Chinas Notenbankgouverneur Zhou Xiaochuan.
Peking – Wegen einer unerwartet starken Abkühlung seiner Konjunktur hat China erstmals seit 2008 seine Leitzinsen gesenkt. Mit dem überraschenden Schritt verstärkt die Zentralbank in Peking ihre Bemühungen, die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt stärker anzukurbeln. Die Leitzinsen für Ausleihungen und für Einlagen von jeweils einem Jahr werden jeweils um 0,25 Prozentpunkte reduziert, wie die chinesische Notenbank am Donnerstag in Peking mitteilte.
Die plötzliche Zinssenkung deutet darauf hin, dass sich die chinesische Wirtschaft schlechter als erwartet entwickelt. Im ersten Quartal hatte sich das Wachstum mit 8,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich abgebremst. Es war der niedrigste Anstieg seit fast drei Jahren.
Gedämpfte Hoffnung auf neues Konjunkturprogramm
So hatte Regierungschef Wen Jiabao im Mai bereits angekündigt, dem Wachstum wieder mehr Priorität einräumen zu wollen. Übereilte Hoffnungen auf ein eventuell geplantes neues Konjunkturprogramm wurden von offizieller Seite aber sofort wieder gedämpft.
Wegen der Schuldenkrise in Europa waren die Exporte stark zurückgegangen, so dass die Wirtschaftsdaten seither weiter schlecht ausfielen. Am Wochenende werden die Mai-Zahlen für Inflation, Investitionen und Industrieproduktion erwartet. Während die Verbraucherpreise weiter moderat wachsen dürften, erwarten Experten vor allem bei der Industrieproduktion ein langsames Wachstum.
Inflationsdruck lässt nach
Die Zinssenkung wird ab Freitag wirksam. Die Zinsen für einjährige Einlagen fallen damit auf 3,25 Prozent, während die Kreditzinsen auf 6,31 Prozent sinken. Zuletzt waren die Zinsen in China Ende 2008 gesenkt worden, als das massive Konjunkturprogramm zum Kampf gegen die Auswirkungen der globalen Finanzkrise aufgelegt worden war. 2011 hatte die Zentralbank dreimal ihre Leitzinsen erhöht, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Seit Juli 2011 blieben sie aber unverändert.
Seit November hat die Zentralbank allerdings auch schon dreimal die Mindestanforderungen für die Kapitalreserven der Banken gesenkt. Doch sind die chinesischen Grossbanken laut Presseberichten unter ihren Kreditzielen geblieben, da die Geld-Nachfrage zurückgegangen war. So verdeutlicht die Zinssenkung einmal mehr die Sorge über die weitere Entwicklung im Reich der Mitte, während die Nachfrage im schuldengeplagten Europa nach «Made in China» zurückgeht.
Exporte nach China: Euroländer könnten profitieren
Der Aussenhandel stieg im April nur noch um 2,7 Prozent. Im Vormonat hatte der Zuwachs nach Angaben des Zolls noch 7,1 Prozent betragen. Damit wird es schwierig für China, sein Ziel von zehn Prozent Handelswachstum in diesem Jahr zu erreichen. Die schwachen Handelszahlen werfen neue Fragen auf, wie viel China künftig als Wachstumsmotor zur Weltkonjunktur und damit auch zum Wachstum der deutschen Exportwirtschaft beitragen kann.
Nach Einschätzung von Christian Schultz, Ökonom der Berenberg Bank, dürfte die Leitzinssenkung Exportnationen rund um den Globus zu Gute kommen. Von einer stabilen Nachfrage in China würden auch etliche europäische Länder profitieren, schreibt der Experte in einer Analyse. In Europa seien vor allem Deutschland und Finnland auf Ausfuhren nach China angewiesen. Dahinter folgten Italien und Frankreich. Seit 2010 nehmen die Exporte in die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt europaweit deutlich zu. (awp/mc/upd/ps)