Das Billionen-Versprechen

Von Martin Raab, Derivative Partners AG, www.payoff.ch

Infrastruktur ist zum Top-Thema geworden – nicht nur für Politiker, sondern auch für Anleger. Aber wie definiert sich Infrastruktur eigentlich genau und welche Investitionsmöglichkeiten gibt es? Eine Spurensuche zwischen Asphalt und Pipelines.

Vor exakt 148 Jahren wurde nach über 40 Jahren Bauzeit die erste transkontinentale Eisenbahnlinie zwischen Atlantik und Pazifik fertiggestellt und ermöglichte somit den durchgängigen Warentransport von West nach Ost. Das Mega-Projekt, in Iowa startend, in San Francisco endend, wurde mit Anschubfinanzierung und Kreditgarantien durch die damals noch jungen Vereinigten Staaten ermöglicht. Umgerechnet in heutige Werte, wurden USD 2‘666 Mrd. im US-Bundeshaushalt für das Infrastrukturprojekt bereitgestellt bzw. in Form von Staatsanleihen aufgenommen. So gross die Freude bei der Eröffnungsparty am 10. Mai 1869 war, so rasch erfasste die Ernüchterung beim Thema Instandhaltung die Projektbeteiligten. Noch nie zuvor musste auf der Welt ein so umfassendes Gleissystem kontinuierlich gewartet werden – oder besser gesagt, sollte gewartet werden. Heute ist der Zustand des US-Schienenverkehrs durch Sparmassnahmen und Vernachlässigung in vielen Bereichen mehr als dürftig.

«Aufhorchen liess der Ansatz von Präsident Trump, eine Billion Dollar für Erneuerung der US-Infrastruktur zu investieren. Doch nicht als Cash-Ausgaben, sondern über den Weg von Steuerkrediten.»

Auch Autobahnen und Schnellstrassen sind betroffen. So weist laut American Society of Civil Engineers (ASCE) jeder dritte Highway strukturelle Schäden auf. Jeder, der schon einmal ein paar Hundert Meilen in abgelegenen Ecken in Florida oder Tennessee unterwegs war, weiss, wovon der ASCE schreibt. Die Hauptursachen liegen in der Überalterung der Strassen und an Finanzierungsproblemen für regelmässige Wartung. Die Vereinigung der US-Ingenieure schätzt den Investitionsbedarf bis 2020 sogar auf USD 3.6 Bio.

Alle sitzen im gleichen Boot

Doch mit diesen Problemen sind die USA nicht allein. So fehlen in Deutschland inzwischen ebenfalls Rekordsummen, um das weitverzweigte Strassennetz befahrbar zu halten. Auf EUR 1 Bio. beziffert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung den Investitionsbedarf für Strassen, Schienen, Brücken, Flughäfen und Schifffahrtswege insgesamt. Der deutsche Automobilclub ADAC gibt inzwischen im Internet seinen Mitgliedern Hilfestellung bei Schlaglochschäden am Auto. Hartmut Beckedahl, Professor mit dem Forschungsschwerpunkt Straßenentwurf und Straßenbau an der Bergischen Universität Wupperta,l rechnet vor: «Für jeden Quadratmeter Straße müsse man 1.30 Euro für die Instandhaltung investieren. Derzeit werde allerdings nur knapp die Hälfte ausgegeben», so der Forscher. Auch in der Schweiz, wo sich seit dem Jahr 1990 der Verkehr auf den Nationalstrassen verdoppelt hat, steigen die Infrastrukturaufwände. Die einst gelobten Strassen hierzulande bröckeln vielerorts und müssen teuer saniert werden. Aktuell verschlingen allein Autobahnen und der Agglomerationsverkehr pro Jahr CHF 390 Mio. Im Zuge der jüngsten Abstimmung zur Errichtung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) wird die Schweiz ab dem Jahr 2020 pro Jahr CHF 3 Mrd. für die nationale Strassen-Infrastruktur ausgeben. Die versprochenen einmaligen Einsparungen in Höhe von bis zu CHF 200 Mio. im Zuge der NAF-Errichtung erscheinen dabei nicht mehr als ein lächerlicher Tropfen auf den heissen Asphalt.

Heisses Thema – bei Politik und Investoren

Das Thema Infrastruktur ist nicht zuletzt dank der zentralen Rolle beim US-Wahlkampf in aller Munde – bei Politikern und Investoren gleichermassen. Aufhorchen liess der Ansatz von Präsident Trump, eine Billion Dollar, also eine Summe mit zwölf Nullen, für Erneuerung der teils sehr maroden Infrastruktur investieren zu wollen. Doch nicht als Cash-Ausgaben, sondern über den Weg von Steuerkrediten. Das Rennen um die Filetstücke hat begonnen. Dort, wo viel Verkehr rollt, sind Mauteinkünfte sicher. «Abgelegene Strassen oder Brücken sind chancenlos für privates Investitionskapital», ist sich Robert F. Wescott, Chef der Strategieberatung Keybridge in Washington D.C., sicher. Der ehemalige Wirtschaftsberater von Bill Clinton hält die Euphorie im US-Infrastruktursektor für gefährlich. Doch ist das Thema sehr vielschichtig. Auch aus Anlegersicht gilt es genau zu differenzieren. Infrastruktur ist ein dehnbarer Begriff geworden.

