Evangelos Venizelos, griechischer Vizeministerpräsident.
Athen / Frankfurt – Paukenschlag in Athen: Fast vier Jahre nach dem finanziellen Kollaps ist Griechenland eine furiose Rückkehr an die Kapitalmärkte gelungen. Erstmals seit dem Hilferuf an die Europartner haben private Investoren dem Land wieder längerfristig Kredit gegeben, wie das Finanzministerium am Donnerstag mitteilte. Anleger rissen sich regelrecht um die neuen Anleihen des ehemaligen Pleitekandidaten. Das grösste Krisenland im Währungsraum löst sich damit vom Tropf der Europartner – zumindest ein Stück weit.
Nach Angaben des Finanzministeriums konnte Griechenland drei Milliarden Euro am Anleihemarkt einsammeln, rund eine halbe Milliarde mehr als angepeilt. Die Nachfrage nach den neuen Staatspapieren mit fünfjähriger Laufzeit war enorm: Es gingen Gebote über 20 Milliarden Euro ein. Fast 90 Prozent der Papiere wurden laut Ministerium an Investoren im Ausland verkauft. Um die Titel am Markt unterzubringen, holte sich Athen Unterstützung grosser Banken, darunter Goldman Sachs, JPMorgan und die Deutsche Bank.
«Feierliche Rückkehr»
Die Anleger erhalten eine Nominalverzinsung von 4,75 Prozent. Das ist in Zeiten rekordniedriger Leitzinsen und im Vergleich zu den meisten anderen Euroländern viel, aber dennoch deutlich weniger als erwartet. «Alles was unter 5,3 Prozent ist, ist für uns super», hatte es vor der Versteigerung aus dem Finanzministerium geheissen.
Entsprechend euphorisch fielen die ersten Reaktionen der griechischen Regierung aus. Vizeministerpräsident und Aussenminister Evangelos Venizelos erklärte im staatlichen Fernsehen sichtlich zufrieden: «Das Ereignis des Tages ist die feierliche Rückkehr Griechenlands an die Märkte.» Es sei «der grosse Schritt», der das Land aus der engen Überwachung der Geldgeber befreien werde, titelte die Boulevardzeitung «Ethnos».
Positive Reaktion der EU
Griechenland war seit der Beinahepleite im Frühjahr 2010 vom privaten Kapitalmarkt abgeschnitten, weil Anleger wegen des finanziellen Desasters das Vertrauen in das Land verloren hatten. In der Schuldenkrise kletterte die Rendite zehnjähriger Papiere zeitweise auf über 30 Prozent. Der letzte Versuch, Geld am Anleihemarkt aufzutreiben, verlief traumatisch: Athen wollte sich im April 2010 eine Milliarde Euro für 20 Jahre leihen. Es kamen aber nur Angebote für lediglich 390 Millionen Euro zusammen.
Die EU-Kommission begrüsste das griechische Kapitalmarkt-Comeback. «Heute ist ein sehr guter Tag», sagte EU-Kommissar Joaquín Almunia nach einem Treffen mit dem griechischen Finanzminister Ioannis Stournaras in Athen. «Heute sehen wir die Ergebnisse der grossen Bemühungen der griechischen Behörden und der griechischen Bürger für die Überwindung einer grossen Krise.»
Finanzprofis beeindruckt
Auch Finanzprofis zeigten sich beeindruckt. «Griechenland ist mit einem triumphalen Paukenschlag zurück am Markt», sagte Analystin Kathleen Brooks vom Handelshaus Gain Capital. Positiv bewerten viele Experten, dass Griechenland die neuen Anleihen unter britischem Recht ausgibt. Damit setzt Athen ein starkes Zeichen, um Befürchtungen eines erneuten Zahlungsausfalls für private Anleger zu zerstreuen.
Zur Erinnerung: Vor nur zwei Jahren hatte das überschuldete Griechenland seine Anleihehalter zu einem massiven Forderungsverzicht gedrängt. Möglich war dies, weil die umgeschuldeten Papiere griechischem Recht unterlagen. Anleihen unter britischem Recht blieben damals verschont.
Kritik bleibt nicht aus
Doch nicht überall gibt es Beifall. Negative Töne kamen erwartungsgemäss von Alexis Tsipras, dem Chef der grössten griechischen Oppositionspartei, dem Bündnis der radikalen Linken: Mit dem Kredit schiesse sich Athen «ins Bein». Was das Land brauche, sei ein Schuldenschnitt. Das linke Blatt «Avgi» prophezeite «neue harte Sparmassnahmen» für die Griechen. Bislang haben die Bürger wenig von den Fortschritten am Finanzmarkt. Die wirtschaftliche Lage bleibt kritisch, die Arbeitslosigkeit beträgt 27 Prozent.
Athen sei nur wegen der massiven Hilfe der Europartner in der Lage, Investoren mit hohen Zinsen zu ködern, sagten Börsianer in Frankfurt. «Ich glaube nicht, dass Griechenland solvent ist», erklärte Fondsmanager Mike Riddell von M&G Investments. Die Griechen könnten es sich keinesfalls leisten, Schwierigkeiten bei der Bedienung der neuen Anleihe zu bekommen, warnte der Finanzexperte Bert Van Roosebeke von der Denkfabrik CEP im dpa-EU-Insight-Interview. Daher erwartete Athen, im Notfall weitere Finanzmittel von der Europäischen Zentralbank (EZB) oder dem Rettungsschirm ESM zu erhalten. (awp/mc/upd/ps)