Crowdfunding ist wie eBay für Ideen
(Bild: Natalia Merzlyakova – Fotolia)
Chur – Geldgeberinnen und Geldgeber beim Crowdfunding verlassen sich oft auf die Bewertungen anderer. Daher wird bereits zu Beginn von Kampagnen der Grundstein für Erfolg und Misserfolg gelegt. Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur hat erstmalig das Nutzerverhalten anhand von mehr als 10’000 Transaktionen in Crowdfunding-Kampagnen auf der Schweizer Plattform 100-days.net analysiert. Dabei sind die Mechanismen im Crowdfunding ähnlich wie beim E-Commerce oder bei Online-Auktionen.
Genau wie beim E-Commerce und bei Online-Auktionen treten auch beim Crowdfunding soziale Mechanismen auf, die das weitere Verhalten der User beeinflussen. Prof. Dr. Kerstin Wagner und Dr. Michael Beier von der HTW Chur analysieren dafür erstmals das Nutzerverhalten in über 10’000 Transaktionen auf der Schweizer Crowdfunding-Plattform 100 Days und entdecken einen «Herdeneffekt».
Sichtbare Informationen auf der Projektseite führen zu Herdenverhalten
Die Ergebnisse der Forschenden zeigen, dass erfolgreiche Zahlungseingänge innerhalb der ersten fünf Tage von Crowdfunding-Kampagnen ein starker Indikator für den letztendlichen Erfolg nach 100 Tagen Kampagnenlaufzeit sind. «Dies liegt nicht nur daran, dass die geleisteten Zahlungen zum Gesamterfolg der Kampagne beitragen, sondern vor allem an den sichtbaren Informationen, die zu jedem Zeitpunkt auf der Projektseite in der Crowdfunding-Plattform einzusehen sind. Dies führt zu einem Herdenverhalten», erläutert Co-Autorin Wagner.
Neu gestartete Projekte würden lediglich aufgrund der Informationen bewertet werden, die über das Projekt und die Köpfe dahinter zur Verfügung stehen. Nach einigen Tagen Laufzeit einer Kampagne kommt zu diesen Informationen dann aber auch die Information hinzu, inwieweit das Projekt bereits von anderen Geldgebenden unterstützt wird. Projekte, die anfangs wenig Unterstützung finden, haben aufgrund der schlechten sozialen Bewertung im weiteren Verlauf der Kampagne dann auch schlechtere Chancen auf weitere Unterstützung. Letzten Endes orientieren sich Menschen in Situationen mit fehlenden oder nicht eindeutigen Informationen tendenziell einfach am Verhalten der anderen.
Verhalten bekannt von Online-Auktionen
Dieses Herdenverhalten kennt man auch aus anderen Kontexten wie von Online-Käufen, Online-Auktionen oder auch dem Verhalten von Usern auf Download-Portalen. Gerade bei Online-Auktionen neigen User zu einem ausgeprägten Herdenverhalten: Viele Käuferinnen und Käufer bieten eher auf Angebote, die bereits andere Bietende aufweisen, und ignorieren tendenziell andere, möglicherweise sogar attraktivere Angebote in derselben Kategorie, für die zum jeweiligen Zeitpunkt jedoch noch kein Gebot abgegeben worden ist.
Neue Entwicklungen in der Crowdfunding-Forschung
Lange Zeit wurde Crowdfunding in der Forschung nur aus den Perspektiven der Gründungsfinanzierung und als Finanzdienstleistung betrachtet. Neue Entwicklungen in der Crowdfunding-Forschung gehen dagegen nun dazu über, Crowdfunding als spezielles Phänomen im Online Business zu untersuchen. So interessieren sich die Forschenden aktuell viel mehr dafür, wie sich Menschen in Crowdfunding-Plattformen individuell verhalten und zu welchen kollektiven Ergebnissen dies führt. «Wenn Sie Crowdfunding wirklich verstehen wollen, denken Sie dabei besser nicht an eine Finanzdienstdienstleistung. Denken Sie eher an so etwas wie ein eBay für Ideen.», so Co-Autor Beier. (HTW Chur/mc/pg)