Differenzierte Investitionsmöglichkeiten

So definiert der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) Infrastrukturinvestments als alle Investitionen und die Finanzierung von Projekten zum Aufbau, der Sanierung oder der Instandhaltung von Anlagen zur Energieerzeugung, Leitungsnetzen, Strassen, Brücken oder sozialen Einrichtungen. Infrastrukturinvestments werden unter institutionellen Kunden immer beliebter, da sie eine geringe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen bieten und über lange Laufzeiten stabile und planbare Cashflows generieren. Durch oft vertraglich fixierte Kopplungen an den Verbraucherpreisindex bieten Infrastrukturinvestments auch einen attraktiven Inflationsschutz. Geht man in die Teilbereiche der Infrastruktur, so zeichnet sich ein sehr heterogenes und somit komplexes Bild für Investoren (siehe Tabelle). Neben der Abgrenzung je Sektor lassen sich Infrastrukturinvestments auch nach Projektphasen unterscheiden. Während «Brownfields» Beteiligungen an bereits entwickelten und operativ tätigen Projektgesellschaften sind und regelmässige und kalkulierbare Cashflows abwerfen, stehen «Greenfields» für Frühphasenfinanzierungen oder Neugründungen von Projektgesellschaften. Diese sind zwar mit höheren Risiken verbunden, bieten aber bedeu­tenderes Wertsteigerungspotenzial und eignen sich somit für risikofreudige Investoren.

Big Player und nahezu unendliches Volumen

Nicht nur in den USA, Deutschland und hierzulande besteht grosser Bedarf an Infrastrukturmassnahmen. Betrachtet man den globalen Infrastrukturmarkt, so ergeben sich Jahr für Jahr gigantische Investitionsvolumina. Und diese gilt es zu managen. Der unbestrittene Marktführer in dieser oft verschwiegenen Branche ist die australische Gesellschaft Macquarie, die alleine in 2016 knapp USD 33 Mrd. für Investitionen eingeworben hat. Knapp dahinter folgt die kanadische Brookfield Asset Management mit USD 32 Mrd. Für ihr letztes Vehikel, den Brookfield Infrastructure Fund III, hat das Unternehmen in 2016 binnen neun Monaten USD 14 Mrd. gesammelt und somit den grössten geschlossenen Infrastrukturfonds der Geschichte geformt. Das französische Haus Ardian notiert als erstes europäisches Haus auf Rang 10 mit USD 6 Mrd.

«Die einfachste Form der Beteiligung für Privatpersonen bieten Investitionen in börsennotierte Infrastrukturaktien, Fonds oder Strukturierte Produkte.»

Die Schweizer Partners Group holte sich in 2016 den 18. Rang mit USD 4 Mrd. Fundraising. Ein aktuelles Projekt des Zuger Infrastrukturgiganten ist Seabras-1, das erste auf dem Meeresboden verlaufende direkte Glasfaserkabel zwischen New York und São Paulo. Mithilfe modernster Technologie liefert Seabras-1 hohe Kapazitäten für störungsfreie Kommunikation auf einer der am schnellsten wachsenden transozeanischen Routen der Welt. Im Dezember 2015 wurde die Finanzierung abgeschlossen und mit der Konstruktion begonnen, die Inbetriebnahme ist für 2017 geplant.

Unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten

Ein Investment in Infrastruktur ist beispielsweise per Direktinvestitionen, z.B. in Form von Public Private Partnerships (PPP), möglich. Diese Möglichkeit ist aufgrund ihrer Komplexität und des grossen Know-hows, das vorhanden sein muss, hauptsächlich institutionellen Investoren vorbehalten. Infrastrukturfonds, die nicht börsennotiert sind, erfordern gegenüber Direktinvestitionen einen geringeren Kapitaleinsatz und bieten eine grössere Diversifikation, binden das Kapital aber ebenso für einen langen Zeitraum. Die einfachste Form der Beteiligung am potenziellen Infrastrukturboom für Privatpersonen bieten Investitionen in börsennotierte Infrastrukturaktien oder Infrastrukturfonds bzw. ETFs. Diese lassen sich bereits mit einem geringen Kapitaleinsatz realisieren und sind auf täglicher Basis handelbar. Dieser Vorteil wird allerdings auch zum Nachteil, da aufgrund ihrer Liquidität eine hohe Korrelation zu Aktieninvestments besteht und somit der Diversifikationseffekt im Portfolio reduziert wird.

Pipelines und Mautstrassen im Depot

Ein typisches Infrastrukturunternehmen im Bereich Energie bietet beispielsweise der US-Konzern Kinder Morgan. Dies hatte nach dem Ölpreiseinbruch zu Beginn des letzten Jahres auch Warren Buffett erkannt und kaufte sich in die Gesellschaft ein. Die Aktie stieg seit ihrem Tief im Januar 2016 getrieben durch die Ölpreiserholung bereits um knapp 80% – Rekord. Doch waren es Faktoren wie die Stabilität und Berechenbarkeit des Cashflows, die Buffett gepaart mit der günstigen Bewertung zum Kauf trieben. Kinder Morgan besitzt Ölpipelines und Lagerhäuser und betreibt ein stabiles Geschäft. Sie verdienen an jedem Barrel Rohöl, das durch ihre Pipelines fliesst und die Menge ist trotz starken Schwankungen des Ölpreises erstaunlich stabil. Man könnte sie somit als Mautgesellschaft der Ölindustrie bezeichnen. Aufgrund der Stabilität des Geschäftsmodells sollte die Aktie trotz des bereits erfolgten Kursanstiegs interessant bleiben. Ein weiteres typisches Infrastrukturinvestment stellt die in Italien und Deutschland kotierte, italienische Holdinggesellschaft Atlantia dar. Der Aktienkurs hat sich in drei Jahren verdoppelt. Sie ist für die Mautabwicklung von derzeit 3‘100 Autobahnkilometern mit 262 Mautstellen zuständig. Dies entspricht mehr als der Hälfte des gebührenpflichtigen italienischen Autobahnnetzes. Zusätzlich ist sie an den Flughäfen in Rom beteiligt. Das Unternehmensprofil baut auf denselben Pfeilern von Infrastrukturinvestments – stabile und laufende Cashflows – und sie bietet Investoren aktuell eine Dividendenrendite von ca. 4.5%.

ETFs und Strukturierte Produkte helfen

Von Trumps angekündigten Investitionen in den Strassenbau und der Erneuerung von Wasserrohren, Stromtrassen oder Brücken könnten nicht nur Infrastrukturunternehmen profitieren. Auch Unternehmen aus dem Industriesektor wie der Baumaschinenkonzern Caterpillar könnten Profit aus der Sanierungswelle schlagen. Die Aktie von Caterpillar stieg seit der Wahl Donald Trumps bereits um knapp 20%, sollte bei einer nachhaltigen konjunkturellen Belebung der Wirtschaft weiteres Potenzial bieten. Investoren, die breiter gefächert in Infrastruktur investieren möchten, können dies mittels des db x-trackers S&P Global Infrastructure UCITS ETF (Symbol XSGI, Valor 3614442) tun. Dieser bildet ein Universum aus 75 weltweiten Infrastrukturunternehmen aus den Sektoren Versorger, Transport und Energie ab. Mit einer Gewichtung von 39% in den USA können die Chancen eines Booms durch Donald Trump mit einer gleichzeitigen globalen Streuung kombiniert werden.

Top-Bestandteile des mit einem 2-Sterne dp-Rating versehenen ETFs sind u.a. Mautstrassenbetreiber wie die australische Transurban Group oder Atlantia oder aber Flughafenbetreiber wie die spanische Aena. Mehrfach besprochen wurde in unseren Publikationen bereits Duke Energy, der zweitgrösste Energiekonzern der USA.

Neben einem ETF kann man auch über Indexzertifikate in Infrastruktur investieren. Hier bietet sich u.a. das Anlageprodukt der Credit Suisse mit dem (Symbol INFRCS, Valor 28421479) an. Dieses auf USD lautende Tracker-Zertifikat auf den CS Infrastructure Shares Basket schliesst internationale Industrieunternehmen wie Caterpillar, Ingersoll-Rand oder ThyssenKrupp mit ein und vermeidet damit einen zu starken US-Bias. INFRCS hat jedoch eine fixierte Laufzeit bis November 2018. Das ist für Momentum-Anleger wenig hinderlich, für die strategische Asset-Allokation eher unschön. Doch hier scheint das Treasury der Credit Suisse auf die Produktstrukturierung eingewirkt zu haben oder die Lead-Order wollte es so. Wer ohne feste Endlaufzeit investieren möchte, für den könnte das Tracker-Zertifikat auf den Solactive Infrastructure Rotator Index der UBS (Symbol INFRA, Valor 2802773) infrage kommen. Dieses an der SIX Structured Products Exchange kotierte Papier investiert in die drei der vier Solactive Infrastruktur-Subindizes mit dem stärksten 3-Monats-Momentum und bietet somit neben dem Infrastrukturfokus noch eine smarte Komponente. Somit sollte für jeden Investor etwas dabei sein, um am aktuellen Infrastrukturhype partizipieren zu können. Auch wenn Donald Trump seine Versprechen nicht halten sollte (oder nicht halten kann), ist und bleibt das Thema Infrastruktur ein Dauerbrenner.

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