des Euroraumes längst nicht ausgestanden sind, eignet sich VZSSX sowohl für Absicherungen als auch für taktische Positionierungen. Die Industrieproduktion und das Geschäftsklima der Eurozone befinden sich noch immer im negativen Terrain, der Gesundungsprozess ist langwierig. Zudem halten sich die angelsächsischen Grossanleger vor der im September anstehenden Wahl in Deutschland (des «Nettozahlmeisters» Europas) mit Neuengagements in EU-Ländern tendenziell zurück.

«Die industrieproduktion und das Geschäftsklima der Eurozone sind noch immer im negativen terrain.»

US-Renditen wandern los

Bei den an der SIX gehandelten Exchange Traded Funds ist die Kandidatenliste umfangreicher. Hier hat sich die Spreu bereits vom Weizen getrennt. Während die Short-ETFs auf die Aktienmärkte Schweiz, Frankreich, Grossbritannien und der USA sich noch im Abwärtsmodus befinden, haben XUTS (US-Treasuries Daily TR Index) und XEMD (Emerging Markets Short Daily Index) die Trendwende bereits vollzogen. Der Renditeanstieg in den USA beflügelte die Kursentwicklung von XUTS, einem Short-ETF der Deutschen Bank. Der Index weist ein Duration von 5,50 Jahren auf und profitiert von sinkenden US-Obligationenkursen und damit steigenden Renditen. Gebührenseitig werden 0,25% p.a. erhoben. Die Sekundärmarktspreads haben sich jüngst auf rund 0,8% ausgeweitet. Die Replikation erfolgt synthetisch, d.h. über Swaps. Mit einem günstigeren TER von 0,14% p.a. und engeren Spreads punktet alternativ SU7, der Amundi ETF Short US Treasury 7-10 Daily. Allerdings ist bei den Amundi ETFs im Bond-Shortbereich das gestellte Volumen extrem klein – lediglich USD 2‘000. Anleger, die gegen ein steigendes Zinsumfeld abgesichert sein möchten, haben ferner die Möglichkeit, Constant Leverage-Zertifikate zu erwerben wie bspw. CBSUS5. Es bildet den 10-Year US Treasury Future mit fünffachem Hebel ab. Das Produkt taugt jedoch nur für tradingaffine Kenner, da es einen täglichen Reset hat und kein Buy-and-Hold-Instrument ist.

Gemischte Gefühle bei EmMa‘s

Die von der FED geäusserten Absichten einer Drosselung der Liquiditätszufuhren, eher schwache Wirtschaftsdaten aus China sowie diverse politische Querelen (u.a. Ägypten, Türkei, Brasilien) belasteten etliche Schwellenländerbörsen. So ist der brasilianische Bovespa-Index seit Mitte Januar um 22% gefallen. Die Index-Performance diverser Emerging Market-Börsen war im Vergleich zu den Börsen westlicher Industriestaaten im laufenden Jahr im Allgemeinen wenig berauschend XEMD, der ETF auf MSCI Emerging Markets Short Daily Index notiert aktuell höher als vor zwei Jahren. Hier zeigt die Richtung klar nach oben. «Hot Money» wird inzwischen nur noch sehr vorsichtig in aufstrebende Börsenplätze investiert. Gewinnmitnahmen dominieren das Bild. Das zeigen auch die jüngsten Moneyflow-Statistiken.

«Für die Aktien- als auch die Bondseite gilt jetzt eine gewisse Wachsamkeit.»

CHF-Zinsen kommen ins Steigen

Gemäss aktuellen Aussagen am Markt nehmen auch die Absicherungsanfragen auf Zinsen zu. Banken haben nicht mehr denselben Risikoappetit als Folge des vorgenommenen Abbaus des Investment Banking sowie Basel III. Im Falle einer Verkaufswelle könnte das fatale Folgen haben. Einen Vorgeschmack lieferte beispielsweise der CHF-Swapmarkt am 24. Juni. Da stiegen die 10-Jahres Swapsätze binnen fünf Stunden um 20 Basispunkte, weil kein Markt mehr vorhanden war. Solche Entwicklungen weisen auf systematische Risiken des Hypothekarmarktes Schweiz mit seinen über CHF 850 Milliarden hin. Abhilfe gegen derartige drohende Gefahren bieten u.a. Long Leverage-Zertifikate auf Zinsen wie JFHKU (siehe Product News). Ein weiteres effektives Mittel gegen einen Zinsanstieg sind die zwei umsatzstarken Long Leverage-Zertifikate JFIBD und JFVNQ der Bank Bär auf den 5- resp. 10-Jahres-Zins. Letzteres wurde im April 2013 mit dem Swiss Derivative Award in der Kategorie Währungs-/Zinsprodukte ausgezeichnet. Beide Partizipationsprodukte eignen sich vorzüglich zur Absicherung von Libor-Hypotheken sowie zum Performanceschutz von Bondportfolios.

«sowohl Eidgenosse als auch Bund-Future haben sich von ihren Höchstständen verabschiedet – der Zinsmarkt könnte drehen.»

Achtsam auf dem Junkbond-Berg

In jedem Fall gilt für die Aktien- als auch die Bondseite jetzt eine gewisse Wachsamkeit. Personifizierte Gradmesser wie US-Notenbank-Präsident Bernanke («Jonny Cash der Märkte») oder EZB-Boss Mario Draghi taugen aber nur bedingt als Indikatoren. Das zeigen die Jojo-Bewegungen auf Intraday-Basis während entsprechender Kommentare. Beachtenswerte Signale sind auf der Zinsseite vor allem die Entwicklung der zehnjährigen Renditen von US-Treasuries. Deren jüngste Anstiege haben auch auf eidgenössische Bonds sowie den deutschen Bund-Futures abgefärbt. Beide haben sich von ihren Höchstständen verabschiedet. Beim Aktienmarkt heisst es, die Seilschaften der Notenbanken gut im Auge zu behalten. Dünne Luft auf ihren milliardenschweren Junkbond-Bergen («QE3», «LTRO» etc.) könnte kollektiv zum geordneten Abstieg führen. Da heisst es strukturiert vorzusorgen.

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