Von Martin Raab und Daniel Manser, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Drei Buchstaben entzweien derzeit die Struki-Branche: TER. Doch Jünger und Zweifler der neuen Gebührenkennzahl rücken enger zusammen. Ein Transparenzstandard braucht aber wohl noch viel Geduld. Parallel versucht die Börse, die Hochfrequenz-Trader samt Tick-Arbitrage zu bekehren.
Einen Temperaturanstieg verzeichnet die Schweiz derzeit nicht nur meteorologisch, auch im heimischen Derivatmarkt gibt es derzeit neue «Hot-Spots». Ein Schwerpunkt mit teils hitzigen Debatten ist das Thema TER. Das Kürzel steht für Total Expense Ratio und spiegelt die Gesamtkostenquote eines Investmentprodukts wider. Die Gebührentransparenz ist auch inzwischen beim europäischen Derivatverband eusipa in Brüssel ein Top-Thema: «Wichtiger als alles andere ist dabei die technische Richtigkeit des von der Branche vertretenen Ansatzes», erklärt Thomas Wulf, eusipa-Generalsekretär, im Interview.
Heisse TER-Debatte
Die Zürcher Kantonalbank hat kürzlich für eine neue Serie von Tracker-Zertifikaten im Termsheet die TER (0,18% p.a.) erstmals öffentlich publiziert. Die so ins Spiel gebrachte Kennziffer ist seit Längerem fester Bestandteil des Gebührenausweises bei Fonds. Die Anwendung dieser Kennziffer bei Strukis hat in der Branche für gespaltene Meinungen gesorgt. Stellenweise entsteht der Eindruck, dass der fachliche Hintergrund der Kennziffer sogar unterschiedlich interpretiert wird. Die TER ist sicher kein Teufelszeug, man sollte aber höllisch aufpassen, denn welche Kostenbestandteile rechnet ein Emittent in die TER konkret ein und welchem Bid-/Ask-Spread unterliegt das jeweilige Produkt? Entsprechend hitzige Äusserungen kursieren am Markt: «Man kann ein Zebra rosa anmalen, es bleibt ein Zebra», heisst es bei einem Emittenten, der es «bei allem, was kein Tracker-Zertifikat ist, für einen Äpfel-mit-Birnen-Vergleich» hält. «Bunte Würfelspiele zur optischen Täuschung der Buy-Side» befürchtet gar ein anderer Marktteilnehmer.
Meinungsbildung im Verband
In der Summe hoffen derzeit insbesondere die Marktführer auf eine rasche Meinungsbildung innerhalb der Verbandsmauern. «Momentan werden die verschiedenen Ansätze eingehend diskutiert und daraufhin überprüft, ob damit für den Anleger ein echter Mehrwert geschaffen wird», so Daniel Sandmeier, Präsident des SVSP, zum aktuellen Stand der Dinge. «Wir sind der Meinung, dass eine Kennzahl dann Sinn macht, wenn sie valide ist resp. wenn sie hält, was sie verspricht», stellt Georg von Wattenwyl, Leiter Financial Products Advisory & Distribution bei der Bank Vontobel und Vize-Präsident des SVSP, klar.
Bremse für Trading-Cowboys
Ebenfalls in der Branche hochgekocht ist die lästige Tick-Arbitrage – also das gezielte Ausnutzen von Kursdifferenzen zwischen Produkt und Underlying binnen Sekundenbruchteilen durch professionelle Hochfrequenz-Händler. Nach Recherchen von payoff dominiert die Tick-Arbitrage durch Highfrequency-Trader inzwischen weit über 80% der 20 meistgehandelten Hebelprodukte an der Scoach. Für einige Emittenten sind die Trading-Cowboys schon fast zur biblischen Plage geworden. Die Börse reagiert und möchte mit der «Progressive Usage Fee» die Rahmenbedingungen für einen ordnungsgemässen Handel nachhaltig verbessern.
Plage von 9‘000 Tick-Arbitrage-Orders täglich
Ein erstes konkretes Ergebnis ist, dass sich die Nutzung der Ordertypen FOK und IOC bereits signifikant reduziert hat. Die Emittenten dürften dies daran bemerkt haben, dass ihr Monitor in volatilen Phasen weniger «flackert», erklärt Börsenchef Christian Reuss die Situation. In der Vergangenheit prasselten auf die Scoach Schweiz täglich bis zu 9‘000 an Fill-or-Kill- bzw. Immediate-or-Cancel-Orders von den Arbitrageuren ein. Noch scheint es aber zu früh, um abschliessend zu beurteilen, ob sich die Trading-Cowboys damit dauerhaft bremsen lassen. «Die lancierte Progressive Usage Fee ist ein vorsichtiger Versuch, um das bunte Treiben einzudämmen», äussert sich ein Emittent, der täglich mit Hochfrequenz-Tradern kämpft.
Portfolio-Strategien bei UBS im Fokus
Beim Schwergewicht UBS (ca. 24% Marktanteil) sieht man aktuell eher die institutionellen Anleger bei der Börsenparty mittanzen, ist aber mit den Umsätzen in den eigenen Produkten zufrieden. «Die rege Aktivität der Privatanleger bei Strukturierten Produkten seit Jahresbeginn hat sich in den letzten Wochen etwas gelegt», erläutert Patrick Stettler, Leiter Public Distribution Switzerland bei UBS. Flächendeckend geben die aktuellen Volatilitäten für die Renditeoptimierungsprodukte relativ wenig Risikoprämie her – die Perlensuche ist schwer geworden. Der Fokus der Sales-Aktivitäten liegt u.a. auf der hauseigenen RADA-Indexfamilie sowie den neuen Trackern (MAPU5 und MAPE5) auf Multi-Asset-Portfolios mit Zielvolatilität. Dort sind in den nächsten Wochen gezielte Marketingmassnahmen geplant. «Erste Feedbacks von professionellen Anlegern machen uns sehr zuversichtlich, mit diesen Produkten den Zeitgeist zu treffen», so Stettler.
«Die rege Aktivität der Privatanleger bei Strukturierten Produkten seit Jahresbeginn hat sich in den letzten Wochen etwas gelegt.»
Zürcher KB debütiert mit Basket BRCs
Bei der Zürcher Kantonalbank möchte man mit einer neuen Serie von BRC Baskets im XL-Format die Anlegergunst gewinnen (Valor 20019682). Das neueste Produkt ist ein Portfolio von 25 einzelnen Aktien-BRCs, die entsprechend mit jeweils 4% gewichtet sind. «Die Hauptargumente für Anleger sind Diversifikation, eine tiefe Barriere von 50% und der Coupon von LIBOR + 2,65% p.a.», fasst Sinah Wolfers, Vertrieb Strukturierte Produkte der Zürcher KB, zusammen. Zusätzlich ist die steuerliche Behandlung des Produkts attraktiv. Es wird spannend, ob und wie die reine Anzahl der Basiswerte – 25 Aktien, von ZKB Research alle mit «Übergewichten» eingestuft – in Kombination mit dem Produkttyp bei Privatanlegern aufgenommen wird. Parallel hat man kürzlich erstmals Mini-Futures auf die chinesische Währung Renminbi, genauer gesagt auf den Offshore Renminbi (CNH), emittiert. «Ansonsten verfolgen wir natürlich die Trends in punkto Gebührentransparenz und TER sehr aufmerksam», ergänzt Hans-Georg Vetter, Leiter Vertrieb Strukturierte Produkte. «Strukturierte Produkte müssen nicht teuer sein», unterstreicht Vetter.
Julius Bär mit Innovation
«Die Bären sind los», und zwar mit zwei Multi Barrier Reverse Convertibles auf Goldminen und Gold. Das Spezielle dabei: Für die Barrierebeobachtung (Barriere bei 75%) und eine allfällige Umwandlung des Produkts werden drei Goldminenwerte, also Aktien, herangezogen, nach oben ist man beim Gold dabei. Es werden also verschiedene Asset Klassen in einem Produkt kombiniert. Die jährigen Produkte nutzen somit die derzeit günstige Bewertung von Minenwerten und gleichzeitig das Potenzial des Goldes. Anleger haben die Wahl zwischen einem 5%-Coupon und 100% Partizipation (JNWNE) oder 160% Partizipation (JNKVK).
Credit Suisse setzt auf Drop-Back
Eine spannende Emission hat die CS aufgelegt. Mit einem Drop-Back-Zertifikat auf den S&P 500 (Valor 21044614) können Anleger gestaffelt in den Basiswert investieren, und zwar immer dann, wenn er 5%, 10%, 15% oder 20% unter dem Ausgangslevel schliesst. Der dreijährige Tracker ist also das ideale Instrument für Investoren, die grundsätzlich einen stärkeren S&P 500 erwarten, aber gezielt bei Rücksetzern rein wollen. Das nicht investierte Geld wird zu beachtlichen 1,9% verzinst, Anlagewährung ist USD. Neuigkeiten gibt es auch vom CS-Online-Tool «my Solutions». «Das bereits bestehende Angebot an aktienbasierten Produkten soll im Monat Mai um zusätzliche Produkttypen erweitert werden», bestätigt Daniel Sandmeier, Head of Marketing & Distribution Structured Products Switzerland.
Commerzbank mit Faktor-Weltpremiere
Nicht langweilig wird es auch dem Struki-Team der Commerzbank Zürich. «Wir werden das Frühjahr nutzen und Präsenz markieren, weiter Kundennähe suchen und parallel an der Emissionsfront aktiv bleiben», fasst Dominique Böhler, Head Public Distribution, die Pläne zusammen. Man hat sich ganz den Faktor-Zertifikaten verschrieben und setzt auf die Trader. «Die Erfolgsgeschichte wird auch in 2013 weitergeschrieben», so Böhler. «Neben weiteren Kunden-Events werden wir unser Kundenmagazin ‹ideas› ausbauen», ergänzt sein Kollege Andreas Stocker. So werden trading-relevante Inhalte verstärkt eingebaut. Produktseitig wurden kürzlich Faktor-Zertifikate auf Schweizer Nebenwerte und eine Palette an Faktoren auf alle 30 DAX-Aktien lanciert. Erfolgreiche Weltpremiere feierten unterdessen die Faktor-Zertifikate auf Währungen.
Shale-Gas Premiere der RBC
Bei der Royal Bank of Canada (RBC) hat man vor wenigen Tagen ein hochaktuelles Thema investierbar gemacht: Shale-Gas. So wurden erste Multi-Bonus-Zertifikate auf Serviceprovider und Tier-1-Produzenten im OTC-Handel lanciert. «Der Erdgas-Boom in Nordamerika, welcher durch neue Fördermethoden ausgelöst wurde, hat jetzt schon den Energiesektor drastisch verändert und wird mehr und mehr auch die US-Wirtschaft beeinflussen. Wir bieten bereits jetzt die passenden Produkte für Anleger», erklärt Stefan Hascoet, Head Private Bank Sales Switzerland. Die RBC hat mit AA- eines der besten Emittenten-Ratings und ist der sechstgrösste Vermögensverwalter der Welt.
«Strukturierte Produkte müssen nicht teuer sein.»
RBS erhöht tägliche Visibilität
Serviceausbau hat sich auch die Royal Bank of Scotland (RBS) auf die Fahnen geschrieben. So wird die RBS interessierten Anlegern künftig einen täglichen Newsletter offerieren. «Das neue Angebot wird vor Markteröffnung schnell, aktuell und auf den Punkt gebrachte Informationen für Trader bringen», erklärt Florian Stasch von RBS Markets Schweiz die inhaltliche Ausrichtung von «MuZ daily». Die RBS gilt seit Kurzem als direkter und ambitionierter Mitbewerber bei Faktor-Zertifikaten und möchte tradingaffine Kunden anlocken. Dort zeigen sich die Umsätze zwar noch etwas dünn, aber sehr vielversprechend. «Wir konnten in kürzester Zeit eine potente Gruppe an Stammtradern etablieren», freut sich Stasch.
Ibero-Briten schreiben erste Tickets
Auch bei Abbey National bzw. Santander UK ist man mit der Nachfrage im Schweizer Markt zufrieden. «Wir sind mit soliden Ratings von A2 bzw. Single-A ausgestattet und schaffen es zunehmend, in Tailor-Made-Produkten grössere Tickets zu schreiben», erklärt Sebastian Steinhauser, Vice President Cross Asset Derivatives. «Der Fokus liegt weiterhin im Equity-Bereich auf index-basierten Lösungen. Santander UK bietet dabei nach wie vor einen attraktiven Diversifikationsvorteil für Neukunden und gleichzeitig massgeschneiderte Produkte für sehr flexible Nominalbeträge», sagt Steinhauser. Mit Blick auf die nächsten Monate möchte Steinhauser den Kundendialog in der Schweiz verstärken.
Vontobel lanciert China-Policy-Index
Das Reich der Mitte inspirierte Vontobel für einen neuartigen Index samt Tracker-Zertifikat: «Der mit dem chinesischen Researchanbieter NSBO konzipierte Index bildet die Kursentwicklung chinesischer Unternehmen ab, die am meisten von den zukünftigen wirtschaftspolitischen Ausrichtungen und Massnahmen der chinesischen Regierung und Administration profitieren könnten», beschreibt Eric Blattmann, Head of Public Distribution Financial Products, die Strategie. Der Index wird zweimal jährlich angepasst und die Management-Fee beträgt 1,5% p.a. Mit Blick auf den Markt sind Referenzanleihen weiterhin stark gesucht. «Speziell bei Hewlett Packard und Sony waren – aufgrund der hohen CDS-Levels – sehr attraktive Anlagechancen möglich. Wer Mehrrendite sucht, wird auch gegenwärtig bei den Referenzanleihen fündig», so Blattmann. Insgesamt laufen die Struki-Geschäfte an der Dreikönigstrasse gut.
«Wer Mehrrendite sucht, wird auch gegenwärtig bei den Referenzanleihen fündig.»
Aus EFG Financial Products wird Leonteq
Auch bei EFG FP dominiert Asien die derzeitige Agenda – auch produkttechnisch. «Nach dem grossen Interesse an unseren Myanmar-Produkten haben wir das Thema Südostasien diesmal in einem breiter diversifizierten Produkt aufgelegt und einen Südostasien-Tracker [ASEANC; Anm. d. Red] auf sieben ETFs und Indizes aus Südostasien gelistet», gibt Manuel Dürr, Head Public Distribution bei EFG Financial Products, bekannt. Er war neun Monate in Singapur am Aufbau des dortigen Büros beteiligt und amtet inzwischen in Zürich als neuer Vertriebschef. «Insgesamt stellten wir vermehrt Interesse nach längerfristigen Produkten, bis zu drei Jahren, auf konservative Aktientitel fest. Hier haben sich die impliziten Volatilitäten vergleichsweise stabil entwickelt», konstatiert Dürr den aktuellen Nachfrageschwerpunkt. Aufgrund der veränderten Besitzverhältnisse – Notenstein Privatbank und damit ist die Raiffeisengruppe die neue Hauptaktionärin bei EFG FP – steht ausserdem der Namenswechsel dieses Jahr an. Das neue Institut wird gemäss GV-Beschluss «Leonteq AG» heissen. «Leon» steht dabei für das Edelweiss (lat. Leontopodium) und soll das Schweizerische ausdrücken, «teq» steht für den hohen technologischen Anspruch des Unternehmens.
Emittenten vs. digitale Kommunikation
Auch für Emittenten wird der digitale Dialog bedeutsamer, die Strategien sind aber weiterhin eher unklar (siehe auch payoff magazine 06/2012). Während die US-Finanzindustrie bei diesem Thema führend ist, hinkt man in Europa nach. Dies bestätigt auch eine aktuelle Analyse zu «Social Media & Emittenten» vom Blog finanzprodukt.ch. Als Erstes fällt auf, dass bis dato immer noch kein einziger Schweizer Struki-Emittent auf einem Social Media-Kanal vertreten ist. In Deutschland sind hingegen bereits acht Emittenten, entweder auf Facebook, Twitter, Youtube (u.a. HSBC, Commerzbank) oder mittels Blog/Community, vertreten. «Viele Emittenten haben noch nicht verstanden, dass soziale Medien keine Einwegkommunikation sind und nutzen diese meist als reine PR-Maschinerie», erklärt Christian König, Geschäftsführer der Social Media Beratung Finanzpro. Des Weiteren ist in der Analyse aufgefallen, dass Anfragen auf sozialen Medien kaum beantworten werden. «Bis auf wenige Ausnahmen verschlafen die Struki-Anbieter den digitalen Dialog mit der Buy-Side vollkommen», so König. Gerade für den Bereich Public Distribution wären soziale Netzwerke perfekt, um selbstentscheidende Trader und Anleger direkt zu erreichen.