Bern – Paare sollen nicht steuerlich schlechter behandelt werden, weil sie verheiratet sind. Der Bundesrat hat dargelegt, wie er die «Heiratsstrafe» beseitigen will. Er muss dafür aber Steuerausfälle von einer Milliarde Franken kompensieren. Teilweise werden Ehepaare heute bei der direkten Bundessteuer gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt. Das Bundesgericht bezeichnet dies als verfassungswidrig, wenn der Unterschied in der Steuerbelastung in vergleichbarer Einkommenslage über 10% liegt. Betroffen davon sind rund 80’000 Ehepaare mit zwei Netto-Erwerbseinkommen von zusammen über 80’000 CHF.
Nachdem der Bundesrat in der Vergangenheit mehrmals eine Reform angekündigt hatte, schickte er am Mittwoch einen Vorschlag in die Vernehmlassung, wie das Finanzdepartement (EFD) mitteilte. Die Konsultation dauert bis am 5. Dezember. Der Missstand, den etwa die CVP mit einer Volksinitiative beseitigen will, soll mit einer «alternativen Steuerberechnung» behoben werden. Dabei vergleichen die Steuerbehörden den Steuerbetrag eines Paares nach dem Verheiratetentarif mit dem Betrag, den die Eheleute nach individuellem Tarif bezahlen müssten. Der niedrigere der beiden Beträge wird in Rechnung gestellt.
Gegen Individualbesteuerung
Damit hat sich der Bundesrat wie angekündigt gegen eine Individualbesteuerung entschieden, wie sie etwa die FDP und die SP favorisieren. Bei der Individualbesteuerung würden die Ehegatten je einzeln besteuert. Sie ist aber in konservativen Kreisen umstritten, weil diese damit das traditionelle Familienmodell mit einem – meist männlichen – Verdiener in Gefahr wähnen. Die «alternative Steuerberechnung» übe dagegen keinen Einfluss auf die Wahl eines Lebens- oder Familienmodells aus, argumentiert der Bundesrat. Sie verhalte sich dazu möglichst neutral. Das Prinzip führe zudem auch zu geringeren Steuerausfällen als die Individualbesteuerung, aber auch als das Ehepaar-Splitting, bei dem die Einkommen geteilt und zu einem tieferen Tarif besteuert werden.
Dennoch dürften die Kosten Knackpunkt der Reform werden: Der Bund rechnet mit Einbussen von einer Milliarde Franken pro Jahr wegen der Massnahmen. Da nur die Bundessteuer betroffen ist, gibt es bei den Kantonen keine Ausfälle – dort gibt es in der Regel auch keine Benachteiligung. Zur Finanzierung der Reform strebt der Bundesrat einerseits ein Sparprogramm an, um die Ausgaben zu senken. Zur Erhöhung der Einnahmen will er andererseits entweder die Mehrwertsteuer erhöhen oder auf den Ausgleich der kalten Progression verzichten. Der Bundesrat äussert sich nicht dazu, welche Variante er bevorzugt.
Übermässige Entlastung angehen
Dass einige Ehepaare benachteiligt werden, hat laut Bundesrat auch damit zu tun, dass andere bei den Steuern «übermässig» entlastet werden. Das treffe beispielsweise auf Unverheiratete mit Kindern zu. Deshalb schlägt der Bundesrat zusätzlich zur «alternativen Steuerberechnung» auch weitere Anpassungen zum Ausgleich vor. Für Unverheiratete mit Kindern soll künftig der Grundtarif gelten, statt der Verheiratetentarif, der für sie günstiger ausfällt. Damit sie aber nicht stärker belastet werden, will der Bundesrat für sie einen neuen Abzug von 11’000 CHF kreieren.
Die «alternativen Steuerberechnung» könnte zudem auch neue Benachteiligungen schaffen. Damit bei mittleren und hohen Einkommen Einverdienerehepaare nicht viel stärker belastet werden als Zweiverdienerehepaare, schlägt der Bundesrat für erstere einen Abzug von 8’100 CHF vor. Ein weiterer Vorteil der «alternativen Steuerberechnung» liegt laut Regierung darin, dass für die Steuerpflichtigen kein Mehraufwand entsteht. Dafür kriegen die kantonalen Steuerverwaltungen mehr zu tun: Vor allem in der Einführungsphase wird ihr Aufwand deutlich steigen. (awp/mc/ps)