Frankfurt – Mit dem höchsten Gewinn seit 15 Jahren knüpft die Deutsche Bank an «goldene» Zeiten vor der Finanzkrise an. Doch dem amtierenden Vorstand ist wichtig herauszustellen: Eine Zockerbude wie einst ist Deutschlands grösstes Geldhaus nicht mehr.
Die Investmentbank, die mit fragwürdigen Deals in der Vergangenheit Milliardenstrafen verursachte, wurde zurechtgestutzt. Die in früheren Zeiten immer wieder mal eher stiefmütterlich behandelten Privatkunden sind inzwischen eine tragende Säule des Geschäfts. Das Management hebt die Bedeutung des Heimatmarktes Deutschland hervor und beschränkt das Streben nach der Weltspitze auf wenige Bereiche.
65 Prozent mehr Gewinn
Der Lohn für die Neuausrichtung aus Sicht von Konzernchef Christian Sewing und seinem Team: Rund 5,6 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern im Jahr 2022 und damit 65 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Unter dem Strich stand ein Überschuss von etwas mehr als 5,0 Milliarden Euro nach 1,9 Milliarden Euro ein Jahr zuvor.
Auch wenn die Deutsche Bank von einer einmaligen Steuergutschrift im Zusammenhang mit US-Geschäften in Höhe von 1,4 Milliarden Euro profitierte: Es sind die höchsten Werte seit dem Rekordjahr 2007. Damals fuhr das Institut mehr als 8,7 Milliarden Euro Vorsteuergewinn und rund 6,5 Milliarden Euro Überschuss ein.
«Transformation ein Erfolg»
«Die Transformation der Deutschen Bank in den vergangenen dreieinhalb Jahren war ein Erfolg», bilanzierte Sewing am Donnerstag. Die 2019 gesetzten Ziele seien erreicht worden – «trotz des Doppel-Schocks einer Pandemie und eines Krieges in Europa, den damals noch niemand vorhersehen konnte». Sewing betonte: «Sie haben eine solide, robuste, nachhaltig ertragsstarke Deutsche Bank vor sich.» Und: «Für uns ist das Wichtigste, dass die Kunden zu uns kommen und sagen: Ihr seid wieder zurück.»
Jahre des Aufräumens
Rückblick: Im Mai 2012 tritt Vorstandschef Josef Ackermann nach zehn Jahren im Amt ab. Doch so «besenrein» wie Ackermann sagt, finden seine Nachfolger die Bank nicht vor. Es beginnen Jahre des Aufräumens und der Neuorientierung, inklusive milliardenschwerer Strafzahlungen für frühere Geschäfte. Zunächst bemüht sich die Doppelspitze Anshu Jain/Jürgen Fitschen (Juni 2012 – Juni 2015) eher glücklos um einen «Kulturwandel» bei Deutschlands grösstem Geldhaus. Dann analysiert John Cryan (Juli 2015 – April 2018) schonungslos die Misere des Instituts, wird aber mangels Vision vom Aufsichtsrat fallengelassen.
Nach drei Verlustjahren in Folge befördert der Aufsichtsrat im April 2018 Sewing auf den Chefposten. Der hatte fast 30 Jahre zuvor in einer Deutschen-Bank-Filiale in Bielefeld gelernt. Der jüngste Vorstandschef in der gut 150-jährigen Geschichte der Bank lässt keine Zweifel daran, dass er verstanden hat, was von ihm erwartet wird: Sewing kündigt «harte Einschnitte» an, in der Deutschen Bank müsse «grundsätzlich anders» gedacht und gearbeitet werden.
Investmentbanking geschrumpft
Im Juli 2019 legt Sewing seinen Masterplan vor: «Die Bank fokussiert sich jetzt auf das, was sie wirklich gut kann.» Ergo: Das Geschäft mit Mittelständlern, Familienunternehmen und multinationalen Konzernen. Das Investmentbanking – also der Handel mit Wertpapieren, Derivaten und Devisen aller Art, die Betreuung von Firmenübernahmen und Börsengängen – wird geschrumpft. Aus dem weltweiten Aktienhandel zum Beispiel zieht die Bank sich ganz zurück.
Der Erfolg stellt sich allmählich ein: Ausgerechnet im ersten Jahr der Corona-Pandemie 2020 schliesst die Deutsche Bank erstmals wieder ein Gesamtjahr unter dem Strich mit Gewinn ab. 2021 folgt das bis dato beste Jahresergebnis seit 2011. Allerdings: Cashcow ist in diesen Jahren weiterhin die Investmentbank, also ausgerechnet jene Sparte, die über Jahre mit Millionenboni und Milliardenstrafen das Image der stolzen Deutschen Bank kräftig ramponiert hatte.
Zwei Drittel der Erträge aus «stabilen Geschäftsfeldern»
Nun also die neue Balance: 2022 lief es für die Deutsche Bank vor allem im Geschäft mit Privatkunden und Unternehmen gut. Fast zwei Drittel der Erträge – also der gesamten Einnahmen – stammen nun aus diesen «stabilen Geschäftsfeldern», wie der Vorstand sie nennt. Die Eingliederung der noch in Ackermanns Zeiten gekauften Postbank ins Privatkundengeschäft ist auch mit Blick auf die Computersysteme auf der Zielgeraden.
Zuversichtlicher Blick nach vorn
Mit Blick auf 2023 äussert sich Sewing zuversichtlich: Die Deutsche Bank sei «auf einem absoluten Wachstumskurs». Das Institut sei «in einer starken Position, um im globalen Wettbewerb nicht nur zu bestehen, sondern weiter anzugreifen», bekräftigt Sewing in einem Schreiben an die weltweit fast 85 000 Vollzeitkräfte des Konzerns.
Eine Jobgarantie gibt es allerdings nicht für alle Mitarbeitenden: Der Vorstand plant bis 2025 Einsparungen, die über die ursprünglich angekündigten zwei Milliarden Euro hinausgehen. Ein Stellenabbau sei daher nicht ausgeschlossen, sagte Sewing: «Allein der Pfad der Privatkundenbank wird noch weitere Filialschliessungen und damit auch Personalabbau beinhalten.»
Den Aktionären verspricht der Deutsche-Bank-Chef zugleich: Die mageren Zeiten sollen ein Ende haben. Dass die Dividende je Papier für das Geschäftsjahr 2022 von 20 Cent auf 30 Cent erhöht werden soll, sei «nur ein Zwischenschritt». (awp/mc/pg)