Bundesrat will auf Steuer-Dialog mit EU einsteigen
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Der Bundesrat ist bereit, auf den Dialog mit der EU-Kommission über schädliche Praktiken bei der Unternehmensbesteuerung einzusteigen. Dies sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Donnerstag vor den Medien in Bern. Der Bundesrat wolle aber nicht über den gesamten EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung diskutieren. Er wolle einen ganz klar abgegrenzten Rahmen, sagte Widmer-Schlumpf. So sei er einverstanden damit, über Steuerpraktiken zu sprechen, welche eine abschirmende Wirkung hätten – also etwa die Holding-Besteuerung in einigen Kantonen.
Bei einer Änderung der Steuerpraxis müssten in erster Linie die Kantone Ausfälle hinnehmen. Beim Bund werde sich die Frage stellen, ob er den Kantonen Ausfälle ausgleiche, erklärte die Finanzministerin. Der Bundesrat wolle nicht nur auf etwas verzichten, sondern etwas anderes einführen. Weiter gab Widmer-Schlumpf zu bedenken, dass die Frage, inwiefern die kantonalen Steuerregimes mit EU-Recht kompatibel seien, seit Jahren diskutiert werde. Die Schweiz habe bereits Vorschläge gemacht. Der letzte Vorschlag sei vor einem Jahr abgelehnt worden, weil der damalige italienische Finanzminister Giulio Tremonti davon nicht überzeugt gewesen sei.
Uneinigkeit in der EU
In den vergangenen Tagen hatte die EU den Ton gegenüber der Schweiz erneut verschärft. Die EU-Finanzminister sind sich jedoch uneinig, wie mit der Schweiz im Dialog zu schädlichen Steuerpraktiken verfahren werden soll. Deshalb konnten sie am Mittwoch einen Bericht zum Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung nicht verabschieden. Bis zuletzt hatte Italien ein schärferes Vorgehen in den Gesprächen mit der Schweiz gefordert, womit nicht alle Mitgliedsstaaten einverstanden waren.
Verzögerung spielt keine Rolle
Die EU-Kommission geht davon aus, dass der Bericht und die Schlussfolgerungen dazu in einigen Wochen ohne grosse Diskussion verabschiedet werden. Da der Dialog mit der Schweiz so oder so nicht vor Januar begonnen hätte, spielt diese Verzögerung nach Angaben der Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta keine Rolle. Der Experten-Bericht der EU zieht Bilanz über die EU-internen Fortschritte bei der Bekämpfung «schädlicher Steuerpraktiken», enthält aber auch eine Zwischenbilanz über den Stand der Gespräche mit der Schweiz.
Langer Streit
Die Schweiz und die EU-Kommission diskutieren seit rund einem Jahr über die «Parameter und Kriterien» für einen Dialog über den Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung. Im Herbst 2009 hatte die Schweiz sich zu Massnahmen bereit gezeigt. Sie kündigte die Abschaffung der Briefkastenfirmen an. Zudem sollten Holding-Gesellschaften künftig keine wirtschaftlichen Aktivitäten mehr ausführen dürfen, die nicht typische Holding-Tätigkeiten sind. Weiter sollten Holdings erstmals auch auf kantonaler Ebene besteuert werden. Bei den gemischten Gesellschaften sollte eine Mindestbesteuerung auf kantonaler Ebene sichergestellt werden. Der Kompromissvorschlag wurde zwar von der EU-Kommission gutgeheissen, scheiterte aber dann am Widerstand einiger Mitgliedstaaten, unter anderem Italiens.
Keine Abschaffung der Umsatz- und Versicherungsabgabe
Der Bundesrat führte am Mittwoch auch eine Aussprache über steuerpolitische Prioritäten. Er bekräftigte dabei, dass er die Emissionsabgabe auf Eigenkapital eliminieren will. An den übrigen Stempelabgaben – der Umsatz- und der Versicherungsabgabe – will er aus finanzpolitischen Gründen festhalten. Eine Abschaffung der Stempelabgaben verlangen mehrere parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat nahm eine Studie der Steuerverwaltung zur Kenntnis, welche eine schrittweise Abschaffung evaluierte. Er beschloss jedoch, nach der Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital und der vorgesehenen Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital auf weitere Schritte zu verzichten, die wesentliche Mindereinnahmen verursachen würden.
Beseitigung der Heiratsstrafe prioritär
Im Übrigen räumt der Bundesrat der Beseitigung der Heiratsstrafe Priorität ein. Er hatte das Finanzdepartement bereits im Oktober beauftragt, bis im Sommer eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Wird die steuerliche Schlechterstellung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren eliminiert, verursacht dies je nach Variante Mindereinnahmen von 900 Millionen bis 1,3 Milliarden Franken, wie das Finanzdepartement schreibt. (awp/mc/ps)