Zürich – Bei Schweizer Pensionskassen findet eine massive Umverteilung statt: Aufgrund der historisch tiefen Zinsen und der gestiegenen Lebenserwartung sind die gesetzlich garantierten Renten unrealistisch hoch. Die daraus entstehende Lücke stopfen die Pensionskassen mit Geld von den aktiven Versicherten. Schätzungen zufolge werden dadurch jährlich rund 3 Mrd. Franken von den Aktiven zu den Rentnern umverteilt. Diese Umverteilung wird durch die Altersreform 2020 lediglich vermindert, egal ob sich der Nationalrat oder Ständerat durchsetzt. Was dies für den einzelnen Bürger bedeutet, lässt sich mit dem neuen Umverteilungsrechner von comparis.ch und Prof. Dr. Lukas Müller von der Universität St. Gallen erstmalig in der Schweiz berechnen.
Die Umverteilung wird gemeinhin im Zusammenhang mit dem Umlageverfahren der ersten Säule (AHV) thematisiert. Dort ist sie auch gewollt. Kaum Beachtung findet in der Bevölkerung dagegen der Umstand, dass die Umverteilung auch in der zweiten Säule in hohem Masse stattfindet, obwohl diese beim Kapitaldeckungsverfahren der Pensionskassen eigentlich nicht zulässig wäre. Dies hat Prof. Dr. Lukas Müller von der Universität St. Gallen dazu veranlasst, in Zusammenarbeit mit comparis.ch einen Rechner zu entwickeln, der jeder erwerbstätigen Person zeigt, wie viel Geld sie durch die zu grossen Versprechen des Gesetzgebers bei der Pensionierung verliert.
Umverteilungsrechner ermittelt den individuellen Rentenverlust
Was bedeutet die Umverteilung in der zweiten Säule für den einzelnen Bürger? Wieviel Rente geht dadurch jährlich oder insgesamt bei der Pensionierung verloren? Diese Fragen beantwortet der neue Umverteilungsrechner vom Comparis zum ersten Mal in der Schweiz. «In vielen Fällen liegt das Zinsversprechen der Pensionskassen deutlich über dem Zinssatz, mit dem das Sparkapital der aktiven Versicherten verzinst wird. Diese Differenz lässt sich berechnen, womit näherungsweise die entstandene Umverteilung gemessen werden kann», so Prof. Dr. Lukas Müller. Weil die Lebenserwartung steigt, müsste sich der Umwandlungssatz entsprechend verringern, damit das angesparte Kapital auf das längere Rentnerleben verteilt werden kann. Auch diese Differenz – der Unterschied zwischen dem gesetzlichen und tatsächlichen Umwandlungssatz – berücksichtigt der Comparis-Umverteilungsrechner.
Um die Umverteilung auf individueller Basis zu ermitteln, wird das individuelle Sparkapital per 1. Januar 2016 gemäss einem durchschnittlichen Schweizer Vorsorgeplan und der Angabe zum Lohn geschätzt. Für noch genauere Werte lassen sich die Durchschnittswerte durch individuelle oder Angaben gemäss Parlamentsdebatte ersetzen. Neben der jährlichen Umverteilung zeigt der Comparis-Umverteilungsrechner auch den Totalbetrag, welcher der versicherten Person in der Summe bis zum ordentlichen Rentenalter verloren gehen wird, weil er an Rentner umverteilt worden ist.
Politische Debatte unterstützen
«Die Altersvorsorge 2020 befindet sich derzeit in der politischen Diskussion und ist wohl das wichtigste Thema der laufenden Session. Mit dem Umverteilungsrechner stellt comparis.ch ein Tool zur Verfügung, das die politische Diskussion versachlichen soll», so Felix Schneuwly von comparis.ch. Denn obwohl bei den politischen Akteuren Einigkeit besteht, dass eine Reform der Altersvorsorge dringend notwendig ist, gehen die Meinungen bezüglich der geeigneten Massnahmen weit auseinander. Insbesondere über den Ausgleich von Renteneinbussen in der zweiten Säule gibt es noch grosse Differenzen. Der Comparis-Umverteilungsrechner zeigt, dass keine Variante der Altersreform 2020 die Umverteilung in der 2. Säule stoppt. Mit höheren Beiträgen wird sie lediglich etwas gemildert. Insofern wäre ein Scheitern der Reform die schlechteste aller Varianten. (comparis.ch/mc/ps)
Zur Person Lukas Müller
Prof. Dr. Lukas Müller (1982) ist Assistenzprofessor für Management & Regulierung an der Universität St. Gallen und Vizedirektor am Institut für Accounting, Controlling und Auditing (ACA-HSG). Er hat an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaftslehre studiert und zur Rechnungslegung von Vorsorgeverpflichtungen promoviert. Im Anschluss war er mehrere Jahre bei einem führenden Anbieter von Beratungsdienstleistungen im Bereich der beruflichen Vorsorge in Zürich tätig. Heute ist er unter anderem Mitglied des Stiftungsrats der St. Galler Pensionskasse (sgpk).