von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Im letzten Jahr gab es für die Dollar-Prognosen nach oben kaum Grenzen. Höhere Fed-Zinsen waren der Garant für das Glück der Dollar-Bullen. Sechs Monate später ist die erste Zinserhöhung in den USA Tatsache und die Liebe zum Dollar abgekühlt. Was blieb, ist der Einfluss der Zinserwartungen auf den Greenback.
Im letzten Dezember hat die Fed die Zinswende eingeläutet und erstmals seit fast zehn Jahren ihren Leitzins angehoben. Weitere Zinserhöhungen im Quartalsrhythmus galten im Markt als gegeben. Da der Rest der Welt von Zinserhöhungen weit entfernt ist, war ein starker Dollar DIE sichere Wette an den Finanzmärkten. Ein Rückgang der Aktienkurse um 10% und ein fallender Ölpreis haben jedoch genügt, um die Stimmung zu drehen.
Kein Treibstoff für eine Dollar-Aufwertung
Man sprach plötzlich nicht mehr von Zinserhöhungen, sondern von Negativzinsen, auch in den USA. Dies bekam dem US-Dollar nicht gut. Handelsgewichtet verlor er seit Ende Januar 8% an Wert. Nach der Erholung der Aktienkurse sind Negativzinsen kein Thema mehr. Zinserhöhungen werden aber im Markt in absehbarer Zukunft gemäss den Fed Fund-Futures keine mehr erwartet. Der Treibstoff für einen höheren Dollar ist damit verloren gegangen.
Wer auf einen höheren Dollar gewettet und sich entsprechend positioniert hat, sieht sich plötzlich mit steigenden Verlusten konfrontiert. Viele dieser Long-Dollar-Positionen werden nun aufgelöst oder gar gedreht. Die Nettopositionierung nichtkommerzieller Investoren im EUR/USD-Futures an der Chicago Mercantile Exchange, welche im Dezember noch 183‘000 Kontrakte zu Gunsten des Dollars betragen hat, ist auf 39‘000 Kontrakte zu Gunsten des Greenbacks geschrumpft.
Modelle beeinflussen den Markt
Viele spekulative Teilnehmer im Devisenmarkt stützen sich bei ihren Entscheiden auf quantitative Modelle. Diese versuchen, Trends an den Märkten auszunützen. Da der Aufwärtstrend des Dollars gebrochen ist und sich zusehends ein Abwärtstrend etabliert, drehen diese Modelle ihre Signale und schlagen nun den Verkauf von Dollar vor. Andere vertrauen auf Chart-Methoden. Gegenüber dem Euro besteht bei 1.15 ein Widerstand. Sollte der Euro länger über 1.15 zum Dollar notieren, würde ein weiterer Schwall von zusätzlichen Verkaufsaufträgen auf den Dollar einbrechen.
Heisst das nun, dass der Dollar weiter schwach bleiben wird?
Die Bewegung nach unten kann noch etwas weitergehen, bis der Trend wieder gebrochen wird und sich die Modelle neu orientieren. Ein Anlass zu einem solchen Trendbruch könnte eine weitere Zinserhöhung der Fed im Juni sein. Dies wird die Zinserwartungen wieder nach oben verschieben und den Dollar vorübergehend wieder stärker ins Schaufenster stellen. Das Aufwertungspotenzial hält sich jedoch in Grenzen. Eine Euphorie für den Greenback wird die Fed nicht mehr auslösen, da Zinserhöhungen in den USA nicht mehr das „historische“ Ereignis sind, als welches sie im letzten Herbst glorifiziert wurden. (SGKB/mc)
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.