Jack Welch, Kritiker der Umsetzung des Shareholder-Values.
Von Roger M. Kunz, Adriano B. Lucatelli, Reuss Private
Der Shareholder-Value-Ansatz ist heute wichtiger denn je. Allerdings nicht verstanden als kurzfristige Optimierung von Quartalsresultaten und in Form einer Maximierung von Managementgehältern, sondern als umfassendes Führungs- und Steuerungskonzept zur nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts.
Entscheidend ist die richtige Umsetzung. «Genau betrachtet ist Shareholder-Value die blödeste Idee der Welt», sagte Jack Welch, der Ex-Chef von GE im März 2009 in einem Interview mit der Financial Times. Tatsächlich? Natürlich kritisierte einer der vehementesten Vertreter der wertorientierten Unternehmensführung damit nicht das Konzept an sich, sondern dessen Umsetzung in vielen Unternehmen. Das sich in den 1980er-Jahren in den USA ausbreitende Konzept geriet schon bald in Verruf. Die einseitige Ausrichtung auf die Interessen der Eigentümer wurde stark kritisiert. Diese Kritik verstärkte sich vor rund zehn Jahren mit den Firmenzusammenbrüchen in den USA (Enron, Pacific Gas & Electric, K-Mart) und fand nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 einen weiteren Höhepunkt. Aber nicht nur Firmenbankrotte und Verwerfungen an den Finanzmärkten haben die Idee des ShareholderValue in Misskredit gebracht, sondern auch unverhältnismässig hohe Entschädigungen an Top-Manager.
Shareholder-Value ist nicht kurzfristige Gewinnmaximierung
Aber: Shareholder-Value darf nicht mit kurzfristiger Gewinnmaximierung, Managergier und anderen negativen Auswüchsen des kapitalistischen Wirtschaftssystems verwechselt werden. Wie im Folgenden gezeigt wird, führen in der Regel falsche Anreize zu diesen Verhaltensweisen, die nicht nur gesellschaftlich unerwünscht sind, sondern auch den Interessen der Aktionäre zuwider laufen. Ist beispielsweise die Höhe der Boni vom Erreichen kurzfristiger Ziele abhängig, werden sich die Manager danach richten. Dies widerspricht jedoch einem langfristig orientierten Shareholder-Value-Denken. Die Unternehmen sind gefordert, neue und nachhaltige Entlöhnungskonzepte zu realisieren. Die Stärkung von Wettbewerb und Aktionärsrechten tragen das Ihre zu dieser Entwicklung bei.
Die Grundzüge wertorientierter Unternehmensführung
Der Begriff «shareholder value» stammt ursprünglich aus der amerikanischen Management Literatur. Das gleichnamige Konzept wurde 1986 in Alfred Rappaports Buch «Creating Shareholder Value: The New Standard for Business Performance» erstmals umfassend definier t und abgehandelt. Es beinhaltet eine Reihe grundsätzlicher Überlegungen: Zunächst geht es dabei um die Bewertung von Unternehmen aufgrund der Barwerte zukünftiger, frei verfügbarer Zahlungsströme. Diese Barwerte werden anhand von risikogerechten Marktrenditen berechnet. Auch der Wert von Investitionen wird geschätzt, indem prognostizierte künftige Zahlungsströme mit dem Kapitalkostensatz diskontiert werden. Die Summe der abgezinsten Zahlungsströme entspricht dem Wert einer Investition bzw. einer Unternehmung oder eines Unternehmensteils. Wenn man vom auf diese Weise berechneten Unternehmenswert den Marktwert des Fremdkapitals abzieht, erhält man den für die Eigentümer der Unternehmung verbleibenden Wert. Durch die Beobachtung der Veränderungen im Zeitablauf kann festgestellt werden, wie viel Wert in einer bestimmten Periode geschaffen oder allenfalls auch vernichtet wurde. Im Weiteren werden sogenannte Werttreiber identifiziert, mit welchen eine Nettowertsteigerung für die Aktionäre erreicht werden kann. Das Konzept beschränkt sich dabei nicht auf Aktiengesellschaften, sodass der Begriff «Aktionär» unabhängig von der Rechtsform einer Unternehmung im weitesten Sinn als Eigentümer zu verstehen ist. Schliesslich wird die Maximierung des Aktionärsvermögens (Shareholder-Value) als einziges Unternehmensziel postuliert.
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