Chinas Nationaler Volkskongress in der grossen Halle des Volkes in Peking.
Zürich / Peking – Die Credit Suisse soll ihren frühen Eintritt ins chinesische Private Banking heiklen Geschäften mit den Kindern des ehemaligen Premierministers Wen Jiabao verdanken. Die Grossbank habe dem Nachwuchs des roten Adels unter anderem beim Aufbau von Briefkastenfirmen in der Karibik geholfen, schreibt der «Tages-Anzeiger».
Der Artikel, der am Mittwoch gleichzeitig auch in den Zeitungen «Der Bund» und «Le Matin» erschienen ist, basiert auf einer Auswertung von Offshore-Leaks-Daten. Diese sollen Beziehungen zwischen der Credit Suisse und dem Sohn und der Tochter von Wen Jiabao, der von 2003 bis 2013 chinesischer Premierminister war, offenlegen.
In den stark von Behörden kontrollierten chinesischen Markt einzutreten, sei für westliche Banken nur unter erschwerten Bedingungen möglich, schreibt die «Süddeutsche Zeitung», die ebenfalls an der gross angelegten Recherche internationaler Medien beteiligt war. Der Zeitung zufolge sollen die Nachkommen von Chinas politischer Elite Türen öffnen können, die sonst verschlossen blieben.
Gemäss Medienberichten soll die Credit Suisse dies über Wen Ruchun, die Tochter des ehemaligen chinesischen Premierministers, versucht haben. Die Grossbank habe die einflussreiche Tochter zwischen Ende 1999 und Mitte 2001 in ihrer Pekinger Filiale beschäftigt.
Früher Markteintritt in China
Der Ehemann von Wen Ruchun sei einige Jahre später in eine mächtige chinesische Kommission berufen werden, die unter anderem entscheide, für welche Geschäftszweige eine ausländische Bank zugelassen wird. Im gleichen Zeitraum habe die Credit Suisse als erste westliche Bank den Eintritt in den chinesischen Vermögensverwaltungs-Markt geschafft.
Auch zum Sohn des ehemaligen chinesischen Machthabers soll die Credit Suisse Geschäftsbeziehungen gepflegt haben. Die Grossbank habe im September 2006 die Gründung der Trend Gold Consultants Limited organisiert, einer Gesellschaft auf den Britischen Jungferninseln. Deren einziger Aktionär und Direktor ist dem «Tages-Anzeiger»/»Bund» zufolge Wen Yunsong, der Sohn des ehemaligen chinesischen Premiers.
Bei der Credit Suisse wird auf Anfrage auf das Bankgeheimnis verwiesen. «Die Credit Suisse ist von Gesetzes wegen an das Bankkundengeheimnis gebunden. Sie kann daher zu diesem Thema keine Stellung nehmen. Aus diesem Grund ist eine objektive Darstellung des Sachverhalts durch die Medien nicht möglich», teilte Mediensprecher Marc Dosch der Nachrichtenagentur sda mit.
Auch UBS betroffen
Dem «Tages-Anzeiger»/»Bund» zufolge soll auch die UBS in die Geschäfte mit dem einflussreichen Nachwuchs verwickelt sein. Die Grossbank solle Verbindungen zu Fullmark Consultants unterhalten. Bei dieser Firma handle es sich ebenfalls um eine Gesellschaft auf den Britischen Jungferninseln, die von Wen Ruchun, der Tochter des ehemaligen Premiers, gegründet worden sei. Bei der UBS nahm am Mittwoch Nachmittag niemand Stellung.
Da die Vorwürfe Geschäfte mit sogenannt politisch exponierten Personen (PEP) betreffen, wird nun auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) aktiv. Diese ist verpflichtet, zu untersuchen, ob die Banken die strengen Sorgfaltspflichten, die sie bei Geschäften mit politisch exponierten Personen befolgen müssen, einhalten.
Finma geht Hinweisen «ganz generell» nach
«Wir haben Kenntnis von den Medienberichten», schrieb Finma-Sprecher Tobias Lux gegenüber der sda. Die Finma gehe Hinweisen ganz generell nach. «So auch in diesem Fall», hiess es. Die Behörde stehe mit den angesprochenen Banken im Rahmen der Aufsicht in Kontakt.
«Bei der Credit Suisse sind Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Personen (PEP) in einem detaillierten Verfahren geregelt», schrieb Credit-Suisse-Sprecher Dosch. Das PEP-Verfahren entspreche den Vorschriften und Standards zur Verhinderung von Geldwäscherei in der Schweiz und auf den weltweit bedeutenden Finanzplätzen.
Die Auswertung der Offshore-Leaks-Daten erfolgte durch das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). An den Enthüllungen beteiligt sind unter anderem Journalisten des «Guardian», der «Süddeutschen Zeitung» oder von «Le Monde». Aus der Schweiz arbeitete das Recherchedesk von «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» mit. Die beiden Zeitungen stellten ihre Texte dem «Tages-Anzeiger», dem «Bund» und «Le Matin» zur Verfügung. (awp/mc/upd/ps)