Zürich – CFA Society Switzerland, eine Schweizer Branchenvereinigung von rund 3000 Investment-Profis, beurteilt die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrats im Bereich Fintech als ungenügend. Grundsätzlich begrüsst CFA Society Switzerland eine Neuregulierung im Bereich Fintech. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Bankengesetzes und der Bankenverordnung weisen aber wesentliche Lücken auf.
Handlungsbedarf in der Finanzmarktregulierung
Finanzdienstleister ausserhalb des Bankenwesens – darunter die so genannten Fintech-Unternehmen – sind durch den technologischen Wandel immer öfter von Bankregulierungen betroffen, obwohl dies aus Risikogründen nicht gerechtfertigt ist. Es besteht also Handlungsbedarf, um die Innovations- kraft und Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Finanzindustrie langfristig zu erhalten.
Neue Lizenzgefässe ausserhalb der Banklizenz können Fintech-Unternehmen risikogerecht und ausgewogen regulieren. Die in der Vernehmlassung vorgeschlagene „Banklizenz light“ funktioniert aber ohne direkten Zugang zur Schweizerischen Nationalbank (SNB) nicht: Zwingt man Fintech-Unternehmen mit Banklizenz light zum Umweg über lizenzierte Banken, entstehen nicht nur unnötige systemische Risiken, auch die Einlagensicherung für Endkunden wird ausgehebelt. Die Gesetzesrevision ist deshalb zwingend mit der SNB zu koordinieren.
Passive Industriepolitik für den Finanzplatz
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des CFA Institute «Future State of the Investment Profession» zeigt eindrücklich: Die Investmentbranche steht an einem Scheideweg. In Anbetracht der Bedeutung der Finanzindustrie für die Schweizer Wirtschaft sollte deshalb die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes gleichberechtigt in das Zielsystem der Finanzmarktaufsicht eingebaut werden. Innovationsfreundliche Regulierungen sind eine wesentliche Grundvoraussetzung für die Ausbildung von Unternehmens-Clustern im Bereich Fintech.
Der im Rahmen der vorliegenden Vernehmlassung vorgebrachte Vorschlag für einen bewilligungsfreien Innovationsraum für Fintech-Unternehmen ist deshalb grundsätzlich richtig. Es fehlen aber Bestimmungen, wie ein in diesem Innovationsraum getestetes Geschäftsmodell reibungslos in den regulären bewilligungspflichten Normalbetrieb überführt werden kann. Des Weiteren schaffen die Vorschläge zum Innovationsraum unnötige Hürden für crowdfinancing und crowdlending, zwei viel- versprechende neue Geschäftsmodelle im Fintech-Bereich.
Neue Technologien nicht berücksichtigt
Auch bezüglich der Distributed Ledger oder Blockchain-Technologie weist die Vorlage wesentliche Lücken auf. Bei dieser Technologie werden Barmittel und Wertschriften ohne intermediärer Gegenpartei in dezentral verteilten Hauptbüchern geführt und umgesetzt. Indem der Bundesrat diesen Bereich ausklammert, verpasst er eine grosse Chance, Rechtssicherheit zu schaffen und die führende Rolle des Finanzplatzes Schweiz zu festigen.
Fintech-Unternehmen erbringen ihre Dienstleistungen oft online und damit ortsunabhängig. Sie erreichen unabhängig von ihrem Domizil Kunden weltweit. Um den Kundenschutz in der Schweiz aufrecht zu erhalten und gleich lange Spiesse für nationale und internationale Anbieter durchzusetzen, sollte deshalb nicht mehr wie bisher der Inkorporationsort des Anbieters, sondern neu das Kundendomizil als Anknüpfungspunkt der Aufsichtsunterstellung und des anwendbaren Rechts definiert werden. Diese gravierende Lücke in der Vorlage erlaubt sonst ausländischen Fintech-Unternehmen – im Gegensatz zu ihren Schweizer Mitbewerbern –, ohne Schweizer Zulassung oder Aufsicht Kunden in der Schweiz anzusprechen.
Christian Dreyer CFA, CEO der CFA Society Switzerland: «Wir begrüssen, dass der Gesetzgeber den Handlungsbedarf in der Finanzmarktregulierung erkennt. Um im Standortwettbewerb zu bestehen, braucht der Schweizer Finanzplatz eine zukunftsfähige und ergebnisoffene Finanzmarktregulierung. Der regulatorische Status Quo zementiert bestehende Strukturen und hemmt die Innovationskraft der schweizerischen Finanzindustrie. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzes- und Verordnungsänderungen sind jedoch nicht geeignet, um dieses Problem anzusprechen. CFA Society Switzerland fordert insbesondere direkten Zugang zur Schweizerischen Nationalbank (SNB) für Fintech-Unternehmen, die Berücksichtigung neuer Technologien (XBRL, Blockchain) und Geschäftsmodelle (crowdfinancing, crowdlending) sowie die Gleichstellung in- und ausländischer Anbieter durch die Aufsichtspflicht nach Kundendomizil statt Inkorporationsort.» (CFA/mc/hfu)
Die CFA Society Switzerland
wurde 1996 gegründet und zählt zu den grössten und ältesten Lokalverbänden des globalen CFA Institute, in dem über 145 000 Investment-Profis in 159 Ländern organisiert sind. Das CFA Institute und seine Lokalverbände streben die höchsten Standards in Ethik und Bildung sowie berufliche Spitzenleistungen auf den Anlagemärkten an. Ziel ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Interessen der Anlagekunden an erster Stelle stehen, die Märkte optimal funktionieren und das Wirtschaftswachstum begünstigt wird. Das Berufsbildungsprogramm zum Chartered Financial Analyst (CFA) ist der führende Qualifizierungsstandard der Finanzindustrie. Die CFA Society Switzerland ist nicht gewinnorientiert und organisiert für ihre rund 3’000 Mitglieder Weiterbildungsanlässe und Konferenzen und nimmt Stellung im Gesetzgebungsprozess. www.swiss.cfa