Credit Suisse Anlagestrategie: Furcht sollte nicht über Anlagestrategie bestimmen

Von Michael Strobaek, Global CIO der Credit Suisse. (Foto: CS)

Zürich – Der Coronavirus-Ausbruch und die damit einhergehenden Schocks für die Wirtschaft haben die Finanzmärkte in den letzten Wochen destabilisiert. Diese Situation wird nun zusätzlich dadurch verschlimmert, dass sich die OPEC und ihre Partner nicht auf eine weitere Senkung der Förderquoten verständigen konnten. Die Ölpreise sind daher am 9. März um ganze 25% eingebrochen, während der S&P 500 Index nach einer historisch schlechten Sitzung für die Finanzmärkte um 7.6% tiefer geschlossen hat.
Das Umfeld scheint damit ausgesprochen düster, die Anleger sollten aber dennoch davon absehen, sich vorschnell in die eine oder andere Richtung zu positionieren, und die Märkte nicht zu timen versuchen.

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus auf internationaler Ebene hat in den letzten Wochen schmerzliche Korrekturen an den Aktienmärkten ausgelöst. Die implizite Volatilität – eine Mass der Unsicherheit – und die Anleihenrenditen am langen Ende erreichen mittlerweile Niveaus, die in der Vergangenheit ausschliesslich in Phasen länger anhaltender Marktverwerfungen zu beobachten waren. Der markante Anstieg der Volatilität legt zwar nahe, dass die Märkte in Panik zu verfallen drohen, es ist aber unseres Erachtens noch zu früh, die aktuellen Marktturbulenzen als Handelsgelegenheiten zu nutzen.

Schock auf Schock: Wirtschaftliche Auswirkungen in eine Perspektive gesetzt
Die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben die Lieferketten im verarbeitenden Gewerbe unterbrochen und in weiten Teilen Asiens Angebotsschocks ausgelöst. Zu den am schwersten betroffenen Ländern zählt seit Kurzem auch Italien, wo die Behörden landesweit dramatische Massnahmen ergriffen haben, um dem Erreger Einhalt zu gebieten. Auf die anfänglichen Angebotsschocks folgen jetzt auch Nachfrageschocks, weil die Menschen ihren Konsum von Waren und Dienstleistungen reduzieren. Doch es kommt noch schlimmer, wird das globale Wachstum doch gegenwärtig von einem dritten Schock getroffen: Das Unvermögen Saudi-Arabiens und Russlands, sich auf tiefere Förderquoten zu verständigen, liess die Ölpreise in eine Abwärtsspirale fallen. Sie brachen an einem einzigen Tag um 25% ein und verzeichneten damit den stärksten Rückgang seit 1990. Die tieferen Ölnotierungen sind zwar letztlich gut für die Konsumenten, sie sind jedoch negativ für die europäischen und amerikanischen Ölproduzenten und können auch die Kreditmärkte beeinträchtigen.

Die Finanzmärkte preisen gegenwärtig einen einschneidenden Rückgang der vorlaufenden Konjunkturindikatoren (z.B. der Einkaufsmanagerindizes), der Industrieproduktion sowie der Wirtschaftsaktivität im Allgemeinen ein, obwohl es keine Beweise für eine dauerhafte Eintrübung gibt. Die kollabierenden Anleihenrenditen sorgen zwar dafür, dass die Aktienrisikoprämien hoch und damit attraktiv bleiben, es ist aber noch zu früh, um eine Bodenbildung an den Aktienmärkten auszurufen. Tatsächlich dürften sich Aktien in den nächsten Wochen weiterhin äussert volatil entwickeln, während sich die Ausbreitung des Coronavirus ausserhalb Chinas beschleunigt und die Regierungen weltweit unter höchstem Zeitdruck nach konzertierten Gegenmassnahmen suchen, um auch den Märkten wieder einen Schritt voraus zu sein. Bisher waren die geld- und finanzpolitischen Reaktionen auf die Krise indessen weder wirklich überzeugend

Aktien neutral gewichtet
Wir räumen zwar ein, dass die Ausbreitung des Virus mit diversen Unsicherheiten behaftet ist, wir erwarten dennoch, dass es Europa und den USA letztlich gelingen wird, die Epidemie einzudämmen, ohne dass die Weltwirtschaft dabei auf direktem Weg in eine Rezession abrutscht. Aktien sollten folglich im Zuge einer allmählichen Wiederherstellung des Vertrauens in den nächsten drei bis sechs Monaten in der Lage sein, den verlorenen Boden wiedergutzumachen. Dann dürften fundamentale Faktoren wieder vermehrt in den Fokus rücken, wie beispielsweise die Dividendenrenditen von Aktien, die insbesondere im Vergleich zu den nun deutlich tieferen Anleihenrenditen attraktiv sind. Auf kürzere Sicht werden schwächere Konjunkturindikatoren und steigenden Neuinfektionszahlen die Stimmung voraussichtlich weiter eintrüben und die Märkte belasten, während künftige geld- und finanzpolitische Massnahmen in die entgegengesetzte Richtung wirken könnten. Wie bereits angedeutet, sind wir der Ansicht, dass die Politik den sich bietenden Herausforderungen mit ihren bisherigen Massnahmen nicht gerecht geworden ist. Wir bevorzugen daher zum aktuellen Zeitpunkt im Portfoliokontext eine neutrale Aktienallokation.

Anleihen untergewichtet
Sobald sich erste Anzeichen dafür einstellen, dass der Kombination aus Eindämmungsmassnahmen einerseits und wirtschaftspolitischen Reaktionen andererseits Erfolg beschieden ist, wird sich unseren
Erwartungen zufolge auch der markante Rückgang der globalen Anleihenrenditen wieder umkehren. Die aktuellen Renditeniveaus sind Ausdruck der plötzlichen Suche nach sicheren Häfen und scheinen auf längere Sicht nur nachhaltig, falls sich deflationäre Tendenzen abzeichnen sollten, womit wir jedoch nicht rechnen.

Rohstoffe bieten Aufwärtspotenzial
Die Märkte für Öl und Basismetalle gerieten am stärksten unter Druck, als in China ein massiver Produktionseinbruch offensichtlich wurde. Als am vergangenen Wochenende durchsickerte, dass Russland aus der OPEC+ (Organisation erdölexportierender Länder und ihre Partner) austritt und Saudi-Arabien mit einem Preiskrieg droht, erlitten die Ölmärkte einen weiteren Schwächeanfall. Unseres Erachtens ist der Zug für Verkäufe in diesem Markt bereits abgefahren. Wir halten folglich an unserer Übergewichtung des breiteren Rohstoffindex fest, zumal dieser auch Edelmetalle umfasst, die zur Diversifikation von mit dem Coronavirus zusammenhängenden Risiken beitragen.

Panik mit Geduld abfedern
In den kommenden Wochen ist mit weiteren schlechten Wirtschaftsdaten zu rechnen, während die negativen Konsequenzen der genannten Schocks zunehmend spürbar werden. Wir werden auf Hinweise darauf achten, dass sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt, die Massnahmen zur Milderung der negativen Folgen des Virus Wirkung zeigen und sich hochfrequente Wirtschaftsdaten, wie z.B. solche zum Reiseverhalten oder zu den Konsumausgaben, wieder zu normalisieren beginnen.
Da die Bewegungen an den Finanzmärkten sehr schnell erfolgen und stark vom täglichen Nachrichtenfluss abhängen, sollten Anleger vorerst davon absehen, sich klar in die eine oder andere Richtung zu positionieren, und die Märkte nicht zu timen versuchen. In Zeiten wie diesen bietet eine gute Diversifikation über die verschiedenen Anlageklassen hinweg die beste Absicherung. (09.03.2020) (Credit Suisse/mc/ps)

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