Deutsche Bank-Chef und seine Vorgänger vor Gericht
Prominenter Angeklagter: Der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann.
München – Auftakt in einem der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse seit Jahren: Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und vier seiner früheren Kollegen aus der Führungsetage des Geldhauses stehen seit Dienstag in München vor Gericht. Die fünf Top-Banker kamen unter grossem Medieninteresse mit insgesamt 15 Verteidigern in den Gerichtssaal und nahmen auf der Anklagebank Platz.
Die Staatsanwaltschaft wirft Fitschen, seinen beiden Vorgängern Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weiteren früheren Top-Managern versuchten Prozessbetrug vor: Mit einem gezielten Täuschungsmanöver sollen sie vor vier Jahren versucht haben, Schadenersatzzahlungen für die Pleite des Medienkonzerns Kirch vor dem Oberlandesgericht München abzuwehren. Die Angeklagten hatten diese Vorwürfe schon vor Prozessbeginn zurückgewiesen. Vor Gericht wurden sie zunächst nur nach ihren persönlichen Daten befragt, danach begann die Staatsanwaltschaft mit der Verlesung der Anklage.
«Versuchter Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall»
In der 627 Seiten umfassenden Anklageschrift ist von einem Tatplan die Rede, den die Top-Banker mit Hilfe der Rechtsabteilung der Deutschen Bank und Prozessanwälten verfolgt haben sollen. «Der Plan der Angeschuldigten war, durch eine wahrheitswidrige Darstellung der tatsächlichen Geschehnisse in den Jahren 2001 und 2002 das Oberlandesgericht München zu täuschen und so dazu zu veranlassen, die im Raume stehenden Ansprüche schon dem Grunde nach zurückzuweisen.» Weil ihnen das aber nicht gelungen sei und die Deutsche Bank letztlich doch zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt wurde, geht die Anklage nur von versuchtem Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall aus.
Kirch machte Deutsche Bank für den Zusammenbruch seines Imperiums verantwortlich
Leo Kirch hatte bis zu seinem Tod 2011 stets den früheren Bank-Chef Breuer und die Deutsche Bank für die Pleite seines Konzerns verantwortlich gemacht. Breuer habe ihn mit einer öffentlichen Äusserung über die mangelnde Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe «erschossen». Kirch war überzeugt davon, dass die Bank ihn unter Druck gesetzt habe, um später durch einen Beratungsauftrag an der Sanierung seines Konzerns zu verdienen – er wollte dafür Schadenersatz.
Fitschen: «Vage und in sich nicht schlüssige Angaben»
In dem Prozess vor dem Oberlandesgericht hatte Breuer versichert, die Bank habe keine Pläne für ein Beratungsmandat Kirchs gehabt. Als der Richter diese Darstellung anzweifelte, sollen ihm die anderen Manager laut Anklage zur Seite gesprungen sein, um das Gericht mit übereinstimmenden Zeugenaussagen zu beeindrucken. Die Aussagen sollen sorgfältig abgesprochen gewesen sein. «In Einzelgesprächen mit den Angeschuldigten wurde allen mitgeteilt, worauf es bei den Aussagen vor dem Oberlandesgericht ankomme», heisst es in der Anklage.
Fitschen selbst soll zwar nicht aktiv falsch vor Gericht ausgesagt haben, durch sein Verhalten aber die Linie seiner Kollegen mitgetragen haben. Er hat laut Anklage gewusst, dass diese falsch ausgesagt haben, aber nichts dagegen unternommen und auch durch seine eigenen Ausführungen nicht zur Aufklärung beigetragen. «Der Angeschuldigte Fitschen machte bei seiner Anhörung vage und in sich nicht schlüssige Angaben», so die Anklage. Fitschen will vor Gericht seine Unschuld beweisen. «Ich habe die Zuversicht, dass sich das, was ich immer gesagt habe, vor Gericht validieren lässt. Nämlich, dass ich nicht verstehen kann, warum diese Anklage gegen mich erhoben wurde», hatte er am Tag vor dem Prozessbeginn gesagt.
Top-Manager müssen vor Gericht erscheinen
Für den Prozess vor der fünften Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Peter Noll sind zunächst 16 Termine bis einschliesslich 22. September angesetzt, meist wird dienstags verhandelt. Die amtierenden und ehemaligen Top-Manager müssen als Angeklagte in dem Strafprozess jeweils persönlich erscheinen.
Wegen der Höhe der ursprünglich von den Kirch-Erben geforderten Summe von zwei Milliarden Euro geht die Anklage von versuchtem Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall aus. Für den Vorwurf käme im Falle einer Verurteilung ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in Betracht. Gegen mehrere weitere Beteiligte führt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Aussagen im Kirch-Prozess noch Ermittlungen, darunter auch gegen den einstigen Top-Manager Thomas Middelhoff. Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen. (awp/mc/pg)