Yves Zlotowski, Chef-Ökonom der Coface (Foto: Coface)
Paris – Brasilien, das Musterland unter den Schwellenländern, hatte den Härtetest der Krise 2009 mit Bravour bestanden. Nun, vier Jahre später, zeigen die gesellschaftlichen Proteste die Schwächen des Wachstumsmodells auf. Auch wenn die Ungleichheiten abnehmen, sind sie doch noch beträchtlich. Wegen des schwierigen Arbeitsmarktes und großer Unterschiede in der Infrastruktur ist der berühmt berüchtigte ständige Kostenanstieg («Brazil cost») zu einer schweren Belastung für die Wirtschaft geworden.
Das brasilianische Wachstumsmodell, das vom Konsum getrieben wurde, ist zusammengebrochen. Das Land ist in einer paradoxen Situation. Es hat mit weniger als drei Prozent das schwächste Wachstum der BRIC-Länder, die zusammen im Schnitt auf 4,8 Prozent kommen. Zugleich steckt es in einer anhaltenden Inflation. Diese Stagnation bei steigenden Preisen ist einer der Gründe für die aktuellen sozialen Unruhen. Sie hat ihre Ursache mehr in den stetig steigenden Produktions- und Lebenshaltungskosten als in der Geldpolitik. Viele Strukturprobleme treten jetzt akut zutage: Druck auf dem Arbeitsmarkt, unzureichende Produktivität, Mangel an Fachkräften, deutlich steigende Lohn-Stückkosten und eine wackelige Infrastruktur.
„Das Rezept gegen Brasiliens Stagflation liegt nicht in der Wirtschaftspolitik, sondern in Bildungs-, Gesundheits- und Strukturreformen. Das fordert auch die aufgebrachte Mittelschicht. Sie gibt sich nicht länger mit blossen Konsumphilosophien zufrieden. Auch wenn Präsidentin Dilma Rousseff erklärt, sie sei entschlossen, die Situation zu bewältigen, werden sich die Resultate erst langfristig zeigen“, sagt Yves Zlotowski, Chef-Ökonom der Coface.
Trotz Schwierigkeiten bleibt Brasilien attraktiv
Das langsame Wachstum und hohe Zinsen belasten die brasilianischen Unternehmen. Sie haben deshalb zunehmend Probleme, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Coface registriert dies in einem starken Anstieg der Zahlungsstörungen. Das Problem. „Brazil cost“ ist ein großes Hindernis für einige Branchen:
- Hoher Lohndruck senkt die Wettbewerbsfähigkeit der Chemischen Industrie
- Energiekosten belasten die Stahlindustrie
- Die geringe Bildung kleiner Landwirte verhindert die Einführung neuer Technik und den Zugang zu subventionierten Krediten
Trotz dieser Schwächen bleibt Brasilien ein vielversprechender Markt. Coface stuft Brasilien in der Länderbewertung mit A3 ein – wie zum Beispiel auch China und Polen. Das Unternehmensgefüge des Landes hat zwei wesentliche Vorteile. Es erfährt starke Unterstützung von den Behörden bis hin zu protektionistischen Elementen sowie Steuervergünstigungen für anfällige Branchen. Zudem wird die Wirtschaft gestützt durch die anhaltende Nachfrage aus der Mittelschicht. Insbesondere der Automobilsektor, in dem die Investitionen hoch bleiben, und der Einzelhandel zeigen sich stabil. (Coface/mc/hfu)
Über Coface
Die Coface-Gruppe ist ein weltweit führender Kreditversicherer und bietet Unternehmen auf der ganzen Welt Lösungen für das Forderungsmanagement im Inlands- und Exportgeschäft. 2012 erreichte die Gruppe einen konsolidierten Umsatz von 1,6 Mrd. Euro. 4.400 Mitarbeiter in 66 Ländern bieten weltweiten Service vor Ort. In jedem Quartal veröffentlicht Coface ihre Einschätzung der Länderrisiken für 158 Länder. Dies geschieht auf Basis ihrer genauen Kenntnisse des Zahlungsverhaltens von Unternehmen und der Kompetenz von 350 Kreditprüfern, die nah an den Kunden und deren Debitoren arbeiten. In Frankreich ist Coface Mandatar für die staatlichen Exportkreditgarantien. Coface ist eine Tochtergesellschaft von Natixis, einer Gesellschaft der Groupe BPCE für Unternehmensfinanzierung, Investment Management und spezielle Finanzservices